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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.11.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 86/00
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 162 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 2139
Ein Testament ist wirksam, wenn die Nacherbfolge daran anknüpft, dass die Vorerbin eine andere Person in ein zum Nachlaß gehörendes Anwesen einläßt.
BayObLG Beschluss

LG Bamberg 3 T 17/00; AG Forchheim VI 0073/84

1Z BR 86/00

02.11.00

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Seifried und Zwirlein am 2. November 2000 in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Bamberg vom 5. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 211200,--- festgesetzt.

Gründe:

I.

Die verwitwete Erblasserin ist 1984 verstorben. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die Beteiligte zu 1 (Elfriede S.) und der vorverstorbene S. Die Beteiligte zu 2 (Karin S.) ist die Tochter der Beteiligten zu 1. Der Beteiligte zu 3 ist ein Sohn des vorverstorbenen S.

Am 17.11.1977 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, das in Ziffer II folgende Bestimmung enthält:

"Ich setze hiermit meine Tochter (Beteiligte zu 1) zu meiner Erbin ein.

Meine Tochter ist jedoch nur Vorerbin. Nacherbin ist ihre Tochter (Beteiligte zu 2) ersatzweise deren Abkömmlinge nach der gesetzlichen Erbfolge.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Ableben der Vorerbin. Von den Beschränkungen der Nacherbfolge ist die Vorerbin nicht befreit."

In einem notariellen Nachtrag vom 16.3.1982 zum Testament vom 17.11.1977 verfügte die Erblasserin bezüglich Ziffer II folgende Änderung:

"Ich habe in meinem Testament Nacherbfolge angeordnet; und zwar ist meine Tochter Vorerbin. Nacherben sind nunmehr (Beteiligter zu 3) und Karin S. (Beteiligte zu 2) als Berechtigte je zur Hälfte.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Ableben der Vorerbin oder auch dann, wenn die Vorerbin Herrn A in das Haus Nr. 63 einläßt.

Im übrigen bleibt Ziffer II des Testaments unverändert."

Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten unter Hinweis darauf, dass A in das Haus Nr. 63 eingelassen worden sei, die Erteilung eines Erbscheins, der sie jeweils zur Hälfte als Erben der Erblasserin ausweisen sollte. Antragsgemäß erteilte das Amtsgericht am 25.1.2000 einen Erbschein, wonach die Erblasserin mit dem durch das Einlassen des A in das Haus seitens der Vorerbin spätestens am 31.5.1984 eingetretenen Nacherbfall von den Beteiligten zu 2 und 3 jeweils zur Hälfte beerbt worden ist.

Die hiergegen von der Beteiligten zu 1 mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins vom 25.1.2000 eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.5.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die den Eintritt des Nacherbfalls betreffende Klausel im Testamentsnachtrag vom 16.3.1982 sei nicht sittenwidrig. In die Entscheidungsfreiheit der Vorerbin werde mit der Nacherbenklausel nicht unangemessen eingegriffen. Insbesondere lasse die Klausel der Beteiligten zu 1 die Möglichkeit einer Heirat mit A offen, weil der Eintritt der Nacherbfolge nicht von einer Eheschließung abhängig sei. Ob A das Anwesen schon vor dem Tod der Erblasserin mit deren Einwilligung betreten habe, könne offen bleiben, da für den Willen der Erblasserin von dem bis zu ihrem Tode unveränderten Testamentsnachtrag vom 16.3.1982 auszugehen sei. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, der Geltendmachung des Erbrechts des Beteiligten zu 3 stehe entgegen, dass dieser A in das Anwesen eingelassen habe, sei dies für das Erbscheinsverfahren ohne Bedeutung, da im Erbscheinsverfahren lediglich zu prüfen sei., wer Erbe bzw. Nacherbe geworden ist.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Nach den mit der weiteren Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist A spätestens am 31.5.1984 von der Beteiligten zu 1 in das Haus Nr. 63 eingelassen worden. Das Landgericht hat dies zutreffend als das den Eintritt der Nacherbfolge auslösende Ereignis gemäß der von der Erblasserin getroffenen Bestimmung im notariellen Nachtrag vom 16.3.1982 zum Testament, vom 17.11.1977 bewertet.

Die einschlägige den Eintritt der Nacherbfolge betreffende Testamentsbestimmung ist wirksam. Die Regelung verstößt unter Berücksichtigung der Grenzen, welche die Wertordnung des Grundgesetzes im Rahmen der Generalklausel des § 138 BGB für rechtsgeschäftliches Handeln zieht, nicht gegen die guten Sitten.

Auszugehen ist von der Testierfreiheit des Erblassers als bestimmendem Element der von Art. 14 Abs. 1. Satz 1 GG geschützten Erbrechtsgarantie. Sie ist als Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Tod hinaus eng mit der Garantie des Eigentums verknüpft und genießt wie diese als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit besonders ausgeprägten Schütz. Dem Erblasser ist hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln (BVerfG FamRZ 2000, 945/946).

