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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 75/03
Rechtsgebiete: PStG


Vorschriften:

PStG § 20
PStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
PStG § 21 Abs. 1 Nr. 4
PStG § 45 Abs. 2
Anweisung des Amtsgerichts an den Standesbeamten, wegen Zweifeln an der Identität des Vaters die Eintragung eines Kindes in das Geburtenbuch vorläufig nicht vorzunehmen.
Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 reiste erstmals 1997 nach Deutschland ein und stellte am 19.8.1997 unter Vorlage eines irakischen Personalausweises auf den Namen A, geboren am 9.5.1968, beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag, der am 15.4.1998 abgelehnt wurde. Der Personalausweis wurde vom Bayerischen Landeskriminalamt auf seine Echtheit überprüft; Anhaltspunkte für eine Formularnachahmung oder Abänderung wurden nicht festgestellt. Bevor der Beteiligte zu 1 im Asylverfahren angehört werden konnte, war er bereits wieder ausgereist. Am 16.1.2001 reiste der Beteiligte zu 1 erneut nach Deutschland ein und stellte am 26.1.2001 unter dem Namen B, geboren am 5.6.1967, erneut Asylantrag. Bei seiner Anhörung am 16.3.2001 stritt er zunächst ab, mit dem Antragsteller vom 19.8.1997 identisch zu sein, räumte dies aber nach Vorhalt identischer Fingerabdrücke ein. Sein richtiger Name sei B. Hierzu legte er eine irakische Heiratsurkunde vor, die ihn unter diesem Namen und dem Geburtsdatum 5.6.1967 ausweist und die eine Eheschließung mit C unter dem Datum vom 20.1.1990 bezeugt. Das Bayerische Landeskriminalamt konnte die Echtheit der Urkunde wegen fehlender Vergleichsmaterialien nicht bestätigen. Unter dem in der Heiratsurkunde aufgeführten Namen wurde die angebliche Ehefrau mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 18.6.2001 als Flüchtling anerkannt. Ihre Aufenthaltsbefugnis erstreckt sich auch auf ihre drei zwischen 1993 und 1997 geborenen Kinder.

Am 18.3.2002 brachte die angebliche Ehefrau des Beteiligten zu 1 im Kreiskrankenhaus ein Mädchen zur Welt, das den Namen "X" erhalten sollte. Der Standesbeamte hat Zweifel an der Identität des Beteiligten zu 1 und legte die Sache mit Verfügung vom 4.10.2002 dem Amtsgericht zur Entscheidung darüber vor, mit welchem Namen und welchem Familiennamen der Eltern die Geburt des Kindes beurkundet werden solle. Der Beteiligte zu 1 gab unter dem 3.2.2003 eine eidesstattliche Versicherung ab, dass es sich bei dem Namen A um einen falschen Namen handle, der ihm bei seiner ersten Einreise neben den dazugehörigen Dokumenten von einem Schlepper gegeben worden sei. Mit Beschluss vom 4.6.2003 wies das Amtsgericht den Standesbeamten an, derzeit keine Beurkundung der Geburt des Kindes vorzunehmen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 wies das Landgericht mit Beschluss vom 20.8.2003 zurück. Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist statthaft (§ 49 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 FGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 29 Abs. 1, Abs. 4, § 20 FGG). Sie ist aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beurkundung der Geburt des Kindes "X" könne erst erfolgen, wenn die Personalien seiner Eltern feststünden. Im vorliegenden Fall stehe jedoch nicht fest, welchen Namen der Beteiligte zu 1 führe und ob er mit der Mutter des Kindes verheiratet sei. Die Angaben in dem vom Beteiligten zu 1 bei erster Einreise vorgelegten irakischen Personalausweis und in der bei der zweiten Einreise vorgelegten Heiratsurkunde widersprächen sich; ob eine dieser Urkunden gefälscht ist, könne nicht festgestellt werden. Angesichts des Verhaltens des Beteiligten zu 1 im Asylverfahren könne seiner eidesstattlichen Versicherung keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden. Weitere Erkenntnisquellen stünden derzeit nicht zur Verfügung.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Zutreffend sind die Vorinstanzen (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die im Hinblick auf die irakische Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 1 zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben und das deutsche Verfahrensrecht anzuwenden ist. Es geht um die von dem deutschen Standesbeamten vorzunehmende Eintragung in das Geburtenbuch; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 16 Satz 1 PStG).

