Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 49/01
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 8 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 9 Abs. 1
BRAGO § 10
Zur Frage, wie hoch der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren zu bemessen ist, wenn es umie Einziehung des Erbscheins geht.
Gründe:

I.

Die Erblasserin hinterließ ein notarielles Testament vom 14.11.1990, nach dem die Beteiligten zu 3 bis 5 nach dem ersatzlosen Wegfall eines weiteren Erben jeweils zu 1/5 Erben geworden wären, in dem aber die Beteiligte zu 1 nicht bedacht ist. Mit privatschriftlichem Testament vom 24.4.1993 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ein. Der Reinnachlass beträgt DM 3664366,--.

Die Beteiligte zu 1 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin der Erblasserin aufgrund des Testaments vom 24.4.1993 ausweist. Mit Vorbescheid vom 18.7.1997 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines dem Antrag der Beteiligten zu 1 entsprechenden Erbscheins an. Hiergegen legten die Beteiligten zu 3 bis 5 Beschwerde ein, mit der sie geltend machten, die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments vom 24.4.1993 nicht testierfähig gewesen; die Erbfolge richte sich nach dem Testament vom 14.11.1990, nach dem sie jeweils Miterben zu 1/5 geworden seien. Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 3.8.1999 zurück. Das Nachlassgericht erteilte der Beteiligten zu 1 am 17.8.1999 den beantragten Erbschein. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 bis 5 hob der Senat am 19.4.2000 die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Nach weiterer Beweisaufnahme wies das Landgericht mit Beschluss vom 19.2.2001 die Beschwerde der Beteiligten zu 3 bis 5 erneut zurück und setzte den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entsprechend dem Wert des von ihnen insgesamt beanspruchten 3/5-Anteils am Nachlass auf DM 2185420,-- fest.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 beantragten, den Gegenstandswert ihrer anwaltschaftlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren auf DM 3664.366,-- festzusetzen. Ihre Tätigkeit für die Beteiligte zu 1 sei nicht darauf beschränkt gewesen, die Ansprüche der Beteiligten zu 3 bis 5 auf 3/5 des Nachlassvermögens zurückzuweisen, vielmehr habe sie sich auch darauf bezogen, der Beteiligten zu 1 den Gesamtnachlass als Alleinerbin zu erhalten. Mit Beschluss vom 7.9.2001 wies das Landgericht diesen Antrag zurück. Gegen diese nach dem 11.9.2001 zugestellte Entscheidung legten die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 mit Schriftsatz vom 24.9.2001, eingegangen am selben Tag, Beschwerde ein mit dem Antrag, den Gegenstandswert für ihre Tätigkeit im Beschwerdeverfahren auf DM 3664366,-- festzusetzen.

II.

1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 ist zulässig. Gegen die Ablehnung der gesonderten Geschäftswertfestsetzung für die Gebühren der anwaltlichen Tätigkeit (§ 10 Abs. 1 BRAGO) ist die befristete Beschwerde nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BRAGO zulässig. Zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht berufen (vgl. BayObLGZ 1985, 489/490). Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 10 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 BRAGO). Die Beschwerdeberechtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 folgt aus ihrem Antragsrecht (§ 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BRAGO). Der Beschwerdewert übersteigt die Beschwerdesumme von DM 100,-- (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO), die sich hier aus der Differenz der Anwaltsgebühren aus dem festgesetzten Geschäftswert und dem erstrebten Geschäftswert ergibt (vgl. BayObLGZ 1994, 374/375; Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 138, § 31 Rn. 58).

2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bestimmt sich in gerichtlichen Verfahren der Wert, der für die Anwaltsgebühren maßgebend ist, grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der Wert für die Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzt, so ist die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (§ 9 Abs. 1 BRAGO).

Der in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 BRAGO enthaltene Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die gerichtliche Tätigkeit, für welche die Gebühren festgesetzt worden sind, in Bezug auf den Verfahrensgegenstand mit derjenigen des Rechtsanwalts übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, kann das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig festsetzen (§ 10 Abs. 1, Abs. 2 BRAGO). Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung behandelten Fälle gesonderter Wertfestsetzung in Erbscheins- und Erbscheinseinziehungsverfahren beziehen sich darauf, dass die Erbschaft nicht insgesamt, sondern nur zu einem bestimmten Anteil in Anspruch genommen wurde (BGH NJW 1968, 2334; BayObLGZ 1969, 163/165; Rpfleger 1979, 434; JurBüro 1982, 1510/1511).

b) Das Landgericht hat den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 auf gesonderte Festsetzung des Gegenstandswerts zu Recht abgelehnt, weil jedenfalls im Rahmen des Beschwerdeverfahrens der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Gegenstandswert mit dem übereinstimmt, der den Rechtsanwaltsgebühren der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 zugrunde zu legen ist.

aa) Das mit der Beschwerde verfolgte Interesse der Beteiligten zu 3 bis 5 war auf die Anerkennung eines 3/5-Miterbenanteils aufgrund des Testaments vom 14.11.1990 gerichtet. Obwohl die Beschwerdeführer nur 3/5 des Nachlasses beansprucht haben, waren sie, um ihr Beschwerdeziel zu erreichen, gehalten, insgesamt die Einziehung des Erbscheins vom 17.8.1999 zu beantragen. Eine Abänderung des Erbscheins ist nämlich nicht möglich. § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht nur die Einziehung des Erbscheins als (eine) Voraussetzung für die Erteilung eines neuen Erbscheins vor. Weil in diesem Fall die Einziehung des Erbscheins nur ein Schritt auf dem Weg zur Erteilung eines weiteren (neuen) Erbscheins ist, bleibt im ersten Rechtszug gemäß § 108 Satz 3 KostO die Gebühr für die Einziehung eines Erbscheins außer Ansatz, wenn in demselben Verfahren ein neuer Erbschein erteilt wird (Hartmann Kostengesetze 30. Aufl. § 108 KostO Rn. 2; zur Heranziehung der in der KostO enthaltenen besonderen Vorschriften für die Wertfestsetzung im ersten Rechtszug im Rechtsmittelverfahren BayObLGZ 1993, 115/117 m. w. N.). Im Hinblick darauf hat das Landgericht den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren zutreffend auf DM 2182420,-- festgesetzt (3/5 aus DM 3664366,--).

bb) Dieser Geschäftswert ist auch, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, gemäß § 9 Abs. 1 BRAGO für die Rechtsanwaltsgebühren der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 maßgebend. Das Interesse der Beteiligten zu 1 war auf das Scheitern des Beschwerdeziels der Beteiligten zu 3 bis 5, nämlich der Anerkennung eines 3/5-Miterbenanteils, gerichtet. Dabei handelt es sich um das im Beschwerdeverfahren maßgebliche unmittelbare Interesse der Beteiligten zu 1. Dass es aus ihrer Sicht auch darum geht, die Einziehung des Erbscheins zu verhindern und die im Erbschein vom 17.8.1999 ausgewiesene Alleinerbenstellung zu verteidigen, liegt an der Besonderheit des Einziehungsverfahrens, nach der ein neuer Erbschein nur über den Weg der Einziehung des im selben Verfahren anders lautend ausgestellten Erbscheins erlangt werden kann. Das ändert aber nichts daran, dass Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 die Abwehr des Beschwerdebegehrens der Beteiligten zu 3 bis 5 war, so dass dieses auch den Gegenstandswert ihrer Tätigkeit bestimmt.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, § 25 Abs. 4 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück