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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 57/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 12
BGB § 1981 Abs. 2
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen auf Antrag eines Nachlassgläubigers die Nachlassverwaltung angeordnet werden kann.
Beschluss 1Z BR 57/01 13.03.02

Gründe:

I.

Der Erblasser ist aufgrund Verfügung von Todes wegen von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Eltern des Erblassers. Sie haben als Pflichtteilsberechtigte gegen die Beteiligte zu 1 Ansprüche geltend gemacht.

Der Erblasser hinterließ einen umfangreichen Nachlass mit Aktiva und Passiva in Höhe von jeweils mehreren Millionen DM. Genauer Umfang und Wert des Nachlasses sind derzeit noch ungeklärt.

Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten mit Schriftsatz vom 17.8.2001 im Hinblick auf ihre Forderungen gegen den Nachlass die Anordnung der Nachlassverwaltung, weil die Befriedigung der Gesamtheit der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass im Sinne des § 19811 Abs. 2 BGB gefährdet sei. Dem ist die Beteiligte zu 1 entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 19.9.2001 ordnete das Amtsgericht die Nachlassverwaltung an und wählte den Beteiligten zu 4 als Nachlassverwalter aus. Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung lägen nicht vor.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 23.l1.2001 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22, 27, 29, 76 Abs. 2 FGG) und auch sachlich begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Beteiligten zu 2 und 3 seien als Nachlassgläubiger antragsberechtigt und hätten den Antrag auf Nachlassverwaltung innerhalb der 2-Jahres-Frist des § 1981 Abs. 2 BGB gestellt. Bei Anordnung der Nachlassverwaltung habe Grund zu der Annahme bestanden, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten der Beteiligten zu 1 gefährdet werde. Die Aktiva und Passiva des Nachlasses ließen sich nach dem von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Nachlassinventar nicht genau beziffern. Es fehlten Wertangaben zu Gemälden und Bildern. Zu den Verkehrswerten der Immobilien seien nur Zirkabeträge angegeben. Der Wert von Einrichtungsgegenständen und Schmuck sei von der Beteiligten zu 1 lediglich ohne nähere Beschreibung geschätzt worden, so dass eine Wertermittlung durch die Gläubiger nicht möglich sei. Forderungen gegenüber früheren Mandanten des Erblassers seien nicht in das Nachlassinventar eingestellt. Bei den Verbindlichkeiten fände sich in Anlage M (V) des Nachlassinventars die Angabe "zzgl. Verb. in unbek. Höhe". All dies lasse auf Gleichgültigkeit der Beteiligten zu 1 schließen und befürchten, dass die Befriedigung sämtlicher Nachlassgläubiger gefährdet sei.

Die im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Behauptung der Beteiligten zu 1, es seien steuerlich relevante Unterlagen beschlagnahmt worden, stehe der Annahme von Gleichgültigkeit nicht entgegen. Zum einen lasse sich derartiges nicht aus dem Nachlassinventar entnehmen, zum anderen betreffe diese Behauptung nur die Angabe "zzgl. Verb. in unbek. Höhe", erkläre jedoch nicht die weiteren Unvollständigkeiten des Nachlassinventars.

Die Beteiligte zu 1 sei mit Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 1.6.2001 verurteilt worden, den Beteiligten zu 2 und 3 über den Bestand des Nachlasses des Erblassers Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines durch einen Notar aufzunehmenden Verzeichnisses und den Wert der in dieses Verzeichnis aufzunehmenden Grundstücke, Kunstgegenstände und Firmenbeteiligungen durch Sachverständigengutachten zu ermitteln und diese Gutachten vorzulegen. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Nachlassverwaltung sei die Beteiligte zu 1 ihrer Verpflichtung aus diesem Teilanerkenntnisurteil in bezug auf die Gutachten nicht nachgekommen. Es sei irrelevant, dass die Sachverständigen von der Beteiligten zu 1 noch vor Zustellung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 19.9.2001 beauftragt worden seien.

Die Annahme einer Gefährdung der Befriedigung sämtlicher Nachlassgläubiger ergebe sich schließlich aus der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen K. Danach habe dieser für die Beteiligte zu 1 Gegenstände aus dem Nachlass, wie einen Computer, Goldmünzen, einige Bilder und eine Damenarmbanduhr verkauft.

Die Gefährdung habe auch nicht durch die von der Beteiligten zu l angebotene Sicherheitsleistung beseitigt werden können, da ein bloßes Erbieten dazu nicht ausreiche.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) nicht stand.

a) Das Landgericht ist bei seinen Erwägungen zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung auf Antrag eines Nachlassgläubigers in § 1981 Abs. 2 BGB festgelegt sind. Danach ist die Nachlassverwaltung anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird.

b) Die Frage, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung vorliegen, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Gericht der weiteren Beschwerde hat die Entscheidung der Tatsacheninstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf Rechtsfehlern beruht (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO n.F.), insbesondere ob das Tatsachengericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat. Von solchen Rechtsfehlern ist die angefochtene Entscheidung nicht frei.

