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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.08.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 32/01
Rechtsgebiete: BKGG, EStG


Vorschriften:

BKGG § 3
EStG § 64
Zur Frage der gerichtlichen Bestimmung des Berechtigten, wenn mehrere Ansprüche auf Gewährung von Kindergeld zusammentreffen.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Zwirlein

am 6. August 2001

in der Kindergeldsache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 30. März 2001 in Ziffer II insoweit aufgehoben, als er den Zeitraum von April bis einschließlich September 2000 betrifft. Die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

II. Der Beteiligten zu 2 wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin R beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 ist die Mutter, der Beteiligte zu 3 ist der Vater der geborenen Beteiligten zu 1. Diese wohnte bis zum 30.9.2000 nicht im Haushalt eines der beiden Elternteile. Seit 1.10.2000 lebt sie im Haushalt ihrer Mutter.

Anspruchsberechtigt für den Bezug des Kindergelds war der Beteiligte zu 3. Ab April 2000 wurde zunächst kein Kindergeld mehr ausbezahlt. Seit Oktober 2000 erfolgt die Auszahlung des Kindergeldes an die Beteiligte zu 2.

Am 4.7.2000 beantragte die Beteiligte zu 2 bei dem Amtsgericht, sie als Kindergeldberechtigte für ihre Tochter zu bestimmen. Der Beteiligte zu 3 wandte sich gegen diesen Antrag mit dem Vorbringen, der Kindergeldanspruch sei von ihm an das Jugendamt abgetreten. Er benötige lediglich einen Ausbildungsnachweis der nunmehr volljährigen Tochter, um das Kindergeld wie bisher weiter zu erhalten und an das Jugendamt abzuführen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 6.11.2000 wurde der Beteiligte zu 3 zum Kindergeldberechtigten bestimmt. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Kindergeld sei bisher problemlos bezahlt worden. Erst nach Volljährigkeit des Kindes sei die Leistung des Kindergeldes eingestellt worden, weil keine Ausbildungsbescheinigung vorgelegt worden sei.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte die Beteiligte zu 2 "sofortige Beschwerde" ein und beantragte, die Beteiligte zu 2 als Kindergeldberechtigte zu bestimmen, da die Beteiligte zu 1 seit 1.10.2000 in ihrem Haushalt wohne.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel als Beschwerde behandelt und mit Beschluss vom 30.3.2001 den Beschluss des Amtsgerichts vom 6.11.2000 aufgehoben und die Beschwerde im übrigen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die auf den Zeitraum von April bis einschließlich September 2000 beschränkte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie verfolgt das Ziel, für den genannten Zeitraum zur Kindergeldberechtigten bestimmt zu werden. Die Beteiligte zu 2 hat für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

II.

Die gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthafte weitere Beschwerde ist in zulässiger Weise erhoben. Sie ist an keine Frist gebunden, da weder § 3 BKGG noch der weitgehend gleichlautende § 64 EStG Sonderbestimmungen über die Einlegung der Beschwerde enthalten (vgl. BayobLG 1955, 297/299; Keidel/Schmidt FGG 14. Aufl. Vorbem 25 zu §§ 19 bis 30).

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts, soweit die Beschwerde für den Zeitraum von April bis einschließlich September 2000 zurückgewiesen wurde.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses sei veranlasst, nachdem nachgewiesen sei, dass die Beteiligte zu 1 seit 1.10.2000 bei ihrer Mutter wohnt. Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG werde das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, ohne dass es einer Bestimmung durch das Vormundschaftsgericht bedürfe. Eine solche Bestimmung sei nur für den Fall vorgesehen, dass das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist (§ 64 Abs. 2 und 3 EStG). Es sei daher nicht notwendig und auch nicht möglich, die Beteiligte zu 2 zur Kindergeldberechtigten zu bestimmen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Das Landgericht hat zwar zu Recht seiner Entscheidung die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, die in der Sache mit § 3 Abs. 2 Satz 1 BKGG übereinstimmt, zugrunde gelegt. Danach wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld derjenigen Person gewährt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat.

Eine gerichtliche Bestimmung des Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 3 BKGG) findet in diesem Fall nicht statt. Zutreffend ist das Landgericht daher für den Zeitraum, seit dem Beteiligte zu 1 im Haushalt ihrer Mutter lebt (1.10.2000), davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten nicht vorliegen.

b) Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht aber übersehen, dass für den vom Antrag der Beteiligten zu 2 umfassten Zeitraum vom 1.4.2000 bis 30.9.2000, in dem Beteiligte zu 1 nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen war, die Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 3 BKGG) nach wie vor vorliegen, nachdem für diesen Zeitraum bisher kein Kindergeld ausbezahlt worden ist. Das Landgericht wird daher für diesen Zeitraum noch die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 4 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 4 BKGG), zu treffen und die bisher unterlassene Entscheidung für diesen Zeitraum nachzuholen haben.

3. Der Beteiligten zu 2 ist gemäß § 14 FGG, §§ 114, 119, 121 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten fallen im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG wird das Beschwerdegericht zu befinden haben (Keidel/Zimmermann aaO § 13a Rn. 36 und 39).

Ende der Entscheidung

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