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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 3/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2077
Allein der Umstand, daß sich Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als "Verlobte" bezeichnen, begründet noch kein Verlöbnis, sofern es an einem ernstlichen Eheversprechen fehlt.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Seifried, Rojahn und Zwirlein

am 31. Mai 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. Dezember,2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die der Beteiligten zu 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 136000,-- festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Erblasser ist im Alter von 86 Jahren verstorben. Er war verheiratet mit der 1977 vorverstorbenen H. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, der nachverstorbene Beteiligte zu 1, an dessen Stelle dessen Erben getreten sind, und die Beteiligte zu 2.

Ein handschriftliches Testament des Erblassers vom 26.7.1981 hat folgenden Wortlaut:

Mein letzter Wille!

Nach meinem Tode sollen meine Tochter... (Beteiligte zu 2) und meine Lebensgefährtin... (Beteiligte zu 3) meinen Nachlass erben. Mein Sohn ... (Beteiligter zu 1) enterbe ich, weil er mich geschlagen hat.

Berlin, d. 26. Juli 1981

Ein weiteres handschriftliches Testament hat der Erblasser im Juni 1988 verfasst. Es lautet wie folgt:

Testament

Ich setze nach dem Tode meine Verlobte... (Beteiligte zu 3) zu meiner allein Erbin ein. sie soll über das gesamte Erbe frei verfügen. Ich besitze kein Haus, bewegliche und unbewegliches Mobiliar. Aber wenn etwas von meinem Geld übrich bleibt, soll es meine seit November 79 Verlobte alles behalten, so auch wie meine persöhnlichen Sachen.

Durch meine Unterschrift bekunde ich zugleich, dass im umstehenden Testament keine Verbesserrungen kommen sollen.

Kempten, Juni 1988

Die in beiden Testamenten bedachte verwitwete Beteiligte zu 3 hatte der Erblasser im Jahre 1979 kennen gelernt. Im Spätherbst dieses Jahres hatte der Erblasser Ringe für sich und die Beteiligte zu 3 gekauft und sich mit der Beteiligten zu 3 in einem Lokal in Berlin verlobt. In der Folgezeit bis zum Jahre 1984 hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 zunächst in Berlin, dann in Kempten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Erblasser hatte mehrfach geäußert, die Beteiligte zu 3 sobald wie möglich heiraten zu wollen. Da die Beteiligte zu 3 eine Witwenrente bezog, die im Falle einer Eheschließung entfallen wäre, hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 sich geeinigt, mit der Eheschließung noch abzuwarten.

Ab dem Jahre 1992 litt der Erblasser an der Alzheimer Krankheit. Dies führte dazu, dass für den Erblasser Betreuung angeordnet wurde und der Erblasser ab August 1994 in einem Heim versorgt werden musste, zuletzt im Wege der geschlossenen Unterbringung. Der Heimaufenthalt und der Zustand des Erblassers führten schließlich dazu, dass sich die Beziehungen mit der Beteiligten zu 3 bis zum Tod des Erblassers auf gelegentliche Besuche der Beteiligten zu 3 im Pflegeheim beschränkten. Zu einer Eheschließung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3 kam es nicht mehr.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterben je zur Hälfte ausweisen sollte. Sie trugen vor, es sei zweifelhaft, ob das Testament vom Juni 1988 vom Erblasser stamme und ob es vom Erblasser im Zustand der Testierfähigkeit geschrieben worden sei. Jedenfalls sei das Testament vom Juni 1988 gemäß § 2077 Abs. 2 BGB unwirksam, weil die Beteiligte zu 3 das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst habe. Entsprechendes gelte für das Testament vom 26.7.1981. Somit sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Die Beteiligte zu 3 beantragte, gestützt auf das Testament vom Juni 1988, die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Nachdem ein vom Nachlassgericht erholtes Schriftgutachten die von den Beteiligten zu 1 und 2 geäußerten Zweifel an der Echtheit des Testaments vom Juni 1988 nicht bestätigt hatte, kündigte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 8.3.2000 die Erteilung eines Erbscheins an, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 3 allein beerbt worden ist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wies das Landgericht mit Beschluss vom 7.12.2000 zurück. Das Nachlassgericht erteilte daraufhin einen Alleinerbschein zugunsten der Beteiligten zu 3. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben gegen den Beschluss des Landgerichts vom 7.12.2000 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die mit dem Ziel der Einziehung des nach Erlass der Beschwerdeentscheidung erteilten Erbscheins zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Erbfolge bestimme sich nach dem Testament vom Juni 1988. Aufgrund des Schriftgutachtens bestünden keine Zweifel daran, dass der Erblasser dieses Testament eigenhändig verfasst habe. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom Juni 1988 nicht testierfähig gewesen sei, seien weder ersichtlich noch von den Beteiligten dargelegt. Die Vorschrift des § 2077 BGB sei nicht anzuwenden, da ein Verlöbnis des Erblassers mit der Beteiligten zu 3 nicht vorgelegen habe. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung sei insoweit, ob der Erblasser und die Beteiligte zu 3 tatsächlich die Absicht gehabt hätten zu heiraten oder ob andere Umstände, insbesondere finanzielle Interessen, dem entgegengestanden hätten. Von einem ernsthaften Eheversprechen könne nicht ausgegangen werden, wenn wegen des drohenden Verlusts einer Witwenrente tatsächlich keine Heiratsabsicht bestanden habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass zwischen der "Verlobung" im Spätherbst 1979 bis zum August 1994, als der Erblasser in ein Heim verbracht werden musste, das Zusammenleben ohne Eheschließung angedauert habe. Da zur Annahme eines Verlöbnisses weder ein Zusammenleben noch ein gegenseitiges Geständnis der Liebe und vertraulicher Verkehr genügten, sondern ein gegenseitiges ernstliches Eheversprechen, eine Hinordnung auf die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft erforderlich sei, könne nach Überzeugung der Kammer von einem Verlöbnis im Rechtssinne nicht ausgegangen werden. Vielmehr hätten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenleben wollen. Auf solche eheähnlichen Gemeinschaften sei § 2077 Abs. 2 BGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Das Testament vom Juni 1988 sei aber auch dann wirksam, wenn von dem Bestehen eines Verlöbnisses im Rechtssinne zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3 auszugehen wäre. In diesem Falle sei § 2077 Abs. 2 BGB deswegen nicht anzuwenden, weil nach Überzeugung der Kammer das Verlöbnis bis zum Tode des Erblassers nicht aufgelöst worden sei. Es könne weder von einer einvernehmlichen Aufhebung des Verlöbnisses noch von einem einseitigen, etwa stillschweigenden Rücktritt der Beteiligten zu 3 von dem Verlöbnis ausgegangen werden. Die Beteiligte zu 3 habe in den Jahren 1992 bis 1994 voll die Pflege des Erblassers übernommen. Nachdem schließlich die Unterbringung in einem Pflegeheim notwendig geworden sei und sich der Gesundheitszustand des Erblassers in einem solchen Maße verschlechtert habe, dass er die Beteiligte zu 3 aufgrund seiner Krankheit nicht mehr habe erkennen können, liege in dem Verhalten der Beteiligten zu 3, die Besuche einzuschränken und allein in Urlaub zu fahren, nicht die stillschweigende Willenserklärung, vom Verlöbnis zurückzutreten.

