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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.11.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 59/00
Rechtsgebiete: EGBGB, Genfer Flüchtlingskonvention
Vorschriften:
EGBGB Art. 11 Abs. 1 | |
EGBGB Art. 13 Abs. 1 | |
Genfer Flüchtlingskonvention Art. 12 Abs. 1 |
BayObLG Beschluß
LG Amberg 32 T 1367/99; AG Amberg 1 UR 4/99
28.11.00
BayObLGZ 2000 Nr. 72
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Rojahn am 28. November 2000 in der Personenstandssache Geburtenbuch des Standesamts Amberg
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 werden der Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 13. Oktober 1999 insgesamt und der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 10. März 2000 insoweit aufgehoben, als er die Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts Amberg zurückweist.
II. Der Standesbeamte wird angewiesen, der Beurkundung der Geburt des Kindes A zugrunde zu legen, dass die am 25.5.1998 in Hamadan (Iran) geschlossene Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 nach deutschem Recht wirksam ist.
III. Den Beteiligten zu 1 und 2 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe gewährt. Ihnen wird Rechtsanwalt R beigeordnet.
IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des geborenen Kindes, dessen Vaterschaft der Beteiligte zu 2 mit Zustimmung der Beteiligten zu 1 anerkannt hat. Das Verfahren betrifft die vom Standesbeamten der Beteiligten zu 3 einstweilen zurückgestellte Beurkundung der Geburt dieses Kindes.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind iranische Staatsangehörige und Muslime mit Wohnsitz in Deutschland. Die Beteiligte zu 1 ist Asylbewerberin, der Beteiligte zu 2 ist anerkannt als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention). Sie haben am 25.5.1998 in Hamadan (Iran) in der Weise geheiratet, dass die Ehe in Abwesenheit beider Brautleute durch eine bevollmächtigte dritte Person geschlossen wurde. Zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 einerseits und der Beteiligten zu 3 andererseits bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob diese Eheschließung nach deutschem Recht wirksam ist.
Die Beteiligten zu 1 und 2 begehren die Beurkundung der Geburt des Kindes als gemeinsames eheliches Kind, das als Geburtsnamen den Namen des Beteiligten zu 2 führt. Ihr entsprechender Antrag wurde vom Standesbeamten mit der Begründung abgelehnt, dass sie zum Zeitpunkt der Geburt nach deutschem Recht nicht wirksam verheiratet waren. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 PStG hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.10.1999 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.3.2000 zurückgewiesen und zugleich die beantragte Prozeßkostenhilfe versagt. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihr Ziel weiter.
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist zulässig (§ 49 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 i.V.m. § 20 FGG). Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Beschwerdegerichts und des Amtsgerichts sowie zur Anweisung an den Standesbeamten, der Beurkundung der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, dass die Eheschließung der Beteiligten zu 1 und 2 auch nach deutschem Recht wirksam ist.
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die im Hinblick auf die iranische Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 1 und 2 zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben und das deutsche Verfahrensrecht anzuwenden ist. Es geht um die Eintragung der Geburt im deutschen Geburtenbuch; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 1995, 238/240).
2. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf Beurkundung der Geburt des Kindes als gemeinsames eheliches Kind, das den Namen des Beteiligten zu 2 führt; strittig zwischen den Beteiligten ist aber nur die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung der Beteiligten zu 1 und 2. Der Standesbeamte hat die beantragte Amtshandlung allein mit der Begründung abgelehnt, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nach deutschem Recht nicht wirksam miteinander verheiratet waren. Bei dieser Sachlage kann sich der Senat auf die Entscheidung der streitigen Rechtsfrage der Wirksamkeit der Ehe beschränken; die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Beurkundung obliegt dem Standesbeamten.
3. Die Vorinstanzen haben die Wirksamkeit der Ehe im wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Der Beteiligte zu 2 unterliege als anerkannter Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention nicht mehr seinem Heimatrecht, sondern deutschem Recht. Dieses sehe eine Eheschließung durch Bevollmächtigung einer dritten Person nicht vor. Eine nach deutschem Recht wirksame Eheschließung könne gemäß Art. 11. Abs. 1 EGBGB nur dann gegeben sein, wenn die im Iran geschlossene Ehe hinsichtlich der Formerfordernisse iranischem Recht (Ortsrecht) entspreche. Das iranische Recht (Art. 1071 ff. des iranischen ZGB) lasse zwar die Stellvertretung beider Partner bei der Eheschließung zu, dem auch Weisungen hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten erteilt werden könnten. Nach iranischem Recht könne der Bevollmächtigte aber von diesen Weisungen abweichen mit der Folge, dass die Eheschließung bis zur endgültigen Genehmigung durch den Vollmachtgeber schwebend unwirksam bleibe. Hierdurch werde dem Bevollmächtigten ein Recht zur Stellvertretung im willen eingeräumt. Eine derart gestaltete gesetzliche Regelung der Stellvertretung könne nicht mehr nur als bloße Formvorschrift qualifiziert werden. Sie gehöre in den Bereich der inhaltlichen Voraussetzungen einer Ehe, auf welche Art. 11 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden sei.
4. Der zutreffende rechtliche Ausgangspunkt der Vorinstanzen berücksichtigt bei der Anwendung des § 11 Abs. 1 EGBGB nicht hinreichend den konkreten Sachverhalt. Im vorliegenden Fall lag nämlich gerade keine Stellvertretung im Willen vor. Gemäß § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in der Sache aufzuheben.
a) Zutreffend gehen das Amtsgericht und ihm folgend das Beschwerdegericht davon aus, dass bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer im Ausland in Abwesenheit eines oder beider Partner durch eine bevollmächtigte dritte Person geschlossenen Ehe zwischen einer Stellvertretung in der Erklärung und einer Stellvertretung im Willen zu unterscheiden ist. Bei der Stellvertretung in der Erklärung hat die Mittelsperson nur die vom Vertretenen vorgegebene Konsenserklärung vor dem Trauungsorgan abzugeben, ohne eigene Entscheidungsfreiheit über die Partnerwahl. Diese Art der Eheschließung wird als Formfrage qualifiziert (sog. Handschuhehe, BGHZ 29, 137; OLG Karlsruhe StAZ 1994, 286; OLG Hamm StAZ 1986, 134; OLG Bremen IPRspr. 1974 Nr. 51; MünchKomm/Coester 3. Aufl. EGBGB Art. 13 Rn. 112 m.w.N. Fußn. 540). Sie ist nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB formgültig, wenn sie entweder dem Geschäftsrecht (Heimatrecht der Verlobten gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB) oder den Vorschriften des Ortes der Eheschließung entsprochen hat. Anders verhält es sich bei einer Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter aufgrund umfassender Generalvollmacht auch das Recht auf Wahl des Ehepartners einräumt. Sie ist als Sachvoraussetzung nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen, der auf das Heimatrecht der verlobten verweist (BGHZ 29, 137/140 obiter; Staudinger/von Bar/Mankowski EGBGB Art. 13 Rn. 218 ff.; MünchKomm/Coester Art. 13 Rn. 32; Palandt/Heldrich EGBGB 59. Aufl. Art. 13 Rn. 10; Henrich Internationales Familienrecht § 1 III 4).
b) Die Vorinstanzen haben zutreffend deutsches Recht angewendet, da für den als Flüchtling anerkannten Beteiligten zu 2 an die Stelle seines Heimatrechts das Recht seines Wohnsitzes tritt (Art. 12 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention). Dieser Statutenwechsel fand vor der Eheschließung statt. Ergänzend ist zu bemerken, dass damit auch eine Anwendung von Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 ausscheidet, wonach Iraner in Deutschland in einer Angelegenheit des Personen-, Familien- und Erbrechts dem iranischen Recht unterworfen bleiben. Denn dieses Abkommen gilt nur, wenn die an dem Rechtsverhältnis Beteiligten dasselbe Personalstatut haben; hier aber richtet sich nur das Personalstatut der Beteiligten zu 1 nach iranischem Recht, während der Beteiligte zu 2 gemäß Art. 12 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention in Angelegenheiten des Personalstatuts dem Recht der Bundesrepublik Deutschland als Recht seines Wohnsitzlandes unterworfen ist. Die Genfer Flüchtlingskonvention geht insoweit der kollisionsrechtlichen Regelung des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vor (vgl. BGH FamRZ 1990, 31/32; LG München I FamRZ 1997, 1354; Palandt/Heldrich Anh. zu EGBGB Art. 5 Rn. 20).
