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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 66/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 2087 | |
BGB § 2088 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die ledige, kinderlose Erblasserin ist am 18.7.2003 im Alter von 59 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1 war ihr Lebensgefährte, der Beteiligte zu 2 ihr Bruder. Es liegt ein eigenhändiges Testament vom 5.7.2003 vor, das folgenden Wortlaut hat:
"Mein letzter Wille
Hiermit verfüge ich .... letztwillig:
Erben soll ... (Beteiligter zu 1) meine Wohnung mit Mobiliar ...
München, 5.7.2003
(Unterschrift)."
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus der im Testament genannten Eigentumswohnung, die die Erblasserin Anfang 2003 zum Preis von EURO 110.000,-- erworben hat, sowie aus Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von rund EURO 110.000,--.
Der Beteiligte zu 1 hat, gestützt auf das Testament vom 5.7.2003, die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.
Er hat darauf verwiesen, dass die Erblasserin ihn mit der Zuwendung der Wohnung zum alleinigen Erben habe einsetzen wollen, da nach ihrer Vorstellung zum Zeitpunkt ihres Todes diese den wesentlichen Vermögensgegenstand darstellen und das Kapitalvermögen weitgehend verbraucht sein sollte. Sie habe nämlich vorgehabt, mehrere Freundinnen und Verwandte noch zu Lebzeiten mit Geldzuwendungen zu bedenken. Wenige Tage vor ihrem Tod habe sie die Unterlagen für die Auflösung verschiedener Konten und die Überweisung von Geldbeträgen an Freunde vorbereitet, die Aufträge seien jedoch nicht mehr zur Ausführung gekommen, da sie erst nach dem Tod der Erblasserin der Bank vorgelegen hätten.
Der Beteiligte zu 2 hat einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Er ist der Auffassung, bei der Zuwendung der Wohnung an den Beteiligten zu 1 handele es sich um ein Vermächtnis, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Erblasserin habe in dem Testament nur über die Eigentumswohnung, nicht jedoch über ihr restliches Vermögen verfügen wollen; der Beteiligte zu 1 habe das Kapitalvermögen nicht erhalten sollen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16.2.2004 die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben ausweist. Zur Begründung wird ausgeführt, gemäß § 2087 Abs. 2 BGB stelle die Zuwendung der Wohnung ein Vermächtnis dar. Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 1 mit der Nachlassabwicklung befasst sein sollte. Die Erblasserin habe in dem Testament auch nicht über ihr gesamtes Vermögen verfügt.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 25.5.2004 den amtsgerichtlichen Vorbescheid aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.
Das Amtsgericht hat dem Beteiligten zu 1 am 17.6.2004 einen Erbschein als Alleinerben erteilt.
II.
Das zulässige - nunmehr auf die Einziehung des zwischenzeitlich erteilten Erbscheins gerichtete - Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das auslegungsbedürftige Testament vom 5.7.2003 sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben eingesetzt habe. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, nach der im Zweifel ein nur mit einem einzelnen Gegenstand Bedachter nicht als Erbe anzusehen sei, greife nicht ein, weil die Auslegung ergebe, dass die Erblasserin mit der Zuwendung der Wohnung an den Beteiligten zu 1 über das gesamte Vermögen verfügt habe, das nach ihrer Vorstellung bei ihrem Tod vorhanden sein würde. Schon der Wortlaut des Testaments spreche dafür, dass die Erblasserin die erst kurze Zeit zuvor erworbene Eigentumswohnung als wesentlichen Nachlassgegenstand angesehen habe. Nach den Aussagen der Zeuginnen habe die Erblasserin zu verstehen gegeben, dass der Beteiligte zu 2 nichts erben solle; vielmehr habe die Erblasserin im Hinblick auf den herannahenden Tod ihr Kapitalvermögen an ihre Freundinnen verteilen wollen und hierzu konkrete Vorbereitungen getroffen. Der Beteiligte zu 2 habe selbst bestätigt, der Erblasserin bei einem Besuch zwei Tage vor ihrem Tod wegen ihrer Absicht, Geld an Freundinnen zu verteilen, Vorhaltungen gemacht zu haben. Die Erblasserin habe ihm außerdem erklärt, dass die Eigentumswohnung der Beteiligte zu 1 bekäme. Ein von ihm zu seinen Gunsten mit einem Betrag von rund 15.000 EURO ausgefülltes und der Erblasserin an ihrem Todestag vorgelegtes Überweisungsformular habe die Erblasserin nicht unterschrieben. Nach den Angaben der Zeugin habe die Erblasserin dem Beteiligten zu 1 allenfalls einen Teil ihres im Übrigen an nahe stehenden Personen zu verteilenden Geldes überlassen wollen, nicht aber ihr - mit Ausnahme der Eigentumswohnung - gesamtes Vermögen im Wege gesetzlicher Erbfolge. Der Beteiligte zu 1 habe ebenfalls bestätigt, dass die Erblasserin ihr Kapitalvermögen weitgehend noch zu Lebzeiten verschenken wollte. Danach sei davon auszugehen, dass sie bereits bei Testamentserrichtung am 5.7.2003 dazu entschlossen war und sie mit der letztwilligen Verfügung umfassend über ihren voraussichtlichen Nachlass habe verfügen wollen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält er rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Das Landgericht hat zutreffend die letztwillige Verfügung vom 5.7.2003 als auslegungsbedürftig angesehen, weil ihrem Wortlaut nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob die Erblasserin den Beteiligten zu 1 zum Erben - allein oder neben einem gesetzlichen Erben - einsetzen oder ihm die Eigentumswohnung nur als Vermächtnis zuwenden wollte. Sie ist auch auslegungsfähig; ihr Wortlaut bietet die Grundlage für die Ermittlung des wirklichen Erblasserwillens.
