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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.06.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 36/04
Rechtsgebiete: BaySchlG, EGZPO, RVG VV, ZPO


Vorschriften:

BaySchlG Art. 17
EGZPO § 15a
RVG VV Nr. 2403
ZPO § 91
Die außergerichtlichen Kosten in einem obligatorischen Schlichtungsverfahren sind im Falle des Scheiterns der Schlichtung als notwendige Vorbereitungskosten im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 ZPO in einem nachfolgenden Klageverfahren grundsätzlich erstattungsfähig. Art. 17 BaySchlG steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen.
Gründe:

I. Die Klägerin hat nach erfolgloser Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gegen den Beklagten Klage erhoben mit dem Antrag, es zu unterlassen, zu Lasten der Klägerin im Klageantrag näher bezeichnete ehrverletzende Behauptungen aufzustellen. Der Streitwert des Schlichtungsverfahrens wurde auf 5.150 EUR, der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens wurde auf 1.500 EUR festgesetzt. Im gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht hat der Beklagte die Klageforderung anerkannt. Mit Anerkenntnisurteil vom 10.12.2002 hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Sowohl im Schlichtungsverfahren als auch im Klageverfahren waren beide Parteien anwaltschaftlich vertreten.

1. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6.2.2003 hat das Amtsgericht die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 410,10 EUR festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) aus 1.500 EUR, einer halben Verhandlungsgebühr (§ 33 Abs. 1 BRAGO) aus 1.500 EUR, der Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) in Höhe von 20 EUR nebst Mehrwertsteuer hieraus sowie den durch die Durchführung des Schlichtungsverfahrens entstandenen Kosten der Gütestelle in Höhe von 139,20 EUR und den Gerichtskosten in Höhe von 65 EUR. Die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren und Auslagenpauschale für die anwaltschaftliche Vertretung der Klägerin im Schlichtungsverfahren wurde in dem Kostenfestsetzungsbeschluss unter Hinweis darauf, dass lediglich die Kosten der Gütestelle nach § 91 ZPO, § 15a Abs. 4 EGZPO zu den Kosten des Rechtsstreits gehörten, abgelehnt.

2. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6.2.2003 hat die Klägerin wegen der abgelehnten Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren und Auslagenpauschale für das Schlichtungsverfahren sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, zusätzlich weitere 293,48 EUR festzusetzen. Die Klägerin hat vorgetragen, dieser Betrag ergebe sich daraus, dass für die Tätigkeit der anwaltschaftlichen Vertreter der Klägerin vor der Schlichtungsstelle nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO eine volle Gebühr aus einem Streitwert von 5.150 EUR sowie eine Kostenpauschale nach § 26 BRAGO angefallen sei. Diese Gebühr von 338 EUR sei, da ein obligatorisches Güteverfahren nach § 15a EGZPO stattgefunden habe, gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 BRAGO auf die Prozessgebühr von 105 EUR aus dem nachfolgenden Rechtsstreit anzurechnen, so dass die sich aus diesen Beträgen ergebende Gebührendifferenz von 233 EUR sowie die Kostenpauschale von 20 EUR zuzüglich der Mehrwertsteuer von 40,48 EUR, insgesamt somit 293,48 EUR zusätzlich festzusetzen seien.

3. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 23.2.2004 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die einer Partei im Rahmen eines Güteverfahrens vor einer nach § 15a Abs. 1 EGZPO in Verbindung mit dem Bayerischen Schlichtungsgesetz (BaySchlG) eingerichteten Gütestelle entstandenen Kosten seien mit Ausnahme der Kosten der Gütestelle selbst nicht erstattungsfähig. Dies gelte für die Kostenerstattung auch in einem nach erfolglosem Güteverfahren erfolgreich geführten Rechtsstreit. Nach § 15a Abs. 4 EGZPO, der als Sondervorschrift § 91 Abs. 3 ZPO vorgehe, gehörten zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 und 2 ZPO die Kosten der Gütestelle, die durch das Einigungsverfahren nach § 15a Abs. 1 EGZPO entstanden sind. Aus dieser Formulierung ergebe sich allerdings nur, dass die von der Gütestelle in Rechnung gestellten Kosten zu den Kosten eines anschließenden Rechtsstreits gehören. Die Frage der Erstattungsfähigkeit der den Parteien des Güteverfahrens entstandenen Kosten, insbesondere Anwaltskosten, sei in § 15a Abs. 4 EGZPO nicht geregelt.

