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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 29/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2100
BGB § 2104 Satz 1
BGB § 2306
Zur Frage, wie ein Testament auszulegen ist, wenn die gesetzliche Erbfolge zu Lebzeiten der als Alleinerbin eingesetzen Ehefrau ausgeschlossen ist und die Ehefrau bezüglich des an den einzigen Sohn "zu gehenden Pflichtteils" befreite Vorerbin sein soll.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Rojahn und Kenklies

am 9. August 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. Februar 2001 und des Amtsgerichts Nürnberg vom 10. Mai 2000 aufgehoben.

II. Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbschein vom 26.3.1971 einzuziehen sowie entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1 vom 10.6.1999 einen Erbschein zu erteilen, in dem bezeugt wird, dass der Beteiligte zu 1 seit dem 14.2.1998 den Erblasser allein beerbt hat.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 289000 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der im Alter von 70 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet. Seine zweite Ehefrau ist 1998 nachverstorben. Aus erster Ehe stammt der Beteiligte zu 1. Der Beteiligte zu 2 ist der Sohn der zweiten Ehefrau aus deren erster Ehe und ihr Erbe.

Der Erblasser hinterließ folgendes privatschriftliche Testament:

Mein letzter Wille.

Für den Fall meines Todes bestimme ich folgendes:

Solange meine Ehefrau lebt, soll die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen sein.

Meine Alleinerbin ist in diesem Falle meine Ehefrau Sie ist befugt, über meine Hinterlassenschaft zu bestimmen. Soweit es sich um den an meinen Sohn... (Beteiligter zu 1) zu gehenden Pflichtteil handelt, soll sie die Stellung eines befreiten Vorerben haben.

Mein Vermögen besteht zur Zeit im wesentlichen aus ...

am 3.4.1966

Unterschrift

Am 17.1.1969 verfasste der Erblasser ein privatschriftliches Zusatztestament, das wie folgt lautet:

Zusatz zu meinem Testament vom 3.4.1966:

Für den Fall, dass meine Ehefrau vor mir verstirbt und ich lt. ihrem Testament vom 3.4.1966 in den Genuss ihres gesamten Vermögens - ausschließlich der Bestimmung über das Anwesen - komme, bestimme ich hiermit, dass im Falle meines Todes das mir von meiner Ehefrau hinterlassene Vermögen meinem Stiefsohn... (Beteiligter zu 2), dem leiblichen Sohn meiner Ehefrau, allein zufällt.

Meinem Sohn... (Beteiligter zu 1) steht aus diesem Teil der Erbmasse kein Anspruch zu.

17.1.1969

Unterschrift

Nach dem Tod des Erblassers im Oktober 1969 hat die Witwe beim Nachlassgericht beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ohne Nacherbenvermerk ausweise. Mit Beschluss vom 24.4.1970 hat das Nachlassgericht diesen Antrag abgelehnt; es hat die Auffassung vertreten, dass der Erblasser Nacherbfolge angeordnet habe. Gegen diese Entscheidung hat die Witwe Beschwerde eingelegt, der der anwaltschaftlich vertretene Beteiligte zu 1 entgegengetreten ist. Mit Beschluss vom 3.2.1971 hat das Landgericht den Beschluss des Nachlassgerichtes aufgehoben und es angewiesen, der Witwe einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass sie aufgrund des Testaments des Erblassers vom 3.4.1966 dessen unbeschränkte Alleinerbin geworden ist. Am 26.3.1971 hat das Nachlassgericht den entsprechenden Erbschein erteilt. Am 14.2.1998 verstarb die Witwe, die vom Beteiligten zu 2 allein beerbt worden ist.

Mit am 26.5.1999 eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten hat der Beteiligte zu 1 gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 3.2.1971 weitere Beschwerde eingelegt, mit der er die Wiederherstellung der nachlassgerichtlichen Entscheidung vom 24.4.1970 und die Einziehung des Erbscheins vom 26.3.1971 angestrebt hat. Mit Beschluss des Senats vom 18.1.2000 (1Z BR 114/99; FamRZ 2000, 1231 f.) hat der Senat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.

