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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.05.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 24/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2078
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament angefochten werden können.
Gründe:

I.

Der 1999 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasser war verwitwet; seine Ehefrau war 1987 verstorben. Am 27.3.1985 hatten die Eheleute eigenhändig folgendes gemeinschaftliche Testament errichtet:

Unser letzter Wille:

Wir vererben uns alles gegenseitig (Geld, Schmuck, Kleidung, Mobiliar, Porzellan, Bauplatz, Auto usw.).

Erst wenn der Letzte stirbt, erben unsere Tochter ... (Beteiligte zu 1) und unsere Enkel ... (Beteiligte zu 2 bis 4) zu gleichen Teilen.

Nach der Unterschrift der Ehefrau, die diesen ersten Teil des Testaments auch geschrieben hatte, hat der Erblasser, handschriftlich hinzugesetzt und unterschrieben:

Diese Beinhaltung der obigen Formulierung unseres letzten Willens gilt ab dem 27.03.85 und kann jederzeit in gemeinsamer Absprache geändert werden.

Das Nachlassgericht hat ferner ein eigenhändiges Testament vom 20.4.1999 eröffnet, das von der Beteiligten zu 5 am 25.5.1999 in die besondere amtliche Verwahrung gegeben worden war und nach ihrer Behauptung vom Erblasser geschrieben und unterzeichnet wurde; die Beteiligte zu 1 bezweifelt dies. Dieses Testament lautet:

Mein letzter Wille!

Sollte mir bei der Abwesenheit meiner lieben Lebensgefährtin M. (Beteiligte zu 5) etwas zustoßen, so hat sie das Alleinrecht zunächst mein Haus zu betreten, und ihre Sachen in Ruhe mitzunehmen.

Die Spareinlagen gehören M.

Das Haus und die Inhalte soweit sie ebenfalls M. gehören sind nicht anfechtbar.

Meine Tochter bekommt aus dem Verkauf des Hauses, zu dem M. über den Notar verbindend einen Nachlassverwalter einsetzen möchte, ihr Pflichtteil. Über die Restsumme wird allein M. verfügen und gegebenfalls alle anfallenden Beisetzungskosten usw. bezahlen.

Meine Enkel, die sich mehr als schäbig mir gegenüber benommen haben, bekommen aus diesem Nachlass nichts!

Soweit meine ausdrückliche Erklärung und mein Testament ... (drei nicht lesbare Worte)!

M. möge umgehend mit dem Herrn Notar Verbindung aufnehmen.

Die Beteiligte zu 5 hat einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie den Erblasser allein beerbt habe. Sie hat vorgebracht, das gemeinschaftliche Testament vom 27.3.1985 sei formunwirksam. Die Schlusserbeneinsetzung sei nicht wechselbezüglich. Sie hat ferner in einem an das Nachlassgericht gerichteten Schriftsatz die Anfechtung dieses Testaments erklärt, weil der Erblasser in der Erwartung, das angespannte Verhältnis zu seiner Tochter werde sich bessern, enttäuscht worden sei und weil er, wenn die Schlusserbeneinsetzung doch wechselbezüglich sein sollte, über die Bindungswirkung geirrt hätte; er habe gemeint, sie sei nach dem Tod seiner Ehefrau frei widerruflich.

