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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.02.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 43/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2075
BGB § 2100
BGB § 2139
Eintritt des Nacherbfalls wegen Nichteinhaltung einer testamentarisch angeordneten Bauverpflichtung.
Gründe:

I.

Die 1983 im Alter von 82 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind ihre Neffen. Zum Nachlass gehören ein landwirtschaftliches Anwesen, ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück, ferner zwei Bauplätze sowie Bankguthaben und Wertpapiere. Der Reinnachlass hatte einen Wert von 941.817 DM.

Am 16.8.1983 hat die Erblasserin unter Widerruf aller bisherigen letztwilligen Verfügungen ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem sie den Beteiligten zu 2 als Alleinerben eingesetzt und unter anderem bestimmt hat:

... (Beteiligter zu 2) möge sich dem Anwesen in Pflichttreue zuwenden ... Der gesamte Nachlass darf nur für ein zweckmäßiges Haus an der Straße und für Hofvergrößerung für die Sicherstellung der Rentabilität ... verwendet werden ...

Baut der Alleinerbe innerhalb von drei Jahren nicht, so hat er kein Interesse an dem schönen Besitz und an der Erhaltung des Hofes. In diesem Fall soll er den Hof zum halben Verkaufspreis an ... (Beteiligter zu 1) für einen seiner Söhne, und zwar für den charaktervollsten, tüchtigsten, geeignetsten überlassen ... Die Erweiterung des gesamten Besitzes und seine Aufwärtsentwicklung ist mein großes Anliegen. Ich bitte den Alleinerben darum, die Weggabe nur dann zu vollziehen, wenn es ihm gesundheitlich unmöglich ist, erfolgreich tätig zu sein, oder wenn er keine eigenen Kinder aus seiner Ehe hat. ...

Nur wenn ... (Beteiligter zu 2) aus gesundheitlichen Gründen durchaus nicht in der Lage ist, den Hof aufwärts zu entwickeln, so soll er den Hof zu der vorgeschlagenen Regelung an ... (Beteiligter zu 1) für einen seiner Söhne abgeben ...

Am 20.2.1984 hat der Beteiligte zu 2 die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt. Hierzu hat der Beteiligte zu 1 erklärt, das Alleinerbrecht des Beteiligten zu 2 anzuerkennen und gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins keine Einwendungen zu erheben. Das Nachlassgericht hat am 12.4.1984 den entsprechenden Erbschein erteilt.

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 23.5.2000 hat der Beteiligte zu 1 beantragt, den Erbschein vom 12.4.1984 einzuziehen und ihm einen Erbschein als Alleinerben zu erteilen. Er hat geltend gemacht, durch das Testament vom 16.8.1983 zum Nacherben eingesetzt zu sein für den Fall, dass der Beteiligte zu 2 den Hof nicht ordnungsgemäß bewirtschafte, insbesondere nicht innerhalb von drei Jahren baue. Der Nacherbfall sei bereits eingetreten, da sämtliche Gebäude des Hofes, wie auch das Haus, völlig verwahrlost und heruntergekommen seien und der binnen drei Jahren zu erstellende Hausbau bis heute nicht fertiggestellt und bewohnbar sei. Hilfsweise hat der Beteiligte zu 1 beantragt, einen neuen Erbschein dahingehend zu erteilen, dass Nacherbschaft angeordnet sei für den Fall, dass die Ehe des Beteiligten zu 2 kinderlos bleibe.

Mit Beschluss vom 31.10.2000 hat das Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins vom 12.4.1984 angeordnet, im Übrigen den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines ihn als Alleinerben ausweisenden Erbscheins zurückgewiesen und den Erlass eines Erbscheins abgekündigt, wonach die Erblasserin vom Beteiligten zu 2 als Vorerben beerbt worden sei und für den Fall der Kinderlosigkeit der Ehe des Vorerben der Beteiligte zu 1 Nacherbe sei. Die gegen die beiden letztgenannten Entscheidungssätze des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 31.10.2000 gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.1.2001 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt, über die der Senat mit Beschluss vom 19.2.2002 entschieden hat. Darin hat der Senat die Entscheidungen der Vorinstanzen in dem angegriffenen Umfang aufgehoben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Der Senat hat ausgeführt, dass die Testamentsklauseln

Baut der Alleinerbe innerhalb von drei Jahren nicht ...

Bleibt die Ehe des Alleinerben kinderlos ...

Ist es ihm gesundheitlich unmöglich, erfolgreich tätig zu sein (und) den Hof aufwärts zu entwickeln ...

als - alternativ - den Nacherbfall auslösende Ereignisse zu verstehen sind.

