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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.08.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 66/02
Rechtsgebiete: BGB, KostO


Vorschriften:

BGB § 2247 Abs. 1
KostO § 107
Zur Frage der Gültigkeit eines Testaments, wenn die Testamentsurkunde nicht unterschrieben ist, jedoch auf dem die Testamentsurkunde enthaltenden verschlossenen Briefumschlag der Namenszug des Erblassers neben dem handschriftlichen Vermerk "Testament" angebracht ist.
Gründe:

I.

Die im 87. Lebensjahr am 1.5.2000 verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Am 22.6.1990 wurde für sie eine Gebrechlichkeitspflegschaft gemäß § 1910 BGB a.F. angeordnet und der Beteiligte zu 2, der Rechtsanwalt ist, zum Pfleger und später zum Betreuer bestellt. Im Jahr 1995 wurde der Beteiligte zu 2 von diesem Amt entbunden und die Beteiligte zu 1 zur Betreuerin bestellt. Diese ist die Nichte der Erblasserin und als nächste noch lebende Verwandte gesetzliche Alleinerbin. Auf ihren Antrag hat das Nachlassgericht am 28.6.2000 einen entsprechenden Erbschein erteilt.

Unter dem 1.10.1992 hatte die Erblasserin folgendes handschriftliche - allerdings nicht unterschriebene - Testament verfasst:

"Testament

Vermächtnis:

Schwester Anna: DM 2000,-Albert und Josefine DM 8000,- Anni 1)M 1000,- pro Monat Hannelore u. Söhne je 2000,- jeweils nur persönlich

Erbe: Rechtsanwalt... (= Beteiligter zu 2).

1.10.1992"

Nach Angabe des Beteiligten zu 2 sei die Erblasserin mit diesem zu Hause erstellten Schriftstück in seiner Kanzlei erschienen und habe - ohne den Inhalt des Schriftstücks bekannt zu geben - einen DIN A 5 Umschlag verlangt und erhalten. In diesen habe sie das Schriftstück eingesteckt, den Umschlag zugeklebt und auf dessen Rückseite vermerkt:

"Testament ... (= Erblasserin)"

Anschließend habe die Erblasserin den so beschrifteten Umschlag ihm, dem Beteiligten zu 2, zur Verwahrung in einem Banksafe übergeben und ihm erklärt, sie habe ihn zum Erben eingesetzt. Am 16.8.1996 hat der Beteiligte zu 2 den Umschlag in amtliche Verwahrung gegeben.

Am 5.4.2001 hat der Beteiligte zu 2 beantragt, den der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein vom 28.6.2000 einzuziehen und ihm einen Erbschein als Alleinerben der Erblasserin auszustellen. Diese Anträge hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 10.4.2001 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht nach persönlicher Anhörung des Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 9.4.2002 unter Festsetzung eines Gegenstandswertes von 618061 EUR zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 in der Hauptsache weitere Beschwerde und gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts Beschwerde eingelegt.

II.

1. Die Rechtsmittel sind zulässig. Soweit sich der Beteiligte zu 2 gegen die Entscheidung des Landgerichts in der Hauptsache wendet, ist die nicht fristgebundene weitere Beschwerde gemäß § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO statthaft; sie ist auch im übrigen zulässig, insbesondere in der gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG erforderlichen Form eingelegt worden. Da der Beteiligte zu 2 selbst Rechtsanwalt ist, genügt seine Unterschrift unter die Beschwerdeschrift; der Beiziehung eines anderen Rechtsanwalts hat es nicht bedurft (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 29 Rn. 15 a. E. m. w. N.). Auch das Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Beschwerdewerts ist als zulassungsfreie und unbefristete Erstbeschwerde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 KostO statthaft; zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht berufen (§ 14 Abs. 5 Satz 2 KostO; vgl. BayObLGZ 1986, 489/490 m. w. N.). Die Beschwerde ist auch im übrigen zulässig; vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 KostO. Die Rechtsmittel haben aber in der Sache keinen Erfolg.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 im Testament vom 1.10.1992 steht der im Erbschein vom 28.6.2000 bescheinigten gesetzlichen Erbfolge der Erblasserin durch die Beteiligte zu 1 nicht entgegen, weil die letztwillige Verfügung vom 1.10.1992 entgegen § 2247 Abs. 1 BGB nicht von der Erblasserin unterschrieben und damit unwirksam sei. Der Namenszug der Erblasserin auf dem Briefumschlag schließe nicht den Text des inliegenden Schriftstückes ab, sondern gewinne selbständige Bedeutung als Kennzeichnung des Briefumschlaginhalts. Hierfür spreche, dass der Testamentstext nur etwa die Hälfte des im DIN A 4 Format gehaltenen Schriftstücks umfasse und die Erblasserin genügend Platz für ihre Unterschrift auf den Papier gehabt hätte. Die auf den Umschlag befindlichen Worte hätten nur der Identifizierung des Umschlaginhaltes gedient, weil die Erblasserin den verschlossenen Umschlag nicht etwa bei - sich aufbewahrt, sondern dem Beteiligten zu 2 zur Verwahrung in einem Bankschließfach übergeben habe. Auch die Platzierung des Namenszuges auf der Rückseite des Umschlages spreche dagegen, dass er die äußere Fortsetzung und Abschluss der einliegenden Erklärung sei.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Es geht zutreffend davon aus, dass der die gesetzliche Erbfolge der Erblasserin durch die Beteiligte zu 1 bezeugende Erbschein vom 28.6.2000 richtig ist, weil die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 im Testament der Erblasserin vom 1.1.1992 mangels Unterschrift im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB unwirksam ist (§ 125 Abs. 1 BGB).

