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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 52/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1908e
Dem Fürsorgeverein steht keine Vergütung zu, wenn einer seiner Mitarbeiter persönlich zum Vormund eines Minderjährigen bestellt wird.
Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 31.8.2000 bestimmte das Amtsgericht Kelheim einen Diplom-Sozialpädagogen (FH) als Mitarbeiter des Beteiligten zu 1, eines Vereins, dem nach § 54 SGB VIII die Erlaubnis zum Führen von Vormundschaften erteilt worden ist, zum Vormund für drei minderjährige Kinder. Die Mündel sind mittellos.

Der Beteiligte zu 1 beantragte mit Schreiben vom 26.9.2000 die Festsetzung einer pauschalen Vergütung in Höhe von 5400,-- DM für die Dauer eines Jahres, beginnend mit dem 1.9.2000. Diesem Antrag ist der Beteiligte zu 2 durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht unter Hinweis auf § 1836 Abs. 4 BGB entgegengetreten; die Regelung, dass der Verein für einen Mitarbeiter Vergütung beanspruchen könne, gelte nur im Betreuungsverfahren.

Mit Beschluss vom 28.12.2001 wies das Amtsgericht den Vergütungsantrag zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 11.3.2002 zurückgewiesen. Gegen diese ihm am 19.3.2002 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner am 2.4.2002 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt (§ 56g Abs. 5 Satz 2, §§ 27, 29 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG).

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 1836 Abs. 4 BGB könne eine Vergütung nur einem Einzelvormund, nicht aber einem Verein als Vormund bewilligt werden. § 1908e Abs. 1 BGB, wonach bei Bestellung eines Vereinsbetreuers der Verein selbst Vorschuss, Ersatz für Aufwendungen und Vergütung verlangen könne, sei nicht entsprechend anwendbar. Es handle sich um eine Sondervorschrift für Vereinsbetreuer. Während für Vereinsbetreuer durch ausdrückliche gesetzliche Regelung ein spezielles Abrechnungsverfahren geschaffen worden sei, gebe es im Vormundschaftsrecht für als Einzelpersonen zum Vormund eines Minderjährigen bestellte Mitarbeiter von Vereinen und Behörden, keine solche gesetzliche Regelung. Auch wenn es von Verfassungs wegen geboten sei, die Leistung des Vormunds zu vergüten, habe dies nicht im Wege einer entsprechenden Anwendung des § 1908e BGB durch eine Vergütung an den Verein zu erfolgen, da dem der klare Wortlaut des § 1836 Abs. 4 BGB entgegenstehe. Der als Vormund bestellte Mitarbeiter des Vereins könne seine Vergütung selbst geltend machen, soweit die Voraussetzungen des § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB vorliegen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Das seit 1.1.1992 geltende Betreuungsrecht hat mit § 1897 Abs. 2 BGB für den Bereich der Betreuung den neuen Typus des als Einzelperson zum Betreuer bestellten Mitarbeiters eines Vereins ("Vereinsbetreuer") und für diesen in § 1908e BGB ein eigenes spezifisches Abrechnungssystem geschaffen. Danach kann der Verein für den bei ihm angestellten Mitarbeiter eine Vergütung geltend machen (§ 1908e Abs. 1 Satz 1 BGB); dagegen steht dem Mitarbeiter selbst kein Anspruch auf Vergütung zu (§ 1908e Abs. 2 BGB).

Der neu geschaffene Typus des Vereinsbetreuers wurde in dem nach Inkrafttreten des Betreuungsrechts nur noch für Minderjährige geltenden Vormundschaftsrecht nicht eingeführt (vgl. Bienwald FamRZ 2000, 415). Zwar kann gemäß § 1791a BGB ein rechtsfähiger Verein zum Vormund bestellt werden; in diesem Falle kann jedoch gemäß § 1836 Abs. 4 BGB dem Verein keine Vergütung bewilligt werden. Dagegen ist das Rechtsinstitut eines Vereinsmitarbeiters als "Vereinsvormund" in Anlehnung an den in § 1897 Abs. 2 BGB statuierten Typus des "Vereinsbetreuers" dem Gesetz fremd.