Die Beteiligte zu 1 hat dagegen einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, wonach der Erblasser von ihr zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2 bis 4 zu je,1/6 beerbt worden sei. Sie hält das Testament vom 20.4.1999 für unwirksam wegen Unvereinbarkeit mit der wechselbezüglichen, den Erblasser bindenden Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament vom 27.3.1985.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 16.12.1999 einen Erbschein gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 angekündigt.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 5 hat das Ländgericht mit Beschluss vom 1.3.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 5 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4, § 20 FGG) hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Erblasser sei an die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.3.1985 zugunsten seiner Tochter und seiner Enkel getroffene Verfügung gebunden gewesen und habe nicht mehr anderweitig wirksam testieren können. Das Testament vom 27.3.1985 sei formgültig errichtet worden. Der Erblasser habe mit seinem Zusatz sein Einverständnis mit den von seiner Ehefrau verfassten letztwilligen Verfügungen zum Ausdruck gebracht. Die in diesem Testament enthaltene Verfügung des Erblassers zugunsten der Tochter und der Enkel sei jedenfalls nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB wechselbezüglich zu der Verfügung der Ehefrau zu seinen Gunsten. Infolge des Todes der Ehefrau und der Annahme der Erbschaft durch den Erblasser sei die Bindungswirkung gemäß § 2271 Abs. 2 BGB eingetreten. Der Erblasser habe daher nicht mehr wirksam anderweitig testieren können. Die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments greife nicht durch. Wegen der angeblich enttäuschten Erwartung des Erblassers hinsichtlich des künftigen Wohlverhaltens der Tochter sei die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes für den Erblasser bereits abgelaufen gewesen, da sich diese Kenntnis bereits aus seinem Brief an die Tochter vom 9.3.1995 ergebe. Für die behauptete irrige Vorstellung des Erblassers, er könne nach dem Tod seiner Ehefrau die in dem gemeinschaftlichen Testament getroffene Schlusserbeneinsetzung frei widerrufen, fänden sich keine Anhaltspunkte. Vielmehr spreche der von dem Erblasser verfasste Satz, wonach eine Abänderung des Testaments nur in gemeinsamer Absprache möglich sein sollte, für den Willen der Eheleute, dass die gemeinschaftlich getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr geändert werden könnten. Auch dem Brief des Erblassers an seine Tochter vom 9.3.1991 lasse sich nicht entnehmen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments der Auffassung gewesen sei, er könne nach dem Gesetz die Erbfolge nach dem Tod seiner Ehefrau jederzeit ändern. Der Brief könne nur als Versuch des Erblassers gedeutet werden, seine Tochter mit der Drohung, das Testament zu ändern, zu künftigem Wohlverhalten zu bewegen. Im übrigen rechtfertige das spätere Aufkommen irriger Vorstellungen nicht die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums, so dass es auf mögliche Fehlvorstellungen des Erblassers bei Abfassung des Schreibens vom 9.3.1991 oder des weiteren Testaments vom 20.4.1999 nicht ankomme. Die Schlusserbeneinsetzung des Erblassers im gemeinschaftlichen Testament vom 27.3.1985 habe daher Bestand.

Die Einsetzung der Tochter und der Enkel "zu gleichen Teilen" legt das Landgericht ebenso aus, wie das Nachlassgericht: Der Umstand, dass den Eheleuten - wie vom Erblasser in seinem späteren Testament vom 20.4.1999 erwähnt - das Pflichtteilsrecht der Tochter bekannt gewesen sei, spreche dafür, dass sie einerseits der Tochter den gesetzlichen Pflichtteil von 1/2, andererseits den Enkeln insgesamt die zweite Hälfte des Nachlasses hätten zuwenden wollen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) stand.