2. Die Entscheidung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Die Vorinstanzen haben den für die Frage der Echtheit des Testaments maßgeblichen Sachverhalt hinreichend ermittelt. Aufgrund des vom Nachlassgericht erholten Sachverständigengutachtens konnte das Landgericht wie bereits das Nachlassgericht die von den Beteiligten zu 1 und 2 geäußerten Zweifel daran, dass der Erblasser das Testament vom Juni 1988 eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat (§ 2247 BGB), als ausgeräumt ansehen.

b) Das Landgericht hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments im Juni 1988 nicht testierfähig gewesen sein könnte. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in beschränktem Umfang, nämlich nur auf Rechtsfehler überprüft werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1511/1512 m.w.N.). Solche Rechtsfehler liegen nicht vor; insbesondere hat das Landgericht seine Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB) nicht verletzt. Zwar ist die Frage der Testierfähigkeit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amts wegen zu klären. Die Aufklärungspflicht des Gerichts besteht allerdings nur insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt zu weiteren, Ermittlungen Anlass geben (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1242/1243 m. w. N.). Insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass der Erblasser erst ab dem Jahr 1992 an der Alzheimer Krankheit litt und bestimmte Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Testierfähigkeit des Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom Juni 1988 nicht vorlagen, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht ohne weitere Ermittlungen von der Testierfähigkeit des Erblassers ausging.

c) Das Landgericht konnte auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 2077 Abs. 2 BGB von der Erbberechtigung der Beteiligten zu 3 ausgehen. Die hierzu vom Landgericht getroffene Feststellung, dass zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3 kein Verlöbnis bestanden habe, weist keinen Rechtsfehler auf. Unter einem Verlöbnis im Sinne des BGB ist ein ernstlich gemeintes, gegenseitig gegebenes und angenommenes Eheversprechen zu verstehen; es ist auf die Begründung einer dauernden ehelichen Lebensgemeinschaft der Verlobten hingeordnet und dient der Vorbereitung einer solchen Gemeinschaft (BayObLG FamRZ 1983, 1226/1228 m. w. N.). Das Landgericht durfte insbesondere unter Würdigung dessen, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 3 sich zwar seit dem Jahre 1979 als Verlobte bezeichneten, tatsächlich jedoch danach 15 Jahre unverheiratet zusammenlebten, und dass ein Beweggrund für die unterbliebene Eheschließung während dieses langen Zeitraums das Bestreben der Partner war, den Verlust der Witwenrente der Beteiligten zu 3 zu vermeiden, zu dem Ergebnis kommen, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 3 zwar in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenleben wollten, dies aber mit einer ernsthaften Absicht zu heiraten nicht einherging. Dieser vom Landgericht gezogene Schluss ist jedenfalls möglich (vgl. den der Entscheidung des BayObLG in FamRZ 1983, 1226 zugrundeliegenden Fall) und im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht zu beanstanden.

Da somit § 2077 Abs. 2 BGB bereits deshalb nicht zur Unwirksamkeit des Testaments vom Juni 1988 führt, weil nicht vom Bestehen eines Verlöbnisses zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3 auszugehen ist, und § 2077 Abs. 2 BGB auf nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. BayObLG FamRZ 1983, 1226/1228), bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Hilfserwägung des Landgerichts, im Falle des Bestehens eines Verlöbnisses sei nicht von dessen Auflösung vor dem Tod des Erblassers auszugehen. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob im Falle des Bestehens eines Verlöbnisses gleichwohl gemäß § 2077 Abs. 3 BGB von der Wirksamkeit des Testaments vom Juni 1988 auszugehen wäre.

3. Im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten im Verfahren der weiteren Beschwerde. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf DM 136000,-- festgesetzt (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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