Dies hat auch die Unanwendbarkeit der Vergütungsregelung des § 1908e BGB bei Mitarbeitern von Vereinen, die persönlich zum Vormund eines Minderjährigen bestellt worden sind, zur Folge. Das Gesetz enthält keine Vorschrift, die in diesen Fällen entgegen § 1836 Abs. 4 BGB dazu führen könnte, dem Verein selbst entsprechend § 1908e Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Vergütung zuzubilligen. Anders als bei der Bestellung von Verfahrenspflegern für minderjährige Kinder sowie Betroffene in Betreuungs- und Unterbringungssachen, bei der durch die Verweisungen in §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3, 70b Abs. 1 Satz 3 FGG die entsprechende Anwendung des § 1908e BGB angeordnet ist, ist bei der Bestellung eines Vormunds für Minderjährige, die entsprechende Anwendung des § 1908e BGB nicht vorgesehen.

b) Eine entsprechende Anwendung des § 1908e BGB ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2000, 414) entschieden, dass die Vorenthaltung jeglicher angemessener Entschädigung für die Wahrnehmung einer Verfahrenspflegschaft gemäß § 67 FGG durch einen Mitarbeiter eines Betreuungsvereins, der bei diesem beschäftigt ist, eine übermäßige, durch keine Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit darstelle und auch mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus jedoch nicht hergeleitet, dass eine analoge Anwendung des § 1908e BGB und somit die Begründung eines unmittelbaren Vergütungsanspruchs des Vereins zwingend sei. Die verfassungsrechtlich gebotene angemessene Vergütung kann dem Bundesverfassungsgericht zufolge auch dadurch gewährt werden, dass unmittelbar dem Mitarbeiter des Vereins, der in Ausübung seines Berufs die Vormundschaft übernommen hat, ein Anspruch auf Vergütung zuerkannt wird.

Ein solcher unmittelbarer Anspruch des Vereinsmitarbeiters als Vormund ist hier gegeben, wenn er die Vormundschaft berufsmäßig führt (§ 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB). Berufsmäßige Ausführung der Vormundschaft liegt zunächst dann vor, wenn die in § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB genannten Kriterien der Zahl oder des Zeitaufwands gegeben sind. Doch sind diese Kriterien - wie bereits die gesetzliche Formulierung "im Regelfall" zeigt - keine ausschließlichen. Nach der Rechtsprechung zu § 1836 BGB a.F. war dann von einer berufsmäßigen Ausübung im Sinne dieser Vorschrift auszugehen, wenn eine Gesamtbetrachtung der ausgeführten Tätigkeiten zu dem Ergebnis führt, diese seien nur im Rahmen einer Berufstätigkeit zu erwarten, es handle sich nicht mehr um die Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten (vgl. BVerfGE 54, 251/271; BayObLGZ 1995, 332/333; 1997, 243/245). Diese Grundsätze gelten auch für die nunmehr geltende Fassung des § 1836 BGB (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 556/557; Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1836 Rn. 5; Zimmermann FamRZ 2001, 1401/1402). Wenn wie hier ein Mitarbeiter eines Fürsorgevereins Vormundschaften für minderjährige Kinder führt, die nicht seinem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis angehören, drängt sich die Annahme berufsmäßigen Handelns geradezu auf. Da nach den vom Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2000, 414) aufgestellten Grundsätzen eine vergütungsfreie Tätigkeit nicht in Betracht kommt und im Ergebnis entweder dem Verein oder dem Mitarbeiter des Vereins eine Vergütung zuzubilligen ist, liegt es jedenfalls näher, § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass dem zum Vormund bestellten Mitarbeiter ein Vergütungsanspruch zusteht, als im Wege der analogen Anwendung des § 1908e BGB dem Verein dadurch einen Vergütungsanspruch zuzubilligen, dass ein im Gesetz nicht vorgesehener "Vereinsvormund" statuiert wird. In welcher Weise der Vergütungsanspruch des Vereinsmitarbeiters zwischen diesem und dem Verein abgerechnet wird, bleibt deren internen Vereinbarungen überlassen (vgl. hierzu für den Fall des Pflegers: Zimmermann FamRZ 2001, 1401).

c) Das OLG Köln (FamRZ 2001, 1400) hat in einem Falle, in dem ein Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungs- und Vormundschaftsvereins persönlich zum Pfleger eines minderjährigen Betroffenen mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungsrecht bestellt worden war, sowohl eine Liquidationsmöglichkeit des Vereinsmitarbeiters nach §§ 1835 ff. BGB als auch eine entsprechende Anwendung des § 1908e BGB für möglich gehalten, jedoch dem letztgenannten Weg den Vorzug gegeben. Gleichwohl bedarf es keiner Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG. Die Entscheidung des OLG Köln betraf nicht die Bestellung eines Vereinsmitarbeiters zum Vormund, somit einen anderen Sachverhalt. Außerdem hat das OLG Köln zur Begründung der entsprechenden Anwendung des § 1908e BGB die für die Bestellung eines Pflegers geltenden Verweisungen in §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3, 70b Abs. 1 Satz 3 FGG herangezogen. Für die anders gelagerte Bestellung eines Vormunds fehlt aber eine auf § 1908e BGB verweisende gesetzliche Vorschrift.

3. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass. Den Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde setzt der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO dem Interesse des Beschwerdeführers entsprechend auf 2760,98 EUR (5400,-- DM) fest.



Ende der Entscheidung

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