Einschlägig sei hier Art. 17 BaySchlG. Nach Art. 17 Satz 1 BaySchlG trage jede Partei ihre eigenen Kosten. Nach Art. 17 Satz 2 BaySchlG würden Kosten, vorbehaltlich einer anderen Regelung in der Vereinbarung zur Konfliktbeilegung, nicht erstattet. Mit dieser Vorschrift habe der Landesgesetzgeber in zulässiger Weise von der in § 15a Abs. 5 Halbsatz 1 EGZPO enthaltenen Ermächtigung zur näheren Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens Gebrauch gemacht und insoweit jegliche Erstattung der den Parteien des Schlichtungsverfahrens entstandenen Kosten ausgeschlossen. Dieser Ausschluß gelte nicht nur dann, wenn dem Schlichtungsverfahren kein Gerichtsverfahren nachfolge, sondern auch im umgekehrten Fall, weil Art. 17 BaySchlG insoweit keine Ausnahmen enthalte und daher davon auszugehen sei, dass der Landesgesetzgeber die Nichterstattung der den Parteien des Schlichtungsverfahrens entstandenen Kosten generell habe anordnen wollen. Zweck dieser Regelung sei es, das Schlichtungsverfahren nicht mit der Frage der Erstattung der den Parteien entstandenen Kosten zu belasten und dadurch möglicherweise einen Vergleichsschluss zu erschweren. An dieser grundsätzlichen Freiheit des Güteverfahrens von Kostenerstattungsansprüchen der Parteien ändere sich nichts, wenn sich dem Güteverfahren ein gerichtliches Verfahren anschließe, weil durch Art. 17 BaySchlG auch die Berücksichtigung dieser Kosten als sogenannte Prozessvorbereitungskosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen werde.

4. Gegen den ihr am 9.3.2004 zugestellten Beschluss des Landgerichts legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.3.2004, bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen am 25.3.2004, Rechtsbeschwerde ein mit dem Antrag, unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 23.2.2004 den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 6.2.2003 dahingehend abzuändern, dass die der Klägerin im erfolglosen Schlichtungsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 293,48 EUR zusätzlich festgesetzt werden.

II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, § 575 ZPO). Die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts (§ 8 Abs. 1 EGGVG, Art. 11 Abs. 1 AGGVG) ergibt sich aus der vom Landgericht nach § 7 Abs. 1 EGZPO getroffenen Zuständigkeitsbestimmung.

2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

a) Die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten, die einer Partei für die Vertretung im erfolglosen Schlichtungsverfahren erwachsen sind, durch die zur Kostentragung verurteilte unterlegene Partei im nachfolgenden gerichtlichen Zivilverfahren ist nicht gesetzlich geregelt (vgl. Zöller/Gummer ZPO 24. Aufl. § 15a EGZPO Rn. 26).

b) Nach § 91 Abs. 3 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits auch die Gebühren, die wie hier durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestelle entstanden sind. Mit den dort genannten Gebühren sind jedoch nur die seitens der Gütestelle selbst verlangten Gebühren, nicht die einer Partei erwachsenen Kosten gemeint (OLG München MDR 1999, 380/381; OLG Hamburg MDR 2002, 115 m.w.N.).

c) § 15a Abs. 4 EGZPO enthält eine Klarstellung zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden Partei in einem dem Schlichtungsverfahren nachfolgenden gerichtlichen Verfahren. Die Vorschrift ist dem § 91 Abs. 3 ZPO nachgebildet (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung BT-Drucks. 14/980 S. 8); sie enthält ebenso wie § 91 Abs. 3 ZPO keine Regelung der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten.

d) Die Erstattungsfähigkeit der im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO entstandenen Anwaltskosten ergibt sich hier jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei diesen Kosten um unmittelbar prozessbezogene notwendige Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehandelt hat.

aa) Für Bayern hat der Landesgesetzgeber mit dem Bayerischen Schlichtungsgesetz gemäß der bundesgesetzlichen Öffnungsklausel des § 15a EGZPO die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens in den in Art. 1 BaySchlG genannten Fällen zur Zulässigkeitsvoraussetzung der nachfolgenden Klage gemacht. Für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre war gemäß Art. 1 Nr. 3 BaySchlG die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens obligatorisch. Da die Klägerin mit ihrer Klage ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bereits aus prozessualen Gründen keinen Erfolg hätte haben können, war das vorgerichtliche Schlichtungsverfahren für die Vorbereitung des Klageverfahrens nicht nur sinnvoll, sondern zwingend erforderlich (vgl. LG Mönchengladbach JurBüro 2003, 207 und 208; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 62. Aufl. § 91 Rn. 286; Hartmann NJW 1999, 3745/3748; Schütt MDR 2002, 116).