Am 10.6.1999 hat der Beteiligte zu 1 beim Nachlassgericht beantragt, ihm einen Erbschein als Alleinerbe des Erblassers zu erteilen, da dieser ihn in den Testamenten vom 3.4.1966 und 17.1.1969 als Nacherben eingesetzt habe und mit dem Tod seiner Witwe der Nacherbfall eingetreten sei. Mit Beschluss vom 10.5.2000 hat das Nachlassgericht diesen Erbscheinsantrag sowie die Einziehung des der Witwe erteilten Erbscheins vom 26.3.1971 abgelehnt. Die Auslegung des Testaments vom 3.4.1966 ergebe - wie schon der Erbscheinserteilung vom 26.3.1971 zugrundegelegt -, dass der Beteiligte zu 1 nicht als Nacherbe eingesetzt worden sei, und die Anordnung der befreiten Vorerbschaft bezüglich des an den Beteiligten zu 1 zu zahlenden Pflichtteils bedeute, dass dieser nur pflichtteilsberechtigt sein solle und den Pflichtteil erst nach dem Tod der Alleinerbin erhalten solle.

Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 1.2.2001 zurückgewiesen hat. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt, der der Beteiligte zu 2 entgegengetreten ist.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen sowie zur Anweisung an das Nachlassgericht, den Erbschein vom 26.3.1971 als unrichtig einzuziehen und den vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein zu erteilen.

1. Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1995, 120/123 m.w.N.) zu Recht bejaht. Der Beteiligte zu 1 wendet sich sowohl gegen die Ablehnung der Erbscheinseinziehung als auch gegen die Ablehnung der Erteilung des von ihm beantragten Erbscheins. Er macht geltend, nach dem Tod der Ehefrau des Erblassers am 14.2.1998 Nacherbe geworden zu sein; er war daher befugt, gegen die Ablehnung der Einziehung des Erbscheins vom 26.3.1971 Beschwerde einzulegen (§ 20 Abs. 1 FGG; vgl. BayObLGZ 1996, 69/72; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2363 Rn. 9). Es geht nicht mehr um die vom Beteiligten zu 1 im vorausgehenden Verfahren 1Z BR 114/99 zur Entscheidung gestellte Frage, ob in dem der Erblasserwitwe zu erteilenden Erbschein ein Nacherbenvermerk aufzunehmen ist oder nicht, sondern darum, ob der Erbschein vom 26.3.1971 der nach dem Tod der Witwe des Erblassers eingetretenen Rechtslage entspricht. Da das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen hat, sind auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 FGG gegeben.

2. Das Landgericht teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, nach der das Testament des Erblassers vom 3.4.1966 weder für sich allein noch in Verbindung mit dem Zusatztestament vom 17.1.1969 eine Nacherbeneinsetzung des Beteiligten zu 1 enthalte. Die Formulierung des Erblassers, die gesetzliche Erbfolge solle ausgeschlossen sein, "solange" seine Ehefrau lebe, sei nicht dahin auszulegen, dass deren Alleinerbschaft durch eine Nacherbschaft zugunsten des Beteiligten zu 1 beschränkt sei. Vielmehr sei die Formulierung im Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz "für den Fall meines Todes" zu lesen. Träte der Fall des Todes des Erblassers ein, solange die Ehefrau noch lebt, dann sei die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen und die Ehefrau ohne Einschränkung zur Alleinerbin bestimmt. Dies werde noch durch den Folgesatz "Sie ist befugt, über meine Hinterlassenschaft zu bestimmen", unterstrichen. Mit dem Satz "Soweit es sich um den an meinen Sohn... zu gehenden Pflichtteil handelt, soll sie die Stellung eines befreiten Vorerben haben", habe der Erblasser lediglich den von ihm als bestehend vorausgesetzten Pflichtteilsanspruch des Beteiligten zu 1 beschränken wollen, ohne eine Nacherbschaft anzuordnen. Das Zusatztestament vom 17.1.1969 habe allein dem Interesse des Beteiligten zu 2 gedient. Für diese Auslegung des Testaments seien die Äußerungen des verstorbenen Rechtsanwalts G. über Gespräche mit dem Erblasser mit heranzuziehen. Danach habe der Erblasser seine Ehefrau vor einem Pflichtteilsanspruch des Beteiligten zu 1 schützen wollen.