Das Nachlassgericht hat ein Sachverständigengutachten darüber eingeholt, ob der Beteiligte zu 2 innerhalb von drei Jahren auf dem Hofanwesen ein zweckmäßiges Haus, mit dem die Rentabilität gefördert werde, gebaut habe, und ob der Zustand des gesamten Anwesens eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung erkennen lasse. Mit Beschluss vom 27.1.2003 hat das Nachlassgericht einen Vorbescheid erlassen, in dem es die Erteilung eines Erbscheins zugunsten des Beteiligten zu 1 als Nacherben angekündigt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den durch Lichtbilder untermauerten Feststellungen des Sachverständigen sei das nach dem Testament zu errichtende Haus im Rohbauzustand und nicht nur drei Jahre, sondern annähernd 20 Jahre nach dem Erbfall noch nicht fertig, was die Nacherbfolge zugunsten des Beteiligten zu 1 auslöse. Dieser sei nicht nur wiederum Vorerbe eines seiner Kinder geworden, weil die Anordnung der Erblasserin, der Beteiligte zu 1 habe den Nachlass dem charaktervollsten, tüchtigsten und geeignetsten seiner drei Söhne zu übertragen, mangels Bestimmtheit unwirksam sei.

Der Beteiligte zu 2 hat gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts Beschwerde eingelegt und für sich in Anspruch genommen, bereits vor Ablauf der Dreijahresfrist mit den Planungen des nach dem Testament zu errichtenden Hauses begonnen zu haben. Der Beteiligte zu 1 hat Bestätigungen des Landratsamts und eines Bauunternehmers vorgelegt, nach denen der Bauantrag des Beteiligten zu 2 am 21.11.1986 eingegangen, die baurechtliche Genehmigung am 4.3.1987 erteilt und mit dem Bau tatsächlich am 6.7.1987 begonnen worden ist. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 7.5.2003 die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und mit Beschluss vom 13.5.2003 den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 3.000 EUR festgesetzt. Der Beteiligte zu 2 hat gegen den Beschluss des Landgerichts vom 7.5.2002 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Das vom Beteiligten zu 2 auf dem ererbten Grundstück verwirklichte Bauobjekt habe die im Testament vom 16.8.1983 enthaltene Bauverpflichtung nicht erfüllt, so dass deshalb der die Nacherbfolge auslösende Fall gegeben sei. Dies sei nicht nur aus dem derzeitigen Zustand des errichteten Anwesens zu schließen, sondern auch aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 2 bereits die von der Erblasserin gesetzte Frist zur Erfüllung der Verpflichtung habe verstreichen lassen, bevor er mit dem Bau begonnen habe. Selbst der Bauantrag sei erst nach Ablauf dieser Frist eingereicht worden. Schon aus diesem Grund sei vom Eintritt des Nacherbfalls auszugehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Der Senat hat im Beschluss vom 19.2.2002 festgestellt, dass die Erblasserin im Testament vom 16.8.1983 Nacherbschaft angeordnet hat (§ 2100, § 2103 BGB) und der Nacherbfall unter anderem dann eintreten soll, wenn die angeordnete Bauverpflichtung binnen drei Jahren nicht erfüllt werde (§ 2075 BGB). Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass diese Frist am 29.9.1986, also drei Jahre nach dem Tod der Erblasserin (§ 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB), abgelaufen ist, ohne dass der von der Erblasserin angeordnete Bau erstellt worden wäre. Der Bauantrag des Beteiligten zu 2 ist erst am 21.11.1986 eingereicht, die Baugenehmigung erst am 11.3.1987 erteilt worden. Der Bau ist erst am 6.7.1987 begonnen worden. Da die Erblasserin davon ausgegangen ist, der Beteiligte zu 2 werde innerhalb von drei Jahren "bauen", kommt es nicht darauf an, dass der Beteiligte zu 2 bereits im Jahr 1985 einen Architekten mit der Planung beauftragt haben will. Die Erblasserin hat in ihrem Testament besonderen Nachdruck darauf gelegt, dass durch den Bau des Hauses innerhalb von drei Jahren die Rentabilität des gesamten Anwesens unter Einsatz des vererbten Geldvermögens gefördert werden soll. Danach hat sie in dem Haus eine Einnahmequelle gesehen, die spätestens drei Jahre nach ihrem Tod ihren Beitrag zur Rentabilität des Gesamtanwesens und seiner Aufwärtsentwicklung erbringen sollte. So hat es dem Erblasserwillen entsprochen, binnen drei Jahren ein wirtschaftlich nutzbares Haus zu bauen und nicht nur zu planen. Im Hinblick darauf durfte das Landgericht den gegenwärtigen Zustand des errichteten Hauses ergänzend heranziehen, dessen Innenausbau nach dem vom Nachlassgericht eingeholten und vom Beteiligten zu 2 insoweit nicht angezweifelten Sachverständigengutachten weitgehend noch aussteht.