Die Beteiligte zu 5 wendet sich mit der weiteren Beschwerde gegen die Verneinung eines Anfechtungsrechts wegen Irrtums über die Bindung an die Schlusserbeneinsetzung. Weder dieser Gesichtspunkt noch ein sonstiger führt zum Erfolg des Rechtsmittels.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Testament vom 27.3.1985 ein formgültiges gemeinschaftliches Testament (§§ 2247, 2267 BGB) darstellt. Der Wille der Ehegatten, gemeinsam letztwillig über ihren Nachlass zu verfügen (vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 1157; Palandt/Edenhofer BGB 61. Aufl. Einf. v. § 2265 Rn. 2; Staudinger/Kanzleiter BGB 13. Bearb. Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn. 15 ff.) kommt in den gewählten Formulierungen "Unser letzter Wille: wir vererben ... ") und in der äußeren Form einer einheitlichen Urkunde klar zum Ausdruck (vgl. Staudinger/Kanzleiter aaO Rn. 22). In dem Umstand, dass der Erblasser die von seiner Ehefrau geschriebene Erklärung nicht lediglich mitunterzeichnet hat, was nach § 2267 BGB "genügt" hätte, sondern seiner Unterschrift einen (von seiner Ehefrau nicht mitunterzeichneten) Zusatz hinzufügte, liegt kein Formmangel. Fügt der mitunterzeichnende Ehegatte seiner - nach § 2267 BGB genügenden - Unterschrift eine Erklärung bei, so ist dies jedenfalls unschädlich, soweit in ihr das Einverständnis mit dem Inhalt der gemeinschaftlichen Erklärung zum Ausdruck gebracht wird (BayObLG NJW-RR 1993, 1157/1158; Staudinger/Kanzleiter Rn. 16; MünchKomm/Musielak BGB 3. Aufl. Rn. 12 jeweils zu § 2267). Der Zusatz des Erblassers geht allerdings darüber hinaus, soweit er zum Ausdruck bringt, dass der gemeinschaftliche letzte Wille "jederzeit in gemeinsamer Absprache geändert werden" könne. Dies widerspricht aber nicht der Erklärung, den Inhalt der von der Ehefrau formulierten gemeinschaftlichen Verfügungen gelten lassen zu wollen, da die Möglichkeit, das gemeinschaftliche Testament durch eine gemeinsame Handlung beider Ehegatten - z.B. ein neues gemeinschaftliches Testament - insgesamt zu widerrufen oder auch hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen zu ändern, ohnehin besteht (§ 2258 Abs. 1 BGB; MünchKomm/Musielak Rn. 3 und 5; Staudinger/Kanzleiter Rn. 2 und 7 jeweils zu § 2271). Stellt aber diese weitere Erklärung des Erblassers sein Einverständnis mit den beiderseitigen Verfügungen nicht in Frage, so kann sie der Formgültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments nach § 2267 BGB nicht entgegenstehen (vgl. Staudinger/Kanzleiter § 2267 Rn. 16).

b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnen ferner die Annahmen des Landgerichts, dass das Testament in seinem zweiten Satz "Erst wenn der Letzte stirbt, erben unsere Tochter ... und unsere Enkel... zu gleichen Teilen") eine Schlusserbeneinsetzung der Tochter und der Enkel durch jeden Ehegatten enthält (§ 2269 Abs. 1 BGB) und dass der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau an diese seine Verfügung gemäß § 2271 Abs. 2 BGB gebunden war, weil sie zu seiner Einsetzung als Alleinerbe durch seine vorverstorbene Ehefrau wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB war. Das Landgericht konnte sich dabei auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB stützen (vgl. Staudinger/Kanzleiter § 2270 Rn. 26, 28 und 31), weil es rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass jedenfalls keine Anhaltspunkte für einen dieser Regel entgegenstehenden Willen der Eheleute gegeben sind (vgl. RGRK/Johannsen BGB 12. Aufl. § 2270 Rn. 13). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB muss von Wechselbezüglichkeit und einer entsprechenden Bindung ausgegangen werden, es sei denn, es liegen Umstände vor, die sicher auf einen gegenteiligen Willen schließen lassen (Pfeiffer FamRZ 1993, 1266/1272). Nach dem der Vorschrift des § 2270 Abs. 2 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken ist nämlich typischerweise davon auszugehen, dass die vorverstorbene Ehefrau ihren Mann zum Alleinerben eingesetzt - und damit ihre Tochter enterbt - hat, weil sie darauf vertraute, dass die diese Enterbung ausgleichende Schlusserbeneinsetzung Bestand haben werde (vgl. Pfeiffer aaO S. 1267; Buchholz Rpfleger 1990, 45/49).

c) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Erblasser infolge der Bindung gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB seine wechselbezügliche Schlusserbeinsetzung der Beteiligten zu 1 bis 4 grundsätzlich nicht mehr aufheben oder ändern konnte. Die Annahme, dass das Testament vom 20.4.1999 unwirksam ist, weil es dieser Schlusserbeinsetzung widerspricht und die Rechte der Beteiligten zu 1 bis 4 beeinträchtigt (vgl. Staudinger/Kanzleiter § 2271 Rn. 33), trifft im Ergebnis zu. Das Landgericht hat es allerdings unterlassen, Feststellungen zum Inhalt des Testaments vom 20.4.1999 zu treffen. Erst der Vergleich der in diesem Testament getroffenen Verfügungen mit der Schlusserbeinsetzung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt, ob ein Widerspruch vorliegt. Der Senat kann die Auslegung des Testaments vom 20.4.1999 jedoch nachholen, da hierfür weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind. Mit diesem Testament werden allein der Beteiligten zu 5 die Aufgaben und Rechte eines Erben zugewiesen. Die Beteiligte zu 1 soll danach nur den Pflichtteil bekommen (vgl. § 2304 BGB), die Beteiligten zu 2 bis 4 nichts. Die danach anzunehmende Einsetzung der Beteiligten zu 5 als Alleinerbin steht in Widerspruch zu der Schlusserbeinsetzung des gemeinschaftlichen Testaments und ist daher nach §§ 2270, 2271 BGB unwirksam.

d) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Anfechtung der Schlusserbeinsetzung des Erblassers durch die Beteiligte zu 5 nicht durchgreift.

aa) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten Personen, denen die Aufhebung einzelner in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltener Verfügungen unmittelbar zustatten kommen würde, diese Verfügungen nach §§ 2078 ff. BGB anfechten können (Staudinger/ Kanzleiter Rn. 82; Palandt/Edenhofer Rn. 33 jeweils zu § 2271).

bb) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beteiligte zu 5 anfechtungsberechtigt ist; denn ihr käme die Beseitigung der angefochtenen Schlusserbeneinsetzung (§ 142 Abs. 1 BGB) unmittelbar zustatten (§ 2080 Abs. 1 BGB), weil diese den Widerspruch der Erbeinsetzung im Testament vom 20.4.1999 zu der wechselbezüglichen Schlusserbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament beseitigen, also zur Wirksamkeit des letzten Testaments führen würde, aufgrund dessen die Beteiligte zu 5 die Stellung einer Alleinerbin hätte (Staudinger/Otte § 2080 Rn. 6). Ferner hat es zutreffend angenommen, dass die Anfechtung in der erforderlichen Form des § 2081 Abs. 1 BGB - gegenüber dem Nachlassgericht - erklärt wurde.

cc) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anfechtung letztwilliger Verfügungen auch dann möglich ist, wenn sie wechselbezüglich sind (BayObLG NJW-RR 1989, 1090), dass aber das Recht dritter Personen zur Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen des zuletzt verstorbenen Ehegatten beschränkt ist durch die entsprechend anwendbare Vorschrift des § 2285 BGB: Wenn der zuletzt verstorbene Ehegatte bei seinem Tod das Recht zur Selbstanfechtung eigener wechselbezüglicher Verfügungen durch Fristablauf (§ 2283 BGB) verloren hatte, so können auch Dritte diese Verfügungen nicht mehr anfechten (BayObLG aaO; NJW-RR 1992, 1223/1224; Staudinger/Kanzleiter § 2271 Rn. 82).

dd) Das Landgericht hat festgestellt, dass für den Erblasser die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis von dem Anfechtungsgrund (§ 2283 BGB) bereits abgelaufen war, soweit die Anfechtung mit seiner angeblich enttäuschten Erwartung hinsichtlich des künftigen Wohlverhaltens seiner Tochter begründet wird. Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen wird, hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Beteiligte zu 5 die Schlusserbeinsetzung aus diesem Grunde entsprechend § 2285 BGB nicht mehr anfechten kann.

ee) Die Rechtsbeschwerde wendet sich jedoch gegen die Annahme des Landgerichts, auch die Anfechtung wegen eines Inhaltsirrtums - der irrigen Vorstellung des Erblassers, seine wechselbezüglichen Verfügungen nach dem Tod der Ehefrau frei widerrufen zu können - sei nicht begründet. Auch insoweit hält die Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