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Die im Erbschein vom 26.3.1971 ausgewiesene Erbfolge beruht auf dem formwirksamen (§ 2247 Abs. 1 BGB) Testament des Erblassers vom 3.4.1966. Gemäß § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Erbschein als unrichtig einzuziehen, wenn unabhängig von der seit der Erteilung verstrichenen Zeit die Auslegung der letztwilligen Verfügung bei erneuter Überprüfung die im Erbschein ausgewiesene Erbenstellung nicht bzw. nicht mehr ergibt (vgl. BayObLGZ 1997, 59/63 m.w.N.). Dabei kann auch von Bedeutung sein, dass die dem Erbschein zugrunde gelegte Testamentsauslegung von den Beteiligten lange Zeit nicht in Frage gestellt worden ist; dieser Umstand kann aber dann nicht ausschlaggebend sein, wenn wesentliche für die Auslegung bedeutsame Erkenntnisse schon früher unberücksichtigt geblieben oder neu hinzugekommen sind und einen anderen Erblasserwillen erkennen lassen (vgl. BayObLG aaO S. 69).

b) Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand - z.B. ein Teil des Testamentswortlauts - übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG NJWE-FER 2001, 125; MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 2084 Rn. 84).

c) Gemessen an diesen Kriterien kann der Senat das Auslegungsergebnis des Landgerichts auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs seit der Erteilung des Erbscheins vom 26.3.1971 nicht bestätigen. Die Auslegung der Vorinstanzen ist nicht frei von Rechtsfehlern.

aa) Der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts berücksichtigt nicht, dass Nacherbfolge schon dadurch angeordnet werden kann, dass ein Erbe nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis eingesetzt wird (§ 2104 Satz 1 BGB). Der Erblasser braucht die Person des Nacherben nicht ausdrücklich zu benennen. In diesem Fall ist anzunehmen, dass als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben sein würden, wenn er bei Fristende oder Ereigniseintritt gestorben wäre. Das Nachlassgericht und ihm folgend das Landgericht haben ihre Auffassung damit begründet, der Erblasser habe an keiner Stelle des Testaments zu erkennen gegeben, dass nach dem Tod der Ehefrau der gesamte Nachlass auf den Sohn übergehen solle. Wie die gesetzliche Ergänzungsregel des § 2104 Satz 1 BGB zeigt, ist die ausdrückliche Einsetzung des Nacherben nicht erforderlich.

bb) Die Vorinstanzen haben die Anordnung der Nacherbschaft unter anderem verneint, weil der Erblasser der Ehefrau mit dem Satz "Sie ist befugt, über meine Hinterlassenschaft zu bestimmen" die Stellung einer unbeschränkten Alleinerbin eingeräumt habe. Sie haben dabei nicht erkannt, dass dieser Satz - bei Annahme, Nacherbschaft sei angeordnet - die Befreiung von den Beschränkungen des Vorerben im Sinne des § 2136 BGB ausdrücken würde. Im übrigen besagt die Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin noch nichts darüber, ob sie nach dem Willen des Erblassers Vollerbin oder Vorerbin (§ 2100 BGB) sein soll (vgl. BayObLGZ 1997, 59/69).

cc) Das Landgericht hat die Äußerungen des verstorbenen Rechtsanwalts G. als verlässlich bewertet und für seine Auffassung herangezogen, der Erblasser habe in seinem Testament vom 3.4.1966 keine Nacherbschaft anordnen und den Beteiligten zu 1 lediglich auf den Pflichtteil setzen wollen. Diese Wertung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Das Landgericht setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass Rechtsanwalt G. im Jahr 1969 als Berater des Erblassers nach einem Gespräch über den Inhalt der von ihm mit letztwilligen Verfügungen vom 3.4.1966 und 17.1.1969 gewollten Regelungen einen Testamentsentwurf angefertigt hat, der dem Erblasser allerdings nicht mehr vorgelegt werden konnte und ausdrücklich die Erbeinsetzung der Ehefrau als Vorerbin und die des Beteiligten zu 1 als Nacherben vorgesehen hat. Im übrigen geht das Landgericht im einzelnen nicht darauf ein, dass Rechtsanwalt G. seine weiteren Ausführungen als Verfahrensbevollmächtigter der Ehefrau im Erbscheinsverfahren gemacht hat, in dem diese unter Widerspruch des Beteiligten zu 1 einen Erbschein angestrebt hat, der ihre alleinige Vollerb-Schaft ausweise. Es hätte näherer Begründung bedurft, warum das Landgericht gerade diese Ausführungen des Rechtsanwalts G. als verlässliche Grundlage für die Auslegung des Erblasserwillens angesehen hat, nicht aber den vorgenannten Testamentsentwurf.

d) Die getroffene Entscheidung kann daher nicht bestehen bleiben. Sie ist aufzuheben. Auch die Entscheidung des Nachlassgerichts ist aufzuheben, da sie im wesentlichen auf den gleichen Rechtsfehlern beruht. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Auslegung des Testaments selbst vornehmen, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind.