b) Die Auslegung des Testaments durch das Landgericht ist für das Rechtsbeschwerdegericht verbindlich, sofern sie nicht auf Rechtsfehlern beruht. Die Überprüfung ist daher auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es darauf an, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften (§ 15 FGG) sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen und die Beweisanforderungen zu noch angesetzt oder vernachlässigt hat (BGHZ 121, 357/363; FGPrax 2000, 130; BayObLG FamRZ 1995, 1235/1236; NJW-FER 2000, 93; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42). Nach diesen Kriterien ist die Auslegung des Testaments vom 5.7.2003 durch das Landgericht nicht zu beanstanden.
aa) Die testamentarische Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist zwar gemäß § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Diese Auslegungsregel greift jedoch nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. So liegt es nahe, eine Person, der der Hauptnachlassgegenstand, insbesondere bei Zuwendung von Immobilien wie dem Hausgrundstück oder der Eigentumswohnung des Erblassers (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1177; 1392; NJW-RR 2000, 1174), zugewiesen ist, als Alleinerben anzusehen (BayObLG FamRZ 1999, 59). Denn die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstandes ist als Erbeinsetzung anzusehen, wenn der Nachlass dadurch im Wesentlichen erschöpft wird oder wenn der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 836; FamRZ 2004, 1233/1234). In einem solchen Fall ist in der Regel anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt hat, denn es kann nicht unterstellt werden, dass er überhaupt keinen Erben berufen wollte (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 862/864).
Maßgebend sind hierbei grundsätzlich die Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände gehabt hat (BGH FamRZ 19772, 563; BayObLG NJW-RR 1995, 1096; 1997, 517). Allerdings sind Änderungen in der Vermögenszusammensetzung oder Wertverschiebungen zu berücksichtigen, wenn der Erblasser sie bereits bei Testamentserrichtung in seine Überlegungen einbezogen hat, weil auch seine tatsächlichen Vorstellungen über die weitere Entwicklung seines Vermögens und die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses maßgeblich sind (BayObLG FamRZ 1995, 246/248).
Bei der Auslegung sind auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände heranzuziehen, die auf die Willensrichtung des Erblasses in diesem Zusammenhang schließen lassen, insbesondere auch eigene Äußerungen des Erblassers über den Inhalts seines Testaments (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 1278/1279).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Auslegung des Landgerichts, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 5.7.2003 bereits entschlossen gewesen, einen großen Teil ihres Kapitalvermögens noch zu Lebzeiten zu verschenken, und habe daher mit dem Testament umfassend über ihren voraussichtlichen Nachlass, nämlich die verbleibende Eigentumswohnung, verfügen wollen, nicht zu beanstanden. Danach ist der mit der Eigentumswohnung testamentarisch begünstigte Beteiligte zu 1 Alleinerbe geworden.
Mit der weiteren Beschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters nicht die einzig möglichen sind, oder dass auch andere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären (vgl. BGH FGPrax 2000, 130; BayObLG FamRZ 1995, 1235/1236; st. Rspr.).