b) Ohne Erfolg macht der Beteiligte zu 2 geltend, dass ihm am 12.4.1984 ein Alleinerbschein ohne Nacherbenvermerk mit Zustimmung des Beteiligten zu 1 erteilt worden ist und er deshalb nicht davon ausgegangen sei, dass die Nichteinhaltung der Dreijahresfrist für den von der Erblasserin angeordneten Hausbau unter der Sanktion der Nacherbfolge stehe. Mit Eintritt des - hier durch Nichteinhaltung der Bauverpflichtung (§ 2075 BGB) ausgelösten - Nacherbfalls geht die Erbschaft in ihrem durch § 2111 BGB bestimmten Umfang als Ganzes auf den Nacherben über (§ 2139 BGB). Dieser wird nunmehr Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben. Die Änderung der dinglichen Rechtslage (§ 1922 BGB) tritt unabhängig vom Wissen und Wollen des Vor- und Nacherben ein (vgl. Staudinger/Avenarius BGB [2003] § 2139 Rn. 1, 2). Der gute Glaube des Beteiligten zu 2 an seine Vollerbenstellung ändert nichts am dinglichen Rechtsübergang an den Beteiligten zu 1 zum Zeitpunkt des Nacherbfalls. Inwieweit der Beteiligte zu 2 wegen seines guten Glaubens im Hinblick auf Haftungsmaßstab und Verfügungsbefugnis geschützt ist (vgl. § 2131, § 2140 BGB), bedarf hier keiner Klärung. Auf der anderen Seite hat auch das Verhalten des Beteiligten zu 1 keinen Einfluss auf den dinglichen Rechtsübergang. Auch wenn dieser zunächst seine im Testament vom 16.8.1983 angeordnete Nacherbenstellung nicht erkannt oder geltend gemacht hat, kann er seine darin begründete Rechtsstellung nicht mehr durch Verzicht oder Verwirkung verlieren; auch kann seinem nunmehrigen Erbscheinsantrag nicht ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 1922 Rn. 6).

c) Das Landgericht hat sich nicht dazu geäußert, ob in dem vom Nachlassgericht angekündigten Vorbescheid zugunsten des Beteiligten zu 1 ein Nacherbenvermerk gemäß § 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB aufzunehmen ist. Es ist davon auszugehen, dass es die Auffassung des Nachlassgerichts stillschweigend gebilligt hat, nach der der Beteiligte zu 1 nicht - wie der Beteiligte zu 2 - Vorerbe geworden ist. Das Nachlassgericht hat die Testamentsklausel "in diesem Fall soll er den Hof ... an ... (Beteiligter zu 1) für einen seiner Söhne, und zwar für den charaktervollsten, tüchtigsten, geeignetsten, überlassen ..." zu Recht aufgrund der Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB für unwirksam gehalten. Nach dieser Vorschrift ist es dem Erblasser unter anderem verwehrt, die Bestimmung der Person des Erben einem anderen zu überlassen. Der Erblasser muss den Bedachten nicht unbedingt namentlich, aber doch so konkret bezeichnen, dass er anhand des Inhalts der letztwilligen Verfügung gegebenenfalls unter Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände zuverlässig so festgestellt werden kann, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist (vgl. Palandt/Edenhofer § 2065 Rn. 7). Zu Recht hat das Nachlassgericht die dem Beteiligten zu 1 auferlegte Auswahl unter seinen drei Söhnen nach den unbestimmten Begriffen "charaktervollster, tüchtigster und geeignetster" als zu unbestimmt und dem freien Ermessen der Auswahlperson unterfallend und daher als unwirksam angesehen. Es durfte dabei davon ausgehen, dass die Unwirksamkeit dieser Klausel nicht die Wirksamkeit der Nacherbenregelung im Übrigen beeinträchtigt. Da es der Erblasserin auf den Fortbestand und die Aufwärtsentwicklung des Hofanwesens für die folgenden Generationen angekommen ist und sie ihre Überzeugung von der Schaffenskraft des Beteiligten zu 1 im Testament ausgedrückt hat, ist anzunehmen, dass die Erblasserin ihre letztwillige Verfügung auch ohne die unwirksame Regelung getroffen hätte (§ 2085 BGB).

d) In dem zu erteilenden Erbschein ist der Zeitpunkt des Nacherbfalls anzugeben (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1332; Palandt/Edenhofer § 2363 Rn. 10).

3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst; die Kostenfolge ergibt sich insoweit unmittelbar aus dem Gesetz. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 2 die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für einen dem Nacherben zu erteilenden Erbschein ist grundsätzlich nach dem für den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge zu ermittelnden Wert des an den Nacherben gelangten Teils des Nachlasses zu ermitteln (vgl. BayObLGZ 1995, 109/112). Der Senat schätzt diesen Wert, ausgehend von einem Reinnachlasswert von 941.817 DM (Nachlassverzeichnis vom 22.11.1983) unter der Annahme einer bis dahin eingetretenen Wertminderung auf 400.000 EUR (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO). Auf diesen Betrag war von Amts wegen die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren abzuändern.

Ende der Entscheidung

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