Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 94/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1937
BGB § 2174
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 20 Abs. 2
1. Fehlende Beschwerdeberechtigung des Vermächtnisnehmers im Erbscheinsverfahren.

2. Das Beschwerdegericht hat die Prüfung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Beschwerdeberechtigung vorliegen, von Amts wegen vorzunehmen. Der Beschwerdeführer trägt bei Zweifeln über in seinem Bereich liegende tatsächliche Voraussetzungen der Beschwerdeberechtigung die Feststellungslast.


Gründe:

I.

Die im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasserin war unverheiratet und hatte keine Kinder. Die Beteiligte zu 3 ist ihre Nichte, die übrigen Beteiligten sind ihre Neffen. Der Nachlass besteht aus zwei Grundstücken, von denen das eine mit einem Wohnhaus (Nr. 7) im Wert von 240.000 DM und das andere mit einem Mietshaus (Nr. 9) im Wert von 850.000 DM bebaut ist. Das Nachlassgericht hat fünf Testamente eröffnet:

1. Privatschriftliches Testament vom 30.1.1969, in dem die Erblasserin ihre im Jahr 1986 vorverstorbene Schwester zum Alleinerben eingesetzt hatte.

2. Notarielles Testament vom 24.7.1986, in dem es unter anderem heißt:

Abschnitt 2: Erbeinsetzung

Zu meinem alleinigen und ausschließlichen Erben setze ich hiermit meinen Neffen ... (Beteiligter zu 5) ein.

Abschnitt 3: Vermächtnisse

Meinen Erben beschwere ich mit folgenden Vermächtnissen:

a) Er hat sofort nach Eintritt des Erbfalls aus meinem Grundbesitz eine Teilfläche im Ausmaß von ca. 1600 qm samt dem darauf befindlichen Mehrfamilienhaus Nr. 9 an meine Neffen bzw. Nichten

(1) ... (Beteiligter zu 6) (2) ... (Beteiligter zu 4) (3) S. (4) ... (Beteiligter zu 2) (5) ... (Beteiligter zu 1) (6) ... (Beteiligte zu 3)

zu gleichen Teilen unentgeltlich zu überlassen. ...

3. Privatschriftliches Testament vom 12.6.1990, das die Erblasserin als Nachtrag zu ihrem Testament vom 24.7.1986 bezeichnet hat. Darin sind Anordnungen für Beerdigung und Grabpflege sowie über ihr Geldvermögen enthalten. Außerdem heißt es darin:

Mein Neffe ... (Beteiligter zu 1) bekomt nur 2/3 seines Erbanteils zugunsten der beiden Kinder von S.

4. Notarielles Testament vom 30.7.1993, in dem es unter anderem heißt:

Abschnitt 2: Bestätigung

1. Zu Urkunde vom 24.7.1986 habe ich ein Testament errichtet.

Ich möchte dieses Testament in einigen Punkten abändern. Soweit die Abänderung nicht erfolgt, bleibt es in seinem ganzen Umfang bestehen.

2. In Abschnitt 3 des genannten Testamentes habe ich unter a Ziffer 3 S. ein Vermächtnis in Höhe eines 1/6 Miteigentumsanteils an einem dort bezeichneten Grundstück ausgesetzt. Ich widerrufe dieses Vermächtnis hiermit. Diesen 1/6 Miteigentumsanteil soll vermächtnisweise in gleicher Weise ... (Beteiligter zu 2) erhalten, der unter Ziffer 4 des vorgenannten Testaments aufgeführt ist. Dem gemäß erhält dieser nunmehr 2/6 von dem dort bezeichneten Grundstück.

3. Unter Abschnitt 3 Ziffer b des genannten Testamentes habe ich verschiedene Geldvermächtnisse ausgesetzt. Diese ändere ich ab, ... Im übrigen verbleibt es bei den Regelungen der Vorurkunde.