(1) Das Landgericht ist ohne Begründung davon ausgegangen, dass die irrige Vorstellung eines Erblassers, er könne nach dem Tod des Ehegatten die in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen frei widerrufen, einen zur Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments nach § 2078 Abs. 1 BGB berechtigenden Inhaltsirrtum darstellen würde. Es hat damit, dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Rechtsgutachten folgend, eine bisher in der Rechtsprechung nur für den Erbvertrag vertretene Meinung auf das gemeinschaftliche Testament übertragen. Die Rechtsprechung nimmt - unter Billigung der Rechtslehre - an, dass ein Erbvertrag wegen Inhaltsirrtums nach § 2078 Abs. 1, § 2281 BGB angefochten werden könne, wenn sich der Erblasser bei Abschluss des Erbvertrages über dessen rechtliche Tragweite, insbesondere über die eintretende Bindungswirkung nicht im klaren gewesen sei (OLG Hamm OLGZ 1966, 497/498; Rpfleger 1978, 179/180; BayObLG NJW-RR 1997, 1027/1028; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 194/195; Staudinger/Otte Rn. 10; MünchKomm/Leipold Rn. 18; Soergel/Loritz BGB 12. Aufl. Rn. 12; RGRK/Johannsen Rn. 26; Erman/M. Schmidt BGB 10. Aufl. Rn. 5; Palandt/Edenhofer Rn. 3 jeweils zu § 2078). In der Rechtslehre wird vertreten, dass auch das gemeinschaftliche Testament nach § 2078 Abs. 1 BGB angefochten werden könne, wenn der Erblasser die irrige Vorstellung hatte, er könne auch wechselbezügliche Verfügungen nach dem Tod seines Ehegatten frei widerrufen (AK-BGB/Finger § 2078 Rn. 12; Pfeiffer FamRZ 1993, 1266/ 1271).

Die Gleichbehandlung dieser beiden Fälle ist aber im Hinblick auf die Unterschiede der beiden Rechtsinstitute nicht selbstverständlich. Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag haben zwar gemeinsam, dass sie beide die Zusammenfassung der Verfügungen von Todes wegen mehrerer Personen ermöglichen und bei bestimmten Verfügungen - bei wechselbezüglichen Verfügungen im Fall des gemeinschaftlichen Testaments, bei vertragsmäßigen Verfügungen im Falle des Erbvertrags - eine gewisse Bindung des Erblassers bewirken (§§ 2270, 2271 Abs. 2; §§ 2278, 2289 Abs. 1 Satz 2, § 2298 BGB; Staudinger/Kanzleiter Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn. 25). Die Rechtsinstitute unterscheiden sich aber insofern, als die durch den Erbvertrag erzeugte Bindung des Erblassers an vertragsmäßige Verfügungen eine echte vertragliche Bindung ist, die unmittelbar aus der Vertragsnatur des Erbvertrages folgt (Staudinger/Kanzleiter aaO Rn. 26; Soergel/Wolf Vor § 2274-Rn. 5 und 6; Gerken BWNotZ 1992, 93). Diese vertragliche Bindung ist in ihrem Wesen verschieden von der Bindung an wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, die das Gesetz - in beschränktem Umfang - herbeiführt (Staudinger/Kanzleiter aaO). Auch wenn Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament in der Wir-Form testieren, erhalten ihre wechselbezüglichen Verfügungen dadurch nicht den Charakter eines Vertrages. Die Wechselbezüglichkeit ist nicht Erklärungsinhalt (KG NJW 1972, 2133/2134). Die Wechselbezüglichkeit knüpft nur an die Tatsache an, dass die eine Verfügung ohne die - rein tatsächliche - Errichtung der gegenläufigen Verfügung nicht getroffen worden wäre (Staudinger/Kanzleiter § 2270 Rn. 4). Der Zusammenhang der beiderseitigen Verfügungen, der nach § 2270 BGB die Wechselbezüglichkeit begründet, beruht nicht auf übereinstimmenden Willenserklärungen, sondern ist streng genommen eine Tatsache; zu ihrer Verwirklichung bedarf es zwar auch des Willens der Beteiligten, aber nicht eines rechtsgeschäftlichen, sondern eines nur tatsächlichen Willens (Staudinger/Kanzleiter aaO Rn. 6). Die an diese Tatsache geknüpfte Wirkung einer eigentümlichen erbrechtlichen Bindung beruht auf der gesetzlichen Regelung des § 2271 BGB. Auch inhaltlich unterscheidet sich die Bindungswirkung des § 2271 BGB von der durch einen Erbvertrag herbeigeführten Bindung: Beim gemeinschaftlichen Testament kann jeder Ehegatte seine Verfügungen, auch die wechselbezüglichen, zu Lebzeiten des anderen Ehegatten grundsätzlich einseitig widerrufen, wenn auch nur in einer Form, die sicherstellt, dass der andere Ehegatte vom Widerruf erfährt; § 2271 Abs. 2 BGB schränkt die Widerrufsmöglichkeit erst nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten für den Überlebenden ein, während beim Erbvertrag jeder Ehegatte grundsätzlich schon zu Lebzeiten des anderen Ehegatten gebunden ist (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB; Staudinger/Kanzleiter § 2271 Rn. 1; Soergel/Wolf Vor § 2274 Rn. 6).

