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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 84/04
Rechtsgebiete: PStG, PStV
Vorschriften:
PStG § 20 | |
PStG § 21 Abs. 1 | |
PStV § 25 |
2. Eine Eintragung des Vaters im Geburtenbuch hat zu unterbleiben, solange die Rechtsstellung als Vater nicht nachgewiesen ist, weil weder eine Urkunde über die angebliche Heirat mit der Mutter noch ein Vaterschaftsanerkenntnis vorliegt.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 hat am 10.6.2001 ein Mädchen A und am 25.2.2003 einen Jungen B geboren. Sie hat angegeben, weißrussische Staatsangehörige zu sein und 1999 mit dem Beteiligten zu 2 in Minsk die Ehe geschlossen zu haben. In der Geburtsanzeige haben die Beteiligten zu 1 und 2 ihre Personalien wie in dem erfolglosen Asylverfahren und in der vom Ausländeramt ausgestellten Duldung angegeben. Heirats- und Geburtsurkunden oder Ausweispapiere haben sie nicht vorgelegt. Die weißrussischen Behörden haben auf Anfrage des Ausländeramtes mitgeteilt, die angegebenen Personalien seien nicht bekannt, die Identität der Beteiligten zu 1 und 2 sowie ihre weißrussische Staatsbürgerschaft könnten deshalb nicht festgestellt werden.
Das Standesamt hat die Beurkundung der Geburten zurückgestellt und die Akten dem Amtsgericht gemäß § 45 Abs. 2 PStG zur Entscheidung darüber vorgelegt, wie die Eintragung der Geburt zu erfolgen habe. Mit Beschluss vom 29.7.2003 hat das Amtsgericht entschieden, dass die Geburtsbeurkundung von A, geboren am 10.6.2001, und B, geboren am 25.2.2003, in der Weise erfolgen könne, dass die Beteiligte zu 1 als Mutter mit dem Zusatz "unter dem Namen..." eingetragen werde; die Eintragung eines Familiennamens der Kinder und des Beteiligten zu 1 als Vater könne nicht erfolgen.
Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 3, die Standesamtsaufsicht, mit dem Ziel der Aufhebung sofortige Beschwerde ein. Sie wies insbesondere darauf hin, dass der entsprechend den Vorgaben des Amtsgerichts zu erstellende Geburtseintrag "unbrauchbar" sei, da das Kind keinen Geburtsnamen erhalte. Es sei vorzuziehen, bei der Erstellung des Geburtseintrags die Identität der Eltern zu Grunde zu legen, unter der sie in Deutschland bei den Behörden bekannt seien und die sich aus der Duldung ergäben.
Am 20.1.2004 hat das ukrainische Konsulat für die Beteiligten zu 1 und 2 Heimreisepapiere ausgestellt, die beide als ukrainische Staatsangehörige mit unterschiedlichen Familiennamen ausweisen; Familienname, Geburtstag und Geburtsort weichen jeweils von den Eigenangaben der Beteiligen zu 1 und 2 gegenüber den deutschen Behörden ab. In dem für die Beteiligte zu 2 ausgestellten Heimreisedokument sind die Kinder aufgenommen. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind mit den beiden Kindern am 29.1.2004 in die Ukraine ausgereist. Eine Vaterschaftsanerkennung durch den Beteiligten zu 2 ist entgegen seiner Ankündigung vor der Ausreise nicht erfolgt.
Die Beteiligte zu 3 hat die Beschwerde aufrechterhalten, um zu klären, wie die Geburtsbeurkundung nach Vorlage der ukrainischen Ausreisepapiere erfolgen müsse.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.7.2004 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 3 mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie erstrebt eine obergerichtliche Entscheidung der Frage, wie in Fällen nicht nachgewiesener Identität der Eltern der Geburtseintrag zu fassen sei, und vertritt nun die Auffassung, der Geburtseintrag sei wie folgt zu fassen: "Eine Frau, die eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung), ausgestellt von der Stadt N. auf die Namen ..., besitzt, Krankenschwester, wohnhaft in ... hat am 10.6.2001 um ... in N. ein Mädchen geboren. Das Kind hat den Vornamen A erhalten und führt noch keinen Familiennamen."