4. Der Senat legt das Testament vom 3.4.1966 dahin aus, dass der Erblasser seine Ehefrau als befreite Vorerbin (§ 2136 BGB) und den Beteiligten zu 1 als Nacherben (§ 2100 BGB) eingesetzt sowie als Nacherbfall (§ 2106 Abs. 1 BGB) den Tod der Ehefrau bestimmt hat.

a) Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut der letztwilligen Verfügung. Die Begriffe Vor- und Nacherbe mussten darin nicht gebraucht werden (vgl. Palandt/Edenhofer § 2100 Rn. 1). Entscheidend ist, dass der Erblasser einen zweimaligen Anfall der Erbschaft gewollt hat (vgl. Staudinger/Behrens/ Avenarius § 2100 Rn. 14). Ein dahingehender Wille ergibt sich dem inneren Zusammenhang der von ihm getroffenen Verfügungen. Nach dem Wortsinn der Anordnung "Solange meine Ehefrau... lebt, soll die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen sein" ist der Beteiligte zu 1 als einziger Abkömmling auf die Lebenszeit der Ehefrau, nicht aber auf Dauer enterbt. Die Anordnung wird ergänzt durch den Folgesatz, dass "in diesem Fall" die Ehefrau Alleinerbin ist. Das bedeutet, dass der Erblasser der Erbeinsetzung der Ehefrau eine besondere Fallgestaltung zugrunde gelegt hat, nämlich die Ehefrau soll - unter Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge - Erbin werden, solange sie lebt. Damit hat er die Dauer der Erbeinsetzung der Ehefrau durch einen Endtermin, den Tod der Ehefrau, begrenzt und zum Ausdruck gebracht, dass sein Nachlass nach Ablauf dieser Zeitspanne noch einmal anfallen soll. Dieser aus dem Wortsinn abgeleiteten Schlussfolgerung auf den Erblasserwillen steht nicht entgegen, dass der Erblasser den Nacherben nicht ausdrücklich bestimmt hat (§ 2104 Satz 1 BGB).

b) Ein zusätzliches Indiz, dass der Erblasser tatsächlich den zweimaligen Anfall seines Nachlasses gewollt hat, sieht der Senat darin, dass sich der Erblasser veranlasst gesehen hat, im Testament vom 3.4.1966 den derzeitigen Bestand seines Vermögens ("Mein Vermögen besteht zur Zeit im wesentlichen aus ...") aufzulisten, eine Maßnahme, die darauf hinweist, dass der Erblasser nicht vom endgültigen Verbleib des Nachlasses beim zunächst eingesetzten Erben ausgegangen ist.

c) Für dieses Auslegungsergebnis spricht ferner das Zusatztestament vom 17.1.1969. Dieses ergibt, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1 als einzigen gesetzlichen Erben im Testament vom 3.4.1966 nicht grundsätzlich von seiner Erbfolge ausschließen wollte, sondern ihn im Gegenteil - ohne gewillkürte Erbeinsetzung - als seinen berufenen Erben angesehen hat. Er hat darin nur über das ihm von seiner Ehefrau etwa überlassene Vermögen zugunsten des Beteiligten zu 2 verfügt und angeordnet, dass dem Beteiligten zu 1 "aus diesem Teil der Erbmasse" kein Anspruch zustehe. Dadurch lässt er erkennen, dass er bezüglich seines eigenen, nicht von der Ehefrau erworbenen Vermögens von der gesetzlichen Erfolge - des Beteiligten zu 1 ausgegangen ist.