4. Weitere Verfügungen treffe ich heute nicht.

5. Privatschriftliches Testament vom 10.7.1998, das wie folgt lautet:

Testament

Ich bestimme für den Fall meines Todes folgendes:

Zu meinen Alleinerben setze ich meine Neffen ... (Beteiligte zu 4 und zu 5) ein.

Mein Neffe ... (Beteiligter zu 4) erhält dass Mietshaus Nr. 9, ... (Beteiligter zu 5) erhält dass Wohnhaus Nr. 7.

Alle übrigen Vermögenswerte werden zwischen beiden Erben hälftig aufgeteilt.

Hinsichtlich der beiden vorerwähnten Häuser erfolgt jedoch kein finanzieller Ausgleich.

Die Aufteilung des Grundstücks erfolgt wie im beiliegenden Plan eingezeichnet.

Frühere Testamente sind ungültig.

Ein Lageplan, in dem das Anwesen Nr. 7 in grüner Farbe und das Anwesen Nr. 9 in roter Farbe gekennzeichnet ist, wurde auf der Rückseite von der Erblasserin unterschrieben.

Der Beteiligte zu 5 hat beantragt, einen dem Testament vom 10.7.1998 entsprechenden Erbschein zu erteilen, der ihn zu 24/111 und den Beteiligten zu 4 zu 87/111 als Miterben ausweisen solle. Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 haben Einwendungen gegen die Gültigkeit des Testaments vom 10.7.1998 erhoben; die Erblasserin sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr testierfähig gewesen; außerdem bestünden Zweifel daran, dass die Erblasserin das Testament vom 10.7.1998 selbst geschrieben habe. Nach Einholung von Sachverständigengutachten zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin durch den Landgerichtsarzt und zur Echtheit des Testaments vom 10.7.1998 durch eine Sachverständige sowie nach Berücksichtigung von Stellungnahmen des Hausarztes und des Bezirkskrankenhauses hat das Nachlassgericht am 22.11.2001 einen Vorbescheid erlassen, in dem es die Erteilung eines Erbscheins angekündigt hat, nach dem der Beteiligte zu 4 zu 87/111 und der Beteiligte zu 5 zu 24/111 die Erblasserin als Miterben beerbt haben.

Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1, 2 und 3 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben ein weiteres Gutachten des Schriftsachverständigen vorgelegt. Das Landgericht hat darüber hinaus ein weiteres Schriftgutachten sowie fünf Ergänzungsgutachten zur Frage der Echtheit des Testaments vom 10.7.1998 eingeholt, den Landgerichtsarzt und die Sachverständigen mündlich angehört, die schriftliche Aussage des Hausarztes eingeholt und Zeugen einvernommen sowie die Beteiligten angehört. Mit Beschluss vom 30.9.2003 hat es die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2 und 3 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde eingelegt.

Das Nachlassgericht hat am 20.10.2003 den im Vorbescheid vom 22.11.2001 angekündigten Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 4 und 5 erteilt.

II.

1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG). Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit seiner Erstbeschwerde deswegen zulässig, weil die Erstbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wurde (§ 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4 FGG; BayObLG FamRZ 1986, 719/720; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 10). Nachdem am 20.10.2003 ein dem Vorbescheid vom 22.11.2001 entsprechender Erbschein erteilt worden ist, richtet sich das Rechtsmittel auf dessen Einziehung.

2. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, weil der Beteiligte zu 2 ebenso wenig wie die Beteiligten zu 1 und 3 beschwerdeberechtigt waren und ihre Beschwerde daher als unzulässig hätte verworfen werden müssen.

a) Das Landgericht hat die Beschwerde als zulässig angesehen und ausgeführt, zwar stehe einem Vermächtnisnehmer kein Beschwerderecht zu; im Hinblick auf das Testament der Erblasserin vom 12.6.1990 und der darin enthaltenen Formulierung "Neffe ... (Beteiligter zu 1) bekommt nur 2/3 seines Erbanteils" bestünden Zweifel, ob die beschwerdeführenden Beteiligten zu 1, 2 und 3 nicht doch als beschwerdeberechtigte Miterben anzusehen seien. Diese Zweifel seien zugunsten der Beschwerdeführer zu berücksichtigen.