(1) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Erblasserin sich bei Testamentserrichtung am 5.7.2003 über die Zusammensetzung ihres Vermögens und des Wertverhältnisses zwischen ihrer Eigentumswohnung und ihrem Geldvermögen im Klaren war und nur über die Eigentumswohnung letztwillig verfügt hat, nicht aber über das Geldvermögen. Das Landgericht hat nach den oben angeführten Grundsätzen geprüft, ob der Beteiligte zu 1 dadurch Alleinerbe geworden ist. Es hat dabei beachtet, dass gemäß § 2088 Abs. 1 BGB der Erblasser lediglich über einen Teil des Nachlasses verfügen und für den Rest gesetzliche Erbfolge eintreten lassen kann. Das Landgericht ist daher im Rahmen der Auslegung zutreffend nicht nur der Frage nachgegangen, ob der Erblasser den Bedachten durch die Zuwendung eines Einzelgegenstandes zum Erben einsetzen wollte, sondern auch, ob er ihn zum Alleinerben ohne Beschränkung auf einen Bruchteil und damit unter Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge für das Restvermögen einsetzen wollte (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 62/63; Palandt/Edenhofer BGH 63. Aufl. § 2088 Rn. 1).
(2) Das Landgericht hat bei der Beantwortung dieser Frage zutreffend die Vorstellungen der Erblasserin berücksichtigt, die sich auf die weitere Entwicklung ihres Vermögens und die voraussichtliche Zusammensetzung des Nachlasses bezogen haben (vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 581; FamRZ 1995, 246/248). Diese haben sich darauf erstreckt, dass im Zeitpunkt ihres Todes nur mehr die Eigentumswohnung in den Nachlass fallen würde, weil sie vorgehabt hatte, das Geldvermögen noch zu Lebzeiten unter ihren Freundinnen evtl. auch zugunsten des Beteiligten zu 2, zu verteilen. Im Hinblick auf diesen Plan hatte sie keinen Anlass, das Geldvermögen im Testament vom 5.3.2003 anzusprechen. Die Erblasserin hat allerdings ihr Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen können, weil sie schneller als von ihr erwartet verstorben ist. Dies ändert aber nichts daran, dass die Erblasserin bei Testamentserrichtung von der für dessen Auslegung maßgeblichen Vorstellung bestimmt war, dass im Zeitpunkt ihres Todes nur mehr die Eigentumswohnung als Hauptnachlassgegenstand vorhanden und der insoweit bedachte Beteiligte zu 1 ihr dann noch vorhandenes Vermögen allein erben soll. Diese Auslegung schließt die Anwendung des § 2088 Abs. 1 BGB aus, nach der bei Einsetzung nur eines Erben auf einen Bruchteil im Übrigen gesetzliche Erbfolge eintritt. Die Erblasserin hat den Beteiligten zu 1 im Testament vom 5.7.2003 nur scheinbar auf einen Bruchteil ihres Vermögens, nämlich der Eigentumswohnung, eingesetzt. Tatsächlich wollte sie mit der Zuwendung der Eigentumswohnung über ihr im Wesentlichen ganzes zum Todeszeitpunkt vorhandenes Vermögen verfügen, was den vom Landgericht gezogenen Schluss zulässt, der insoweit begünstigte Beteiligte zu 1 sei nach dem Willen der Erblasserin ihr Alleinerbe geworden.
cc) Die mit der weiteren Beschwerde vorgebrachten Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts greifen nicht durch. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen kann im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht nachgeprüft werden (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1469/1470). Auch kann die mit der weiteren Beschwerde vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Zeugin als neues Beweismittel in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 45 m.w.N.).
Das Landgericht hat durchaus die sich aus dem unterschiedlichen Informationsstand ergebenden Abweichungen in den Aussagen der Beteiligten und der Zeuginnen gewürdigt. Es hat aus den Angaben des Beteiligten zu 1 und auch den des Beteiligten zu 2 sowie aus den Aussagen der Zeuginnen als übereinstimmende Kernaussage abgeleitet, dass die Erblasserin ihr Geldvermögen zu Lebzeiten verteilen wollte. ... Das Landgericht durfte aufgrund der Beweisaufnahme auch die Überzeugung gewinnen, dass die Erblasserin schon bei Testamentserrichtung am 5.7.2003 von der Vorstellung bestimmt war, über ihr Geldvermögen noch zu Lebzeiten zu verfügen. ...
3. Für eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde besteht kein Anlass, da sich die Kostenfolge aus der Kostenordnung ergibt. Die Entscheidung über die Erstattung der Kosten des Beteiligten zu 1 durch den Beteiligten zu 2 beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse des Beteiligten zu 2 am Erfolg der weiteren Beschwerde auf 110.000 EURO festgesetzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO).
Ende der Entscheidung
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