a) Nach § 2247 Abs. 1 BGB ist die Unterschrift des Erblassers beim eigenhändigen Testament notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung. Sie garantiert die ernsthafte und die abschließende Willensbildung des Erblassers. Die Unterschrift muss Abschluss der Testamentserrichtung sein, so dass sie grundsätzlich an den Schluss der Urkunde gehört (BGHZ 113, 38/54; BayObLG NJW-RR 1991, 11222, OLG Celle NJW 1996, 2238, OLG Hamm Report 2001, 367/368; Palandt/Edenhofer BGB 61. Aufl. § 2247 Rn. 13; Staudinger/Potte BGB (1996) § 2247 Rn. 93).

Allerdings ist anerkannt, dass die Unterschrift ihrer Abschlussfunktion ausnahmsweise auch genügen kann, wenn sie auf dem Testamentsumschlag angebracht ist (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 1211/1212). Es muss mit dem Testament ein so enger Zusammenhang bestehen, dass sich die Unterschrift auf dem Umschlag nach dem Willen des Erblassers und der Verkehrsauffassung als äußere Fortsetzung und Anschluss der in der Testamentsurkunde verkörperten Erklärung in dem Sinne darstellt, dass der Umschlag als letztes Blatt der Testamentsurkunde die abschließende Unterschrift trägt (BayObLGZ 1982, 132/133 m. w. N., BayObLG FamRZ 1988, 1211/1212). Umschlag und Inhalt bilden allerdings nicht ohne weiteres ein unteilbares Ganzes. Ein innerer Zusammenhang zwischen Testamentsinhalt und Namensunterschrift auf dem Umschlag besteht insbesondere dann nicht, wenn sich die Aufschrift auf dem Umschlag lediglich als Absendervermerk oder als Schutzmaßnahme gegen Einsicht durch fremde Personen oder als Kennzeichnung des Inhalts erweist (vgl. OLG Hamm Report 2001, 367/369; Soergel/Harder BGB (1992) § 2247 Rn. 29).

Die Entscheidung der Frage, ob im Einzelfall eine Erklärung durch eine nicht auf der Urkunde selbst angebrachte Unterschrift gedeckt wird oder ob dieser eine vom Testamentsinhalt gelöste, eigenständige Bedeutung zukommt, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist vom Gericht der Tatsacheninstanz zu treffen. Dessen Würdigung ist für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich bindend, sofern es den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters müssen hierbei nicht zwingend sein; es genügt und ist mit der weiteren Beschwerde nicht mit Erfolg angreifbar, wenn der vom Tatrichter gezogene Schluss möglich ist, mögen auch andere Schlussfolgerungen denkbar sein (vgl. BGH FamRZ 1997, 411/412; BayObLG FamkZ 2000, 120/122).

b) Nach diesen Kriterien ist die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat entscheidend darauf abgestellt, dass der Umschlagsbeschriftung selbständige Bedeutung zukomme, weil diese der Kennzeichnung des Inhalts des Briefumschlages diene und deshalb der Unterschriftsfunktion im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB entgegenstehe. Die hierzu gezogenen Schlussfolgerungen des Landgerichts sind nicht nur möglich, wenn nicht naheliegend, weil die Erblasserin den Umschlag nicht bei ihren Sachen aufgehoben, sondern dem Beteiligten zu 2 als ihrem Betreuer zur Verwahrung in einem Bankschließfach übergeben hatte (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 1211/1212; OLG Hamm Report 2001, 367/369). Das Landgericht hat darüber hinaus zu Recht herangezogen, dass die Gestaltung des von der Erblasserin abgefassten, unterschriftslosen Testamentsblattes gegen die Bewertung der Umschlagsbeschriftung als äußere Fortsetzung und Abschluss der in der Testamentsurkunde verkörperten Erklärung spricht. Der von der Erblasserin verfasste Testamentstext umfasst nur etwa nur die Hälfte der im DIN A 4 Format gehaltenen Urkunde. Die Erblasserin war somit nicht gehalten, aus Platzgründen ihre Unterschrift auf den Umschlag zu setzen. Anders als bei einem vollgeschriebenen Blatt (vgl. OLG Celle NJW 1996, 2939; Palandt/Edenhofer § 2247 Rn. 13 m. w. N.) hatte die Erblasserin keinen äußeren Anlass, ihre letztwillige Verfügung auf dem Testamentsumschlag und nicht auf der Urkunde selbst durch ihre Unterschrift abzuschließen. Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr auf die Überlegung des Landgerichts an, ob der Umstand, dass die Beschriftung des Testamentsumschlages auf dessen Rückseite erfolgt ist, für eine Kennzeichnungsfunktion und gegen eine Abschlussfunktion der Unterschrift spricht.

Das Landgericht war nicht gehalten, gegenteilige Schlussfolgerungen aus der Behauptung des Beteiligten zu 2 zu ziehen, die Erblasserin habe ihm bei Übergabe des beschrifteten Umschlages eröffnet, sie habe ihn als Erben eingesetzt. Denn die Erblasserin hat diese Verfügung entgegen ihrer Erklärung nicht formgerecht verwirklicht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Erblasserin nur vergessen hat, ihren Namen unter den Text des Testaments vom 1.10.1992 zu setzen oder ob sie ganz bewusst unwirksam testieren wollte. Die Entscheidung des Landgerichts, das Testament sei ungültig, wird von der Feststellung getragen, die Beschriftung auf dem Testamentsumschlag könne nicht als Unterschrift im Sinne von § 2247 Abs. 1 BGB angesehen werden. Im Hinblick darauf hatte das Landgericht auch keinen Anlass, den sich aus der beigezogenen Betreuungsakte ergebenden Anhaltspunkten für die Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 1.10.1992 nachzugehen.

4. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren durch das Landgericht ist unbegründet. Gemäß § 131 Abs. 2 KostO richtet sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens nach § 30 KostO. Richtet sich das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers auf den gesamten Nachlass, so ist grundsätzlich vom Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls auszugehen (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO; BayObLG 1993, 115/117, st. Rspr.). Bei der Ermittlung des Reinnachlasses sind die Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Allerdings sind die Kosten der Nachlassabwicklung einschließlich der Erbschaftssteuer für den das Nachlassverfahren betreffenden Erbfall hierbei nicht abzuziehen. Die Erbschaftssteuer trifft den jeweiligen Erben als persönliche Belastung, die erst infolge des Erbanfalls entsteht (vgl. OLG Hamm RPfleger 1990, 462/463; Hartmann Kostengesetze 31. Aufl. § 107 KostO Rn. 12 "Erbschaftssteuer"; Göttlich/Mümmler KostO 14. Aufl. S. 336; Richtlinien der Bayerischen Bezirksrevisoren 2001 Nr. 290; a.A. OLG Köln FGPrax 2001, 169; Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 107 Rn. 28). Das Landgericht hat daher - ausgehend vom Nachlassverzeichnis - den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens zu Recht auf 618061 EUR festgesetzt. Dieser Wert ist auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde maßgeblich.

5. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst, weil sich aus dem Gesetz ergibt, wer diese Kosten zu tragen hat. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 2 die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Das Verfahren der Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Landgericht ist gebührenfrei. Kosten werden insoweit nicht erstattet (§ 31 Abs. 4 KostO).

Ende der Entscheidung

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