Das Landgericht hat die Anordnung der Nachlassverwaltung allein damit begründet, dass Grund zu der Annahme bestehe, die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass werde durch das Verhalten der Beteiligten zu 1 gefährdet. Die weit überwiegende Mehrheit der hierfür vom Landgericht angeführten Gründe stützt diese Annahme jedoch nicht.

aa) Die Annahme des Landgerichts, bereits fehlende oder lediglich auf Schätzung beruhende Angaben zum Wert von Nachlassgegenständen und die unzureichende Beschreibung einzelner Nachlassgegenstände im Nachlassinventar lasse auf Gleichgültigkeit der Beteiligten zu 1 schließen, ist nicht ohne weiteres gerechtfertigt. § 2001 Abs. 2 BGB, wonach das Inventar solche Angaben enthalten soll, ist eine reine Ordnungsvorschrift (Palandt/Edenhofer BGB 61. Aufl. § 2001 Rn. 1). Die Nichtbefolgung einer solchen Ordnungsvorschrift bei Erstellung des Nachlassinventars vermag ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Annahme einer Gefährdung der Nachlassgläubiger nicht zu begründen. Auch die Feststellung des Landgerichts, dass die Beteiligte zu 1 der ihr mit Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 1.6.2001 auferlegten Verpflichtung, den Wert der zum Bestand des Nachlasses gehörenden Grundstücke, Kunstgegenstände und Firmenbeteiligungen durch Sachverständigengutachten zu ermitteln und diese Gutachten vorzulegen, zum Zeitpunkt der Anordnung der Nachlassverwaltung durch das Amtsgericht am 19.9.2001 noch nicht nachgekommen war, begründet im Hinblick auf den mit der Auswahl und Beauftragung der Sachverständigen und der Erstellung der Gutachten verbundenen Zeitbedarf nicht ohne weiteres die Annahme einer Gläubigergefährdung, zumal das Landgericht festgestellt hat, dass die Beteiligte zu 1 die entsprechenden Sachverständigen noch vor Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses tatsächlich beauftragt hat. Im übrigen durfte das Landgericht aus dem Verhalten der Beteiligten zu 1 bei der Erteilung der Gutachtensaufträge nicht auf deren Gleichgültigkeit schließen, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass die Beteiligte zu 1 sich bereits wenige Tage nach dem Teilanerkenntnisurteil vom 1.6.2001 gemäß dem von ihr vorgelegten Schreiben ihrer anwaltschaftlichen Vertreter vom 7.6.2001 an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 und 3 gewandt und unter Hinweis auf die zu erwartenden Kosten der Gutachten insbesondere gebeten hat mitzuteilen, ob an einer einvernehmlichen Grundstücksbewertung mitgewirkt werde und ob Einverständnis damit bestehe, dass die zum Nachlass gehörenden Wohnungen nicht jeweils einzeln sondern lediglich objektweise begutachtet würden, so dass pro Immobilienobjekt nur eine Wohnung mit Erstreckung auf die anderen Wohnungen zu begutachten wäre. Nach dem Sachvortrag der Beteiligten zu 1 ist das Schreiben vom 7.6.2001 von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 und 3 erst mit Schreiben vom 7.8.2001 abschlägig und verbunden mit der Forderung, auf den Pflichtteilsanspruch der Beteiligten zu 2 und 3 bis 10.8.2001 einen Betrag in Höhe 1,5 Millionen DM zu zahlen, beantwortet worden. Es bedarf daher weiterer Klärung, ob der tatsächliche Ablauf der Wertermittlung des Nachlasses durch Gutachten die Annahme einer Gläubigergefährdung durch das Verhalten der Beteiligten zu 1 rechtfertigt.

bb) Auch der im Beschluss des Landgerichts wiedergegebene Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen K., er habe für die Beteiligte zu 1 Goldmünzen, einen Computer, Bilder und eine Uhr aus dem Nachlass verkauft und ca. 10000 DM erlöst, war nicht geeignet, dem Landgericht genügenden Anlass zu der Annahme einer Gefährdung der Nachlassgläubiger zu geben, da solche Gegenstände weitgehend im Nachlassinventar in den Anlagen E und G aufgeführt sind und die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin bis zur Anordnung der Nachlassverwaltung keinen Verfügungsbeschränkungen in bezug auf den Nachlass unterlag. Es hätte daher näherer Erläuterung durch das Landgericht bedurft, warum allein der verkauf dieser im Verhältnis zum Gesamtnachlass nicht besonders wertvollen Gegenstände eine Gläubigergefährdung darstellen konnte.