Andererseits besteht zwischen den Rechtswirkungen des gemeinschaftlichen Testaments und dem Tatbestand, auf den sich der (tatsächliche) Wille der Testierenden bezieht - die Gemeinschaftlichkeit des Testierens - ein enger Zusammenhang, da die Ehegatten in der Regel bewusst die Rechtswirkungen eines gemeinschaftlichen Testaments herbeiführen wollen, auch wenn sie ihnen nicht in allen Einzelheiten bekannt sind. Dem Senat erscheint gleichwohl zweifelhaft, ob deswegen die entsprechende Anwendung der Regeln über die Anfechtung von Willenserklärungen gerechtfertigt ist (so Staudinger/Kanzleiter Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn. 21) - wenn auch möglicherweise mit einer gegenüber der Rechtslage beim Erbvertrag unterschiedlichen Abgrenzung der Fälle des Inhaltsirrtums (§ 2078 Abs. 1 BGB) von denen des Motivirrtums (§ 2078 Abs. 2 BGB), da sich der tatsächliche Wille nur auf das gemeinschaftliche Testieren als solches, nicht aber die dadurch eintretende Bindung bezieht (vgl. Staudinger/Kanzleiter aaO Rn. 18 und 21). Im vorliegenden Fall kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, da nach den Feststellungen des Landgerichts die tatsächliche Voraussetzung eines solchen Anfechtungsrechtes - das Vorliegen eines Irrtums über das Erlöschen des Widerrufsrechts nach dem Tod des Erstversterbenden - nicht vorliegt.

(2) Die Frage, ob der von der Beteiligten zu 5 behauptete Irrtum vorlag, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Tatsachen können nur auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. BayObLG NJW-RR, 1997, 1027/1029), nämlich darauf, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt genügend erforscht und alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (st. Rspr., z.B. BayObLGZ 1999, 1/4).

(3) Wer sich auf die Wirksamkeit der Anfechtung beruft, trägt auch im Erbscheinsverfahren die - materielle - Beweislast für das Vorliegen des Willensmangels und dessen Erheblichkeit (Staudinger/Otte Rn. 43; MünchKomm/Leipold Rn. 49; Soergel/ Loritz Rn. 32; Palandt/Edenhofer Rn. 11 jeweils zu § 2018). An den Nachweis eines Irrtums über die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments müssten strenge Anforderungen gestellt werden (AK-BGB/Finger § 2078 Rn. 12), da Ehegatten, die sich zum gemeinschaftlichen Testieren entschließen, regelmäßig bekannt ist, dass durch die Gemeinschaftlichkeit des Testierens eine gewisse Abhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen und eine Bindung an die eigenen Verfügungen eintreten kann (vgl. Staudinger/Kanzleiter Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn. 18).

Es kommt also nicht darauf an, ob die Behauptung, der Erblasser habe sich bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments über die nach dem Tod seiner Ehefrau eintretende Bindungswirkung geirrt, widerlegt werden kann; es kommt vielmehr darauf an, ob hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Irrtums gefunden werden können.

(4) Es ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die für den behaupteten Rechtsirrtum angeführten Indizien als nicht ausreichend beurteilt hat.