Es liegt auch außerhalb des Testaments kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1 nicht nur vorübergehend zugunsten seiner Ehefrau zurücksetzen, sondern gänzlich von der Erbfolge ausschließen wollte.

d) Die vom Senat vorgenommene Auslegung deckt sich auch mit dem kurz vor dem Tod des Erblassers erstellten Testamentsentwurf des Rechtsanwalts G. Dieser hat als Rechtsberater des Erblassers für diesen aufgrund einer Besprechung vom Frühjahr 1969 einen Testamentsentwurf gefertigt, in dem es u.a. heißt:

Ich erwarte, dass mein Sohn... von seinem Pflichtteilsrecht meiner Ehefrau gegenüber keinen Gebrauch macht. Für diesen Fall setze ich meinen Sohn hinsichtlicht meines Nachlasses als Nacherben ein, wobei meine Frau von dem dem Vorerben auferlegten Beschränkungen, soweit gesetzlich möglich, befreit sein soll. Falls mein Sohn sein Pflichtteilsrecht beansprucht, entfällt die Nacherbschaft. Meine Frau wird dann Vollerbin.

In seinem Schriftsatz vom 15.7.1970 erklärte Rechtsanwalt G. hierzu, "dass der Entwurf das zusammenfasste, was der Erblasser nach der Besprechung mit mir erklären wollte, und was er meinte, mit seinem früheren, jetzt dem Gericht vorliegenden Testament zum Ausdruck gebracht zu haben". Genau dem trägt die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung Rechnung (vgl. zum Verhältnis Pflichtteil und Nacherbschaft § 2306 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2; § 2142 Abs. 2 BGB).

Demgegenüber hält der Senat die teilweise sich widersprechenden Ausführungen des Rechtsanwalts G., die er als Verfahrensbevollmächtigter der Ehefrau im Erbscheinsverfahren gemacht hat, für keine verlässliche Auslegungsgrundlage; eine weitere Aufklärung ist insoweit nicht möglich, da Rechtsanwalt G. verstorben ist.

e) Die Klausel "Soweit es sich um den an meinen Sohn... zu gehenden Pflichtteil handelt, soll sie die Stellung eines befreiten Vorerben haben" steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allein aus der Verwendung des Wortes "Pflichtteil" kann nicht geschlossen werden, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1 endgültig enterben wollte. Die isolierte Betrachtung würde den Zusammenhang mit der Befristung der Erbeinsetzung der Ehefrau außer acht lassen und nicht berücksichtigen, dass der Erblasser den "Pflichtteil" in bezug zu befreiter Vorerbschaft gesetzt hat. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klausel als rechtlich undurchführbar angesehen. Der Pflichtteil kann nur unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen der §§ 2333 f. BGB ausgeschlossen oder beschränkt werden. Andererseits kann dem, der nur den Pflichtteil erhält, kein Vorerbe (§ 2100.BGB) vorgesetzt werden, weil er gerade nicht Erbe geworden ist.

Unterstellt man jedoch, der Erblasser habe unter Pflichtteil den gesetzlichen Erbteil verstanden, den der Beteiligte zu 1 allerdings erst nach dem Tod der Ehefrau erhalten sollte, dann passt auch der von ihm verwendete Begriff des befreiten Vorerben (§ 2136 BGB). Mit dem der Klausel vorausgehenden Satz "Sie ist befugt, über meine Hinterlassenschaft zu bestimmen" unterstreicht der Erblasser in typischer Weise, seine Ehefrau von den gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben befreien zu wollen. Dafür, dass der Erblasser lediglich seine Ehefrau zu Lebzeiten vor Ansprüchen des Beteiligten zu 1 absichern, ihn aber nicht als Nacherben ausschließen wollte, spricht im übrigen der entsprechende Testamentsentwurf des Rechtsanwalts G.

5. Der Erbschein vom 26.3.1971 ist einzuziehen, weil er jedenfalls durch Eintritt der Nacherbfolge unrichtig geworden ist (§ 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mit dem Tod (§ 2106 BGB) der als Vorerbin eingesetzten Ehefrau des Erblassers am 14.2.1998 ist der Beteiligte zu 1 Erbe des Erblassers geworden (§ 2139 BGB). Das Nachlassgericht hat den vom Beteiligten zu 1 am 10.6.1999'beantragten Erbschein (§ 2353 BGB) zu erteilen. Dabei ist in dem dem Nacherben zu erteilenden Erbschein der Zeitpunkt des Nacherbfalls (§ 2355 BGB i.V.m. § 2354 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 2356 BGB) anzugeben (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1332; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2363 Rn. 10).

6. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass. Gerichtskosten fallen nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet. Es entspricht billigem Ermessen (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG), es bei dem Grundsatz zu belassen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen.

7. Den Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde setzt der Senat gemäß den Feststellungen des Landgerichts auf DM 289000,-- fest (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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