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 45 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen.
2. Das Landgericht hat ausgeführt, es erscheine nicht gerechtfertigt, den Kindern einen möglichen urkundlichen Nachweis ihrer Abstammung insgesamt zu verwehren, weil Identitäts- und Namensführung seiner Mutter ungeklärt seien. Ließen sich einzelne Tatsachen nicht feststellen, so sei die Beurkundung gleichwohl vorzunehmen, wobei in Kauf zu nehmen sei, dass der Eintrag unvollständig bleibe. In den Geburtseintrag könnten auf Grund der Geburtsanzeigen des Krankenhauses unproblematisch aufgenommen werden die Angaben über Ort, Tag und Stunde der Geburt und das Geschlecht des Kindes. Da die Namensführung der Mutter nicht nachgewiesen sei, dürfe sie keinesfalls in der Weise in den Geburtseintrag übernommen werden, dass sich an den Eintrag die Beweiskraft des § 60 Abs. 1 PStG anschließen könne. Es sei durch einen klarstellenden Zusatz zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei den aufgenommenen Namen um nicht überprüfte Eigenbezeichnungen handle, die lediglich als Hilfsmittel zur Identifizierung der betroffenen Personen dienten. Eine Geburtseintragung sei unter diesen Umständen nur dahin möglich, dass die Mutter "unter den Namen ... am ... ein Kind geboren hat" einschließlich des angezeigten Vornamens. Eine Eintragung des Vaters komme nicht in Betracht. Eine wirksame Vaterschaftsanerkennung sei ohnehin noch nicht erfolgt. Auch ein Randvermerk hätte den Namen des Kindsvaters zu enthalten. Ein Randvermerk sei jedoch nur mit einem Namen möglich, dessen Identifizierung zuverlässig feststehe. Das sei nicht der Fall.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 45 Abs. 1, § 49 Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand. Die Vorinstanzen gehen im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die Eintragung des Beteiligten zu 2 als Vater im Geburtenbuch - sei es im Geburtseintrag oder in einem Randvermerk - nicht vorgenommen werden kann. Unzutreffend ist jedoch die ohne nähere Begründung durch den landgerichtlichen Beschluss bestätigte Auffassung des Amtsgerichts, es sei kein Familienname in den Geburtseintrag aufzunehmen. Ferner hat das Landgericht bei der Entscheidung nicht berücksichtigt, dass zwischenzeitlich vom Konsulat der Ukraine Heimreisepapiere für die Beteiligten zu 1 und 2 ausgestellt worden sind, die als beweiskräftige Dokumente für die Personalien der Beteiligten zu 1 und 2 anzusehen und deshalb dem Geburtseintrag zu Grunde zu legen sind.
a) Das Landgericht hat zutreffend seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Falles angenommen. Sie ist schon deshalb gegeben, weil eine Eintragung im deutschen Geburtenbuch beantragt ist; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 1995, 238/240). Aus der internationalen Zuständigkeit ergibt sich die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (lex fori, vgl. BGH NJW 1993, 130; BayObLGZ aaO). Nach deutschem Personenstandsrecht ist somit die Frage zu beurteilen, ob und in welcher Weise die Geburt der Kinder im deutschen Geburtenbuch vorzunehmen ist.
b) Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG sind Vor- und Familiennamen der Eltern in das Geburtenbuch einzutragen; auf diese "näheren Angaben" zur Geburt erstreckt sich auch die Beweiskraft des Geburtenbuchs nach § 60 Abs. 1 Satz 1 PStG (Hepting/Gaaz PStG § 60 Bearbeitungsstand 1972 Rn. 7). Dementsprechend ist der Standesbeamte nach § 25 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 PStV gehalten, sich bei verheirateten Eltern die Heiratsurkunde, bei nicht verheirateten Eltern die Geburtsurkunde der Mutter und im Falle eines Vaterschaftsanerkenntnisses die Geburtsurkunde des Vaters vorlegen zu lassen. Er kann die Vorlage weiterer Urkunden verlangen, wenn das zum Nachweis von Angaben erforderlich ist. Damit soll gewährleistet werden, dass sich der Standesbeamte vor der Eintragung in das Geburtenbuch Gewissheit über die von den Beteiligten gemachten Angaben verschaffen kann. Wenn die Beschaffung der erforderlichen Urkunden erhebliche Schwierigkeiten oder unverhältnismäßig hohe Kosten bereitet, kann sich der Standesbeamte mit der Vorlage anderer beweiskräftiger Bescheinigungen begnügen oder sich auf andere Weise Gewissheit von der Richtigkeit der gemachten Angaben verschaffen (§ 5 Abs. 3 PStG; vgl. auch § 258 Abs. 1 c, Abs. 3 DA).
c) § 20 PStG verpflichtet den Standesbeamten zur Nachprüfung, wenn er an der Richtigkeit von Angaben zweifelt. Derartige Zweifel können sich nicht nur auf Tatsachen im Zusammenhang mit der Geburt beziehen, sondern auch auf die Umstände, die in rechtlicher Hinsicht für die Beurkundung bedeutsam sind, etwa, ob die Namen der Eltern richtig sind (Hepting/Gaaz § 20 Bearbeitungsstand 2001 Rn. 4, 8). Insoweit ist er befugt, über die bloße Geburtsanzeige hinausgehende Auskünfte der Beteiligten zu verlangen oder durch Rückfrage bei anderen Behörden - etwa der Ausländerbehörde - die fehlenden Angaben zu beschaffen (Hepting/Gaaz § 20 Rn. 11). Ein von der Ausländerbehörde ausgestellter Ausweisersatz, der lediglich auf den eigenen Angaben des Inhabers vor der Ausländerbehörde beruht, entfaltet allerdings keine Beweiskraft für den Namen, den Geburtsort und die Staatsangehörigkeit seines Inhabers, da er die inhaltliche Richtigkeit dieser Angaben gerade nicht bezeugt.
d) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Beurkundung der Geburt nicht auf unbegrenzte Zeit zurückgestellt werden kann, wenn über die Personalien der Eltern keine beweiskräftigen Unterlagen vorliegen und voraussichtlich in absehbarer Zeit auch nicht erlangt werden. Die Zurückstellung von Eintragungen kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn einer Klärung ein vorübergehendes und voraussichtlich alsbald behebbares Hindernis entgegensteht; andernfalls ist die Eintragung vorzunehmen und gegebenenfalls später zu berichtigen (vgl. Hepting/Gaaz § 20 Rn. 15).
Allerdings ist darauf zu achten, dass die Beweiskraft der Personenstandsbücher (§ 60 Abs. 1 PStG) sich nicht auf Angaben bezieht, die im Einzelfall nicht nachgewiesen sind. Der Umstand, dass die Personalien der Eltern vor der Eintragung nicht überprüft werden konnten, kann jedoch durch einen erläuternden Zusatz wie "nach eigenen Angaben", "Eigenbezeichnung", "unter dem Namen..." oder "konnte nicht festgestellt werden" kenntlich gemacht werden. Eine Eintragung, die ihrem Inhalt nach erkennen lässt, dass sie lückenhaft oder nicht gesichert ist, hat keine über ihren Wortlaut hinausgehende Beweiskraft (Hepting/Gaaz § 60 Rn. 27).