Die durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete freie Wahl des Ehepartners (vgl. BVerfGE 31, 58/67) steht der Wirksamkeit der von der Erblasserin verfügten Nacherbfolgeregelung nicht entgegen. Die letztwillige Verfügung enthält keine Beschränkung der Vorerbin hinsichtlich der Wahl ihres Ehepartners. Denkbar wäre allenfalls eine mittelbare Beeinflussung der Eheschließungsfreiheit der als Vorerbin eingesetzten Beteiligten zu 1 durch die Nacherbfolgeregelung insoweit, als im Fall einer Eheschließung mit A ein Zusammenleben mit diesem in dem Haus Nr. 63 den Eintritt des Nacherbfalls zur Folge haben konnte. Diese denkbare Fallgestaltung ist aber für den im Mai 1984 eingetretenen Nacherbfall ohne tatsächliche Relevanz, da A in das Anwesen eingelassen wurde, ohne dass ein Bezug zu einer erfolgten oder beabsichtigten Verheiratung zwischen der Beteiligten zu 1 und A bestand.

Das Landgericht ist in seiner Entscheidung auch zutreffend davon ausgegangen, dass Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit einer Verfügung von Todes wegen nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden kann (BGHZ 140, 118/129). Die Auswirkungen der hier von der Erblasserin getroffenen Nacherbfolgeregelung auf die Entschließungsfreiheit der Beteiligten zu 1 beschränkten sich jedoch darauf, dass A das Anwesen nicht mit Billigung der Beteiligten zu 1 betreten durfte und es der Beteiligten zu 1 nach Maßgabe dieser Bestimmung bei Meidung des Eintritts des Nacherbfalls verwehrt war, das Anwesen für einen vorübergehenden oder dauernden gemeinsamen Aufenthalt mit A zu nutzen. Da es der Beteiligten zu 1 aber unbenommen blieb, mit A in jeder anderen von ihr gewünschten Weise Kontakte zu pflegen und diesen auch zu heiraten, führt die Abwägung der widerstreitenden Interessen hier zu einem Vorrang der Testierfreiheit der Erblasserin mit der Folge, dass kein sittenwidriger Eingriff in die Entschließungsfreiheit der Beteiligten zu l vorliegt.

b) Das Landgericht durfte dahingestellt sein lassen, ob das Vorbringen der Beteiligten zu 1 zutrifft, A habe das Haus Nr. 63 vor dem Tod der Erblasserin mit deren Einwilligung betreten. Maßgebend für den Willen der Erblasserin ist der eindeutige Wortlaut des Testamentsnachtrags vom 16.3.1982; ein Widerruf dieser testamentarischen Verfügung gemäß §§ 2253 ff. BGB ist nicht erfolgt.

c) Soweit die Beteiligte zu 1 gestützt auf den Sachvortrag, der Beteiligte zu 3 habe A den Zutritt zu dem Haus Nr. 63 gestattet, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB erhoben hat, ist das Landgericht diesem Einwand im Ergebnis zu Recht nicht weiter nachgegangen.

Es kann offen bleiben, ob die Berufung auf den Anfall einer Erbschaft unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB in Frage gestellt werden kann und ob und gegebenenfalls wie dies im Erbscheinsverfahren zu berücksichtigen wäre (vgl. BGHZ 140, 118/128). Gemäß § 2139 BGB fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Eintritt des Nacherbfalls kraft Gesetzes an. Damit ist die dingliche Rechtsänderung mit Wirkung für alle Beteiligten vollzogen. Im Hinblick auf die dingliche Wirkung des Nacherbfalls kann bei mehreren Nacherben nicht danach differenziert werden, ob die hier behaupteten Umstände in der Person lediglich eines Nacherben zur Anwendung des Rechtsgedankens des § 162 Abs. 2 BGB führen können.

3. Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich aus dem Gesetz. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte zu 1 die den Beteiligten zu 2 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

4. Der Geschäftswert für einen dem Nacherben erteilten Erbschein ist nach dem für den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge zu ermittelnden Wert des an den Nacherben gelangten Teils des Nachlasses zu berechnen (BayObLGZ 1995, 109/112). Daher bleiben etwaige Wertsteigerungen, die aufgrund von Erschließungsmaßnahmen und der Entwicklung der Baulandpreise seit Mai 1984 aufgetreten sein können, unberücksichtigt. Auch soweit die Beteiligte zu 1 vorbringt, zu Lebzeiten der Erblasserin an deren Anwesen wertsteigernde Verwendungen erbracht zu haben, führt dies zu keiner Geschäftswerterhöhung; etwaigen wertsteigernden Verwendungen steht nämlich eine entsprechende Belastung des Nachlasses durch den von der Beteiligten zu 1 für ihre Aufwendungen geltend gemachten Ersatzanspruch gegenüber. Auf der Grundlage dieser Gegebenheiten ist der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wie bereits vom Amtsgericht im Erbscheinsverfahren entsprechend den Angaben, die von der Beteiligten zu 1 am 4.5.1984 zum Wert des Nachlasses gemacht wurden, auf DM 211200,-- anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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