c) Wie die Vorinstanzen festgestellt haben, läßt das Recht der Islamischen Republik Iran eine Vertretung bei der Eheschließung zu, und zwar auch in der Weise, dass der Beauftragte über die Person. des anderen Ehegatten entscheidet (Art. 1071 ff. iranisches Zivilgesetzbuch bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran). Der Beauftragte kann auch von Weisungen des Auftraggebers hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten abweichen mit der Folge, dass die Gültigkeit der Eheschließung von der Genehmigung durch den Auftraggeber abhängt (Art. 1073 ZGB). Mit dieser Feststellung und der Schlußfolgerung, dass das iranische Recht eine Stellvertretung im Willen zuläßt, durften sich die Vorinstanzen indes hier nicht begnügen. Das iranische Recht lässt es jedenfalls auch zu, dass die Vollmacht konkrete Weisungen hinsichtlich der Person des anderen Ehegatten enthält und dass der Beauftragte von dieser Vollmacht tatsächlich nur in einer dem Willen des Vollmachtgebers entsprechenden Weise Gebrauch macht. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, die Erteilung und den Gebrauch der Vollmacht der Form des Rechtsgeschäfts zuzurechnen (KG OLGZ 1973, 435/439; zustimmend Staudinger/von Bar/Mankowski Rn. 221).
So liegt der Fall hier. Aus den abgegebenen Erklärungen und den vorgelegten amtlichen Urkunden nebst beglaubigten Übersetzungen ergibt sich, dass die Beteiligten zu 1 und 2 einander heiraten wollten und dass die Ehe zwischen ihnen geschlossen wurde. Dem entsprach es auch, dass die bevollmächtigte Person von beiden Ehebewerbern zugleich beauftragt war, sie bei der Eheschließung zu vertreten. Die von ihnen erteilte Vollmacht räumte keinerlei Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Auswahl der Ehegatten ein. Die Beteiligten zu 1 und 2 wurden vor dem zuständigen Trauungsorgan im Iran nur in der Erklärung, nicht aber im Willen vertreten. Es findet mithin Art. 11 Abs. 1 EGBGB Anwendung. Dabei kommt es nicht darauf an, wo die Vollmacht ausgestellt wurde; Vornahmeort im Sinne des Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist allein der Ort, wo die Trauungszeremonie stattfand (BGHZ 29, 137/146). Die im Iran nach dortigem Recht formgültig geschlossene Ehe ist gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB auch nach deutschem Recht wirksam.
d) Art. 6 EGBGB (ordre public) steht der Anerkennung der im Iran formrichtig geschlossenen Handschuhehe nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung könnte nur eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, die Unwirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht zur Folge haben. Eine solche Unvereinbarkeit liegt bei der bloßen Stellvertretung in der Erklärung nicht vor (vgl. BC7HZ 29, 137/147).
Das gefundene Ergebnis kommt im übrigen dem Postulat der internationalen Entscheidungsharmonie entgegen und vermeidet eine sog. "hinkende" (d.h. nur vom Recht eines Partners anerkannte) Ehe. Es entspricht dem Bestreben des deutschen Rechts - wie es etwa in Art. 13 Abs. 2 EGBGB seinen Niederschlag gefunden hat -, Eheschließungen weitestgehend zu ermöglichen. Es verhilft dem gemeinsamen Kind zur Stellung eines Kindes von miteinander verheirateten Eltern. Schließlich geht es im vorliegenden Fall um zwei Personen iranischer Staatsangehörigkeit, von denen eine zwar aufgrund ihres Flüchtlingsstatus in Fragen des Personalstatuts dem deutschen Recht als Recht ihres Wohnsitzlandes unterworfen ist, was jedoch nichts an ihrer iranischen Staatsangehörigkeit ändert. In der Gesamtschau ist kein Grund ersichtlich, warum die deutsche Rechtsordnung dieser auf eigener freier Willensentscheidung der Partner beruhenden, im Iran durch Vertretung in der Erklärung nach dortigem Recht formgültig geschlossenen Ehe die Anerkennung versagen sollte.
5. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist somit aufzuheben, soweit das Landgericht die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts zurückweist. Die Aufhebung erfaßt nicht die Zurückweisung des Prozeßkostenhilfegesuchs durch das Landgericht; diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. BayObLGZ 1991, 414) und nicht angefochten. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts, die auf dem gleichen Rechtsfehler beruht, unterliegt der Aufhebung. Der Standesbeamte hat nunmehr die Beurkundung der Geburt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu prüfen. Soweit die Beurkundung als "eheliches Kind" begehrt wird, ist auf die durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 zum 1.7.1998 in Kraft getretene Rechtsänderung hinzuweisen.
6. Den Beteiligten zu 1 und 2 ist gemäß § 14 FGG, §§ 114, 119, 121 ZPO Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
7. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlaß. Die Festsetzung des Geschäftswerts des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus § 31 Abs. 1, § 131 Abs. 2, § 30 KostO.
Ende der Entscheidung
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