Mit dem in bezug auf eine Gläubigergefährdung möglicherweise weit relevanteren Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen K., wonach die Beteiligte zu 1 mehrere Bankschließfächer des Erblassers entleert und den Inhalt im Wert von mehreren 100000 DM an sich genommen habe, hat sich das Landgericht nicht befasst. Dieses Vorbringen, auf das sich die Beteiligten zu 2 und 3 gestützt haben, wird das Landgericht noch zu würdigen und im Rahmen der Ermittlungspflicht nach § 12 FGG auch dem den Inhalt der Erklärung des Zeugen K. bestreitenden Vorbringen und den gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen K. vorgebrachten Argumenten und Beweisangeboten der Beteiligten zu 1 nachzugehen haben.

cc) Die im Nachlassinventar enthaltene Angabe "zzgl. Verb. in unbek. Höhe" hat das Landgericht ohne nähere Begründung als Beleg für die Gleichgültigkeit der Beteiligten zu 1 herangezogen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der wie hier in einem umfangreichen Nachlassinventar an die detaillierte Aufstellung von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 2403569,52 DM angefügte Hinweis auf weitere Nachlassverbindlichkeiten in unbekannter Höhe geeignet sein kann, die Annahme einer Gleichgültigkeit des Erben zu begründen. Insoweit hätte das Landgericht sich damit auseinander setzen müssen, ob dieser Hinweis auf weitere Nachlassverbindlichkeiten in unbekannter Höhe nicht auch zugunsten der Beteiligten zu 1 als Beleg für deren Bestreben, nach Möglichkeit vollständige Angaben zu machen, gewertet werden könnte. Schließlich fehlt es auch an einer plausiblen Begründung des Landgerichts für seine Auffassung, Gleichgültigkeit der Beteiligten zu 1 sei anzunehmen, obwohl diese den Hinweis auf weitere Nachlassverbindlichkeiten in unbekannter Höhe mit der Beschlagnahme steuerlich relevanter Unterlagen erklärt habe.

dd) Schließlich hat das Landgericht zur Begründung seiner Annahme, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten der Beteiligten zu 1 gefährdet werde, noch angeführt, dass Forderungen gegenüber früheren Mandanten des Erblassers nicht in das Nachlassinventar eingestellt worden seien. Dabei hat sich das Landgericht weder mit der Höhe dieser Forderungen noch mit den dieser Lücke im Nachlassinventar zugrundelegenden Umständen auseinandergesetzt. Ohne nähere Feststellungen hierzu lässt sich die Annahme einer Gläubigergefährdung aber nicht begründen.

c) Insgesamt bleibt es im Ergebnis offen, ob das Landgericht, wenn es alle wesentlichen Umstände ermittelt und berücksichtigt hätte, hinsichtlich der Frage, ob die Befriedigung der Gläubiger aus dem Nachlass bei Anordnung der Nachlassverwaltung gefährdet war, zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Da das Gericht der weiteren Beschwerde die notwendigen weiteren tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, muss die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden.

3. Für das weitere Verfahren ist anzumerken, dass die Befriedigung von Nachlassgläubigern sowohl durch das Verhalten als auch durch die Vermögenslage der Erben im Sinne des § 1981 Abs. 2 Satz 1 BGB gefährdet sein kann. Falls die weiteren Feststellungen des Landgerichts ergeben sollten, dass die Beteiligte zu 1 durch ihr Verhalten zur Anordnung der Nachlassverwaltung keinen Anlass gegeben hat, wird sich das Landgericht infolgedessen auch mit der von den Beteiligten zu 1 bis 3 bereits kontrovers angesprochenen Frage zu befassen haben, ob wegen der Vermögenslage der Beteiligten zu 1 Anlass bestand, die Verwaltung des Nachlasses anzuordnen.

III

Gerichtskosten fallen, da die weitere Beschwerde Erfolg hat, nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO).

Eine Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten unterbleibt; es ist der wieder mit der Sache befassten Vorinstanz überlassen, ob sie in ihrer neuerlichen Entscheidung nach § 13a Abs. 1 Satz i KostO von einer Auferlegung der Kosten der Beschwerdeverfahren absehen will oder ob sie, weil dies der Billigkeit entspricht, die Kosten, die einem Beteiligten durch das gesamte Verfahren oder nur durch das Beschwerdeverfahren oder das Verfahren der weiteren Beschwerde entstanden sind, einem anderen Beteiligten auferlegen will (Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 36).

Für eine Festsetzung des Geschäftswerts der weiteren Beschwerde besteht daher kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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