b) Gegenstand der gemäß § 45 Abs. 2 PStG zulässigen Vorlage des Standesbeamten an das Amtsgericht ist die Frage, ob der Standesbeamte die gemäß § 18 PStG angezeigte Geburt des Kindes in das Geburtenbuch einzutragen hat oder wegen Zweifeln an der Identität der gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG einzutragenden Vor- und Familiennamen der Eltern sowie des daraus abzuleitenden Familiennamens des Kindes gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG verweigern darf. Die Anweisung des Amtsgerichts an den Standesbeamten, die Eintragung derzeit nicht vorzunehmen, stützt sich auf Zweifel an der Identität des Beteiligten zu 1. Ob im Übrigen eine Eintragung in das Geburtenbuch aufgrund des Umstands, dass die Person der Mutter des Kindes feststeht, vorzunehmen ist, war und ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Der Senat hat daher zur Klarstellung die vom Amtsgericht in seinem Beschluss vom 4.6.2003 formulierte Anweisung an den Standesbeamten neu gefasst.

Der Standesbeamte hat bislang nicht in Betracht gezogen, die Geburt des Kindes im Geburtenbuch allein aufgrund des Vor- und Familiennamens der Mutter unter einstweiliger Zurückstellung der Eintragung des Vor- und Familiennamens des Vaters vorzunehmen. Grundsätzlich fordert das Gesetz die unverzügliche Eintragung jeder Geburt. Die Zurückstellung der Eintragung wegen erst nach längeren Ermittlungen behebbaren Zweifeln an der Identität des Vaters rechtfertigt nicht, den Geburtenbucheintrag insgesamt zurückzustellen, wenn die Mutter des Kindes feststeht. Diese ist bislang nicht angehört worden; ihre Angaben im Asylverfahren sind nicht beigezogen worden. Bestehen an ihren Erklärungen keine durchgreifenden Zweifel, so ist auf ihrer Grundlage die Beurkundung der Geburt alsbald vorzunehmen (vgl. Hepting/Gaaz PStG 2003, § 20 Rn. 15, § 21 Rn. 42).

c) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Standesbeamte gemäß § 20 PStG verpflichtet ist, die Angaben über die zu beurkundende Geburt nachzuprüfen, wenn Anlass zu Zweifeln besteht. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG gehören hierzu die Eintragung der Vor- und Familiennamen der Eltern. Bestehen aufgrund bestimmter Tatsachen Bedenken gegen die behauptete Identität der Mutter oder des Vaters, hat der Standesbeamte entsprechende Ermittlungen vorzunehmen, z.B. gemäß § 25 PStV die Vorlage entsprechender Personenstandsurkunden zu verlangen (vgl. § 258 Abs. 1 DA). Der eindeutige Identitätsnachweis ist zur Vermeidung von Falschbeurkundungen erforderlich. Soweit Zweifel nicht oder in nicht angemessener Zeit geklärt werden können, muss der Standesbeamte die Beurkundung zurückstellen und eine Eintragung in das Verzeichnis der angezeigten, aber noch nicht in das Geburtenbuch eingetragenen Geburten vornehmen (§ 266 Abs. 1 DA).

d) Die Frage, ob die Identität des Beteiligten zu 1 geklärt ist, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur in beschränktem Umfang, nämlich nur auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1511). Die Nachprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob das Beschwerdegericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht hat, ob Vorschriften über die Beweisaufnahme oder sonstige Verfahrensvorschriften verletzt wurden und ob die Würdigung der verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen fehlerhaft ist (vgl. BayObLG Report 1999, 36).

Nach diesen Kriterien ist die Würdigung des Landgerichts, dass nach wie vor Zweifel an der Identität des Beteiligten zu 1 bestehen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die vom Landgericht aufgezeigten Umstände und aus den Akten ohne weiteres ersichtlichen Tatsachen lassen die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung auf das Bestehen solcher Zweifel zu. Der Inhalt des bei erster Einreise nach Deutschland im Jahr 1997 vorgelegten Ausweises und die Angaben des Beteiligten zu 1 nach zweiter Einreise im Jahr 2001 sowie der Inhalt der vorgelegten Heiratsurkunde widersprechen sich. Es ist unklar, welchen Namen der Beteiligte zu 1 zu Recht führt und ob er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. § 68a PStG verpflichtet jeden Beteiligten, die zur Führung des Geburtenbuchs erforderlichen Urkunden vorzulegen. Dazu hat sich der Beteiligte zu 1 nicht in der Lage gesehen. Weitere Erkenntnisquellen stehen derzeit nicht zur Verfügung. Ein Personenfeststellungsverfahren kann wegen Fehlens diplomatischer Verbindungen in den Irak derzeit nicht durchgeführt werden. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht der eidesstattlichen Erklärung des Beteiligten zu 1 im Hinblick auf die falschen Angaben in den ihn betreffenden Asylverfahren keine maßgebliche Bedeutung zugemessen.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wurde gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.



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