Der Senat ist wie das Oberlandesgericht Hamm (FGPrax 2004, 233) der Auffassung, dass neben den unproblematischen Angaben von Ort, Tag und Stunde der Geburt sowie Geschlecht des Kindes und dessen Vornamen jedenfalls auch der Name der Mutter und der Familienname des Kindes einzutragen ist, da andernfalls dem Geburtseintrag keine hinreichende Aussagekraft zukommt.
e) Hinsichtlich der Eintragung des Vaters ist zu differenzieren: Steht die Vaterschaft fest - etwa durch ein wirksames Anerkenntnis -, kann der Vater unter den von ihm verwendeten, bei der Ausländerbehörde registrierten Personalien im Geburtenbuch eingetragen werden, wobei ein klarstellender Zusatz anzufügen ist, dass deren Richtigkeit nicht überprüft werden konnte (vgl. BayObLGZ 2004 Nr. 61).
Anders liegt der Fall jedoch, wenn bereits nicht feststeht, dass derjenige, der als Vater des Kindes eingetragen werden will, auch tatsächlich diesen Status besitzt. Das kann - wie hier - etwa dann der Fall sein, wenn die Vaterschaft sich aus der angeblichen Ehe mit der Mutter des Kindes ergibt, für die Eheschließung jedoch keine beweiskräftigen Unterlagen vorliegen. Diese Fallgestaltung lag auch der Entscheidung des Senats vom 8.12.2003 (FamRZ 2004, 1394) zugrunde. Eine Aufnahme des angeblichen Vaters in den Geburtseintrag kann nicht erfolgen, solange die Zweifel an seiner Rechtsstellung als Vater des Kindes nicht ausgeräumt sind (so auch OLG Hamm aaO S. 234). In den Fällen, in denen die Eheschließung mit der Mutter des Kindes nicht nachgewiesen werden kann, bleibt dem Betroffenen die Möglichkeit, die Vaterschaft anzuerkennen, um dann aufgrund des Anerkenntnisses als Vater eingetragen zu werden (vgl. BayObLGZ 2004 Nr. 61).
Hier kann nur die Mutter in den Geburtseintrag aufgenommen werden, da der Status des Beteiligten zu 2 als Vater der Kinder nicht feststeht: Die angebliche Eheschließung in Minsk ist nicht nachgewiesen. Ein Vaterschaftsanerkenntnis ist ebenfalls nicht erfolgt.
Der Familienname der Kinder ist deshalb aus dem Namen der Mutter abzuleiten. Ein im slawischen Rechtskreis üblicher und auch in den deutschen Personenstandsbüchern einzutragender Vatersname (vgl. Hepting/Gaaz § 2 Bearbeitungsstand 1993 Rn. 13e, § 21 Bearbeitungsstand 2001 Rn. 148) kann derzeit nicht eingetragen werden, da der Vater nicht feststeht. Die Frage, ob ein nach dem Heimatrecht des Kindes möglicher fiktiver Vatersname einzutragen ist, ist hier nicht zu entscheiden, da es insoweit schon an der nach ukrainischem Recht erforderlichen Weisung der Mutter fehlt (vgl. Art. 63 Satz 1, Art. 55 Abs. 2 Ehe- und Familienkodex vom 20.6.1969 in der Fassung vom 11.1.2000, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht).
4. Nach Vorliegen der vom Konsulat der Ukraine für die Beteiligten zu 1 und 2 ausgestellten Heimreisepapiere besteht allerdings kein Anlass mehr, die nicht überprüfbaren und nicht belegten Angaben zu den Personalien aus der Geburtsanzeige in das Geburtenbuch zu übernehmen. Bei den Heimreisepapieren handelt es sich um ausländische öffentliche Urkunden; Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht echt sein könnten, liegen nicht vor. Sie stellen deshalb eine beweiskräftige Bescheinigung über die in ihnen enthaltenen Angaben über die Personalien der Beteiligten zu 1 dar, so dass auf dieser Grundlage der Geburtseintrag vorzunehmen ist. Dementsprechend waren die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern.
5. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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