In der Sache hat das Landgericht angenommen, es lasse sich nicht feststellen, ob die Erblasserin bei Testamentserrichtung am 10.7.1998 testierunfähig gewesen sei. Das Testament vom 10.7.1998 hält es für echt, wobei es sich in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen stützt, während es den Schriftsachverständigengutachten nicht folgt, die zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen sind.

b) Das Landgericht hat zu Unrecht die Beschwerde für zulässig erachtet. Es hat den Beteiligten zu 2 wie auch die Beteiligten zu 1 und 3 als beschwerdeberechtigt angesehen, obwohl sie nach den von der Erblasserin verfassten letztwilligen Verfügungen nur als Vermächtnisnehmer in Betracht kommen und als solche nicht beschwerdeberechtigt im Sinne von § 20 Abs. 1, Abs. 2 FGG sind.

aa) Das Gericht der weiteren Beschwerde hat die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen; es hat daher auch ohne ausdrückliche Rüge die Beschwerdeberechtigung hinsichtlich der Erstbeschwerde nachzuprüfen (BayObLGZ 1971, 284/285). Das Beschwerdegericht war von Amts wegen verpflichtet, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Beschwerdeberechtigung festzustellen. Soweit die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür im Bereich des Beschwerdeführers liegen, trägt dieser bei verbleibenden Zweifeln die Feststellungslast. Die Beschwerdeberechtigung ist regelmäßig zu bejahen, wenn - bei unterstellter Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung - der Beschwerdeführer in einem ihm zustehenden subjektiven Recht tatsächlich beeinträchtigt wäre (Keidel/Kahl § 20 Rn. 17).

bb) Unterstellt, das Landgericht hätte die Gültigkeit des Testaments vom 10.7.1998 zu Unrecht angenommen, käme das notarielle Testament vom 24.7.1986 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 30.7.1993 zum Zuge (§ 2258 Abs. 2 BGB); das Testament vom 30.1.1969 ist gegenstandslos geworden (§ 1923 Abs. 1 BGB). Nach dem Testament vom 24.7.1986 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 30.7.1993 ist der Beteiligte zu 5 Alleinerbe geworden, während die Erblasserin den übrigen Beteiligten Vermächtnisse ausgesetzt hat, die für die Beteiligten zu 1, 3 und 6 den Anspruch auf Übertragung eines 1/6 Miteigentumsanteils an dem Anwesen Nr. 9 sowie für den Beteiligten zu 2 einen solchen in Höhe von 2/6 gegen den Beteiligten zu 5 begründen (§ 2174 BGB). Der Wortlaut und die Gliederung des notariellen Testaments vom 24.7.1986 lassen keinen Zweifel zu, dass sich die Erblasserin über die Bedeutung der Erbeinsetzung und den Unterschied zu einem Vermächtnis im Klaren war. Dies wird unterstrichen durch den Wortlaut des notariellen Testamentsnachtrags vom 30.7.1993, in dem die Erblasserin ausdrücklich von einem Vermächtnis spricht, das sie nunmehr statt S. dem Beteiligten zu 2 zuordnet, während sie im Übrigen das Testament vom 24.7.1986, abgesehen von Geldvermächtnissen, in seinem ganzen Umfang bestehen lässt. Das bedeutet, dass sie weder an der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 5 noch an den weiteren Vermächtnissen bezüglich des Hauses Nr. 9 rühren wollte.

Daran zu zweifeln, hatte das Landgericht auch nicht aufgrund des privatschriftlichen Testaments vom 12.6.1990 Anlass. Dort heißt es zwar: "Mein Neffe ... (Beteiligter zu 1) bekommt