Mit entsprechenden Überlegungen war die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als zwangsläufige Vorbereitungskosten des Klageverfahrens für das nach altem Recht in Bayern (früher Art. 22 AGGVG) bei Ansprüchen wegen Amtspflichtverletzungen vorgesehene Abhilfeverfahren, das eine besondere Prozessvoraussetzung für Klagen gegen den Freistaat Bayern war, bejaht worden (vgl. OLG München MDR 1990, 1020).

bb) Der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitungskosten steht Art. 17 BaySchlG nicht entgegen. Das Bayerische Schlichtungsgesetz macht auf der Grundlage der Öffnungsklausel des Art. 15a EGZPO die Zulässigkeit der Erhebung einer Klage von einem vorherigen Schlichtungsverfahren abhängig und enthält nähere Regelungen über dieses Schlichtungsverfahren. Im Rahmen dieser Regelungen über das Schlichtungsverfahren sieht Art. 17 BaySchlG vor, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt und Kosten, vorbehaltlich einer Regelung in der Vereinbarung zur Konfliktbeilegung, nicht erstattet werden. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift des Bayerischen Schlichtungsgesetzes betrifft sowohl nach dem auf die Förderung der gütlichen Streitbeilegung gerichteten Gesetzeszweck als auch angesichts des durch die Öffnungsklausel des Art. 15a EGZPO eingeschränkten Regelungsumfangs dieses Gesetzes lediglich die Kostenerstattung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens; die Vorschrift enthält keine Aussage über eine Kostenerstattung in dem einem erfolglosen Schlichtungsverfahren nachfolgenden Zivilprozess. Dem Wortlaut des Art. 17 BaySchlG und den Gesetzesmaterialien (LT-Drucks. 14/2265) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Frage der Kostenerstattung auch für den Fall geregelt werden sollte, in dem sich diese wegen eines nachfolgenden Zivilprozesses nach den Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO richtet. Der Senat hätte im Übrigen auch Zweifel, ob sich Art. 15a Abs. 5 Halbsatz 1 EGZPO eine hinreichende Rechtsgrundlage für eine vom Bundesgesetz abweichende Regelung durch den Landesgesetzgeber entnehmen lässt. Das in Art. 17 BaySchlG zum Ausdruck gekommene Bestreben des Gesetzgebers, das Schlichtungsverfahren nicht mit Kostenerstattungsfragen zu belasten, ergibt nichts anderes, da die Frage der Kostenerstattung im Zivilprozess sich erst und nur dann stellt, wenn die vom Gesetzgeber vorgeschriebene und vorrangig angestrebte Schlichtung gescheitert ist.

cc) Auch wenn die im obligatorischen Schlichtungsverfahren entstandenen Anwaltskosten im Klageverfahren nach gescheiterter Schlichtung unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitungskosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, ist nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Einzelfall zu prüfen, ob die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für das gesetzlich vorgeschriebene Schlichtungsverfahren erforderlich war (vgl. OLG München MDR 1990, 1020 zum früheren Abhilfeverfahren). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen, da die mit dem Verfahren beanstandete Ehr- und Persönlichkeitsverletzung der Klägerin mit Bezug zur Arbeitsstätte der Klägerin nicht so einfach gestaltet war, dass es der Klägerin hätte zugemutet werden können, sich gegenüber dem anwaltschaftlich vertretenen Beklagten nicht des Rates und der Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Schlichtungsverfahren zu bedienen.

e) Die Frage der Erstattungsfähigkeit der im obligatorischen Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten stellte sich nach bisher geltendem Recht nur in besonders gelagerten Einzelfällen (hier: abweichender Streitwert im Schlichtungsverfahren und gerichtlichem Verfahren). Ihr wird aber nach der ab 1.7.2004 geltenden Neuregelung durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) allgemeine Bedeutung zukommen (Vergütungsverzeichnis Nr. 2403 i.V.m. Vorbemerkung 3 Absatz 4 zu Teil 3 VV; vgl. auch BT-Drucks. 15/1971 S. 207).

f) Entsprechend dem zutreffenden Beschwerdevorbringen der Klägerin (vgl. oben I.2.) beläuft sich die Höhe der zusätzlich zu erstattenden Kosten auf 293,48 EUR.

g) Das Rechtsbeschwerdegericht hatte in der Sache selbst zu entscheiden und die weiteren Kosten festzusetzen, da die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihrer Rechtsgrundlage in § 3 ZPO.



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