(4.1) Das Landgericht hat aus der Zusatzerklärung des Erblassers, das gemeinschaftliche Testament könne "jederzeit in gemeinsamer Absprache geändert werden", den Schluss gezogen, dass dieser die Vorstellung gehabt haben müsse, dass es nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr geändert werden könne, weil dann eben eine Änderung "in gemeinsamer Absprache" nicht mehr möglich sei. Ob dieser Schluss zwingend ist, ist nicht entscheidend. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Erklärung kein hinreichender Anhaltspunkt für den umgekehrten Schluss, der Erblasser müsse das gemeinschaftliche Testament für nach dem Tod seiner Ehefrau frei widerruflich gehalten haben.

(4.2) Auch den Satz in dem Brief vom 9.3.1991: "Ich darf Dir aber vorweg schon sagen, dass dieser Schritt nicht nur völlig daneben geht, sondern auch die Erbfolge Deinerseits nach dem mir zustehenden Gesetz sehr negativ für Dich in der Auswirkung stehen würde", hat das Landgericht zu Recht nicht als ausreichendes Indiz dafür gewertet, dass der Erblasser bereits bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments geglaubt haben müsse, er könne es nach dem Tod seiner Ehefrau jederzeit ändern. Das Landgericht hat diesen Satz als Versuch verstanden, die Tochter mit der Drohung, das Testament zu ändern, zu künftigem Wohlverhalten zu bewegen. Auch wenn diese Drohung ernst gemeint war, rechtfertigt sie nicht den Schluss auf eine - schon bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vorhandene - Vorstellung, das Testament nach dem Tod der Ehefrau frei ändern zu können.

(4.3) Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Erblasser schließlich abweichend von dem gemeinschaftlichen Testament testiert hat. Auch hieraus lassen sich sichere Schlussfolgerungen auf die Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht ziehen.

(4.4) Die Beteiligte zu 5 hat mit Schriftsätzen vom 12.6. und 4.7.2001 - also erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren - Zeugen für Äußerungen des Erblassers benannt, dass er nach dem Tod seiner Ehefrau frei verfügen könne und beabsichtige, die Beteiligte zu 5 als Alleinerbin einzusetzen und die Tochter auf den Pflichtteil zu beschränken. Dieses Vorbringen kann keine Berücksichtigung finden. Grundlage der Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde ist der Sachverhalt, wie er sich bei Erlass der Beschwerdeentscheidung darstellt. Daher können neue Tatsachen und Beweismittel, die sich auf die Sache selbst beziehen, in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden (BayObLG NJW 1990, 775/776; Keidel/Kahl 5 27 Rn. 43).

ff) Die Auslegung der Anordnung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.3.1985, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die Tochter und die Enkel "zu gleichen Teilen" erben, dahingehend, dass die Tochter zu 1/2 und die Enkel zu je 1/6 Erben sein sollen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

3. Dass die Beteiligte zu 5 die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung; hierzu bedarf es keiner Entscheidung. Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG war anzuordnen, dass die Beteiligte zu 5 den Beteiligten zu 1 bis 4 die diesen in der Rechtsbeschwerdeinstanz entstandenen Kosten zu erstatten hat.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird gemäß §§ 30, 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2 KostO auf 60077 EUR (117.500 DM) festgesetzt. Das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin entspricht, wie auch das Landgericht angenommen hat, dem Wert der mit dem Pflichtteilsanspruch der Tochter belasteten Erbschaft. Der Aktivnachlasswert beträgt aber gemäß dem Nachlassverzeichnis der Nachlasspflegerin vom 27.3.2002 abgerundet 250000 DM, nach Kürzung um die Bestattungskosten (vgl. Palandt/Edenhofer § 2311 Rn. 3) rund 235000 DM. Abzüglich des Pflichtteils, der mit der Hälfte dieses Wertes anzusetzen ist, verbleiben 117500 DM (60077 EUR).

Da der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren mit dem Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde übereinstimmt, wird die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren in Nr. III des Beschlusses vom 1.3.2001 entsprechend abgeändert (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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