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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 84/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1960
BGB § 2365
Dafür, daß die Nachlasspflegschaft nach Erteilung eines Erbscheins aufgehoben ist, spricht regelmäßig die Vermutung des § 2365 BGB, da der Erbe schon wegen dieser Vermutung nicht unbekannt ist.
Gründe:

I.

Der am 26.10.1999 im Alter von 69 Jahren verstorbene Erblasser war geschieden, die Beteiligten zu 1 und 2 sind Söhne des Erblassers aus der geschiedenen Ehe; weitere Kinder hatte der Erblasser nicht.

Der Erblasser hat die Beteiligte zu 3 mit handschriftlichem Testament vom 30.7.1999 und mit weiterem notariell beurkundeten Testament vom 4.8.1999 zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Auf diese testamentarischen Verfügungen stützt die Beteiligte zu 3 ihre Annahme, Alleinerbin des Erblassers geworden zu sein. Dagegen sind die Beteiligten zu 1 und 2 der Auffassung, der Erblasser sei von ihnen aufgrund gesetzlicher Erbfolge je zur Hälfte beerbt worden, da der Erblasser bei Errichtung der Testamente vom 30.7.1999 und 4.8.1999 nicht mehr testierfähig gewesen sei. Entsprechende Erbscheinsanträge sind von den Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Beteiligten zu 3 gestellt worden.

In dem Erbscheinsverfahren kündigte das Nachlassgericht mit Vorbescheid vom 20.11.2000 die Erteilung eines Erbscheins an, demzufolge der Erblasser von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3 wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 19.6.2001, die gegen den landgerichtlichen Beschluss gerichtete weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wurde mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.11.2001 zurückgewiesen. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1 und 2 am 10.12.2001 den mit Vorbescheid vom 20.11.2000 angekündigten Erbschein erteilt.

Mit Schriftsatz vom 19.12.2001 reichte die Beteiligte zu 3 beim Landgericht Klage auf Feststellung ein, dass sie Alleinerbin des Erblassers geworden sei. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 19.12.2001 beantragte die Beteiligte zu 3 bei dem Nachlassgericht unter Hinweis auf die von ihr anhängig gemachte Feststellungsklage die Einziehung des Erbscheins vom 10.12.2001. Diesen Antrag hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 22.1.2002 zurückgewiesen.

Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.12.1999 war für die unbekannten Erben des Erblassers Nachlasspflegschaft angeordnet und der Beteiligte zu 4 zum Nachlasspfleger bestellt worden. Nach Erteilung des Erbscheins beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 mit Schriftsatz vom 20.12.2001 die Aufhebung der Nachlasspflegschaft. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 19.2.2002 zurück. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hob das Landgericht mit Beschluss vom 21.5.2002 den Beschluss des Nachlassgerichts auf und wies das Nachlassgericht an, die mit Beschluss vom 6.12.1999 angeordnete Nachlasspflegschaft aufzuheben. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 3 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Gegen den Beschluss, der die Anordnung der Nachlasspflegschaft aufhebt, gibt § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG i.V.m. § 75 FGG die Beschwerdeberechtigung jedem, der ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hat. Die Beteiligte zu 3 ist danach beschwerdeberechtigt, da sie sich in einem zivilrechtlichen Feststellungsrechtsstreit einer Alleinerbenstellung in bezug auf den Erblasser berühmt; als Erbprätendentin kann sie geltend machen, weiterhin ein Bedürfnis an der Sicherung des Nachlasses durch Nachlasspflegschaft zu haben.

2. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 Abs. 1 und 2 BGB seien nach dem Ergebnis des Erbscheinsverfahrens nicht mehr gegeben. Die Erben des Erblassers seien nunmehr bekannt und durch den erteilten Erbschein richtig ausgewiesen. Diese Überzeugung des Beschwerdegerichts gründe sich auf die im Erbscheinsverfahren getätigten Ermittlungen, die nicht erschüttert seien. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der inzwischen erhobenen Feststellungsklage. Zwar werde rechtsverbindliche Klarheit zwischen den streitenden Erbprätendenten darüber, wer von ihnen als Erbe anzusehen sei, nur im Feststellungsrechtsstreit geschaffen, da das in diesem Rechtsstreit ergehende Urteil zwischen den Parteien (§ 325 ZPO) in Rechtskraft erwachse, während der Erbschein nur die Vermutung begründe, dass demjenigen, welcher in ihm als Erbe bezeichnet sei, das darin ausgewiesene Erbrecht zustehe (§ 2365 BGB). Im Verfahren über die Anordnung bzw. Beendigung der Nachlasspflegschaft könne jedoch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Rechtshängigkeit einer solchen Feststellungsklage begründet werden, dass die Erben nicht feststünden. Solange ein rechtskräftiges Urteil des Zivilgerichts nicht vorliege, habe das Nachlassgericht bzw. an seiner Stelle das Beschwerdegericht nach eigener Überzeugung zu entscheiden, ob es einen den Beteiligten als Erben ansehe. Nicht letzte Sicherheit sei erforderlich, um den Erben als bekannt im Sinne von § 1960 BGB anzusehen, vielmehr sei auch schon eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür ausreichend, dass eine bestimmte Person als Erbe anzusehen sei. Im Feststellungsrechtsstreit habe die Beteiligte zu 3 als dortige Klägerin nichts wesentlich Neues zur Begründung des von ihr beanspruchten testamentarischen Erbrechts angeführt und das Vorbringen wiederholt, dem bereits im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nachgegangen worden sei. Auch die Möglichkeit des Auftretens luzider Intervalle und die damit zusammenhängenden Beweislastfragen seien bereits im Erbscheinsverfahren erörtert worden. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung seien nicht gegeben. Nach der in keiner Weise erschütterten Überzeugung der Beschwerdekammer seien die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben anzusehen, weshalb aus der Sicht (des Gerichts die Erben nicht unbekannt seien, so dass die Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft kein Raum sei.

3. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Das Landgericht geht davon aus, dass die Erben nicht unbekannt, vielmehr in den Personen der Beteiligten zu 1 und 2, der Söhne des Erblassers, bekannt seien. Dieser Annahme liegt kein Rechtsverstoß zugrunde.

a) Das Landgericht musste nicht schon deshalb von einer Ungewissheit der Erben ausgehen, weil nach Abschluss des Erbscheinsverfahrens zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 nunmehr von der Beteiligten zu 3 Klage auf Feststellung ihres Erbrechts erhoben worden ist. Das Nachlassgericht wäre zwar für und gegen die Beteiligten durch ein rechtskräftiges Urteil des Zivilgerichts gebunden (§ 325 ZPO), hat aber, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die bei Anordnung bzw. Aufhebung der Nachlasspflegschaft zu erörternde Vorfrage, ob es einen Beteiligten als Erben ansehen will, nach eigener Überzeugung zu entscheiden (BayObLGZ 1960, 405/407).

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Landgericht aufgrund selbständiger Prüfung unter Würdigung der im Erbscheinsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und des Vorbringens der Beteiligten zu 3 im Feststellungsrechtsstreit dargelegt, dass nach seiner Überzeugung der Erblasser von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden und daher nicht von einer Ungewissheit der Erben auszugehen sei. Dies lässt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats vom 22.11.2001 keine Rechtsfehler erkennen.

Die Beurteilung der Rechtslage steht auch im Einklang mit der Vermutung des § 2365 BGB. Das Nachlassgericht hat den von der Beteiligten zu 3 nach Einreichung ihrer Feststellungsklage gestellten Antrag auf Einziehung des den Beteiligten zu 1 und 2 erteilten Erbscheins abgelehnt. Bei dieser Sachlage ist der Erbe schon wegen der Vermutung des § 2365 BGB nicht unbekannt (BayObLGZ 19C2, 299/307; Staudinger/Marotzke BGB (2000) § 1960 Rn. 11; MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 1960 Rn. 12).

4. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst, da sich aus dem Gesetz ergibt, wer diese zu tragen hat. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

5. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf 77000 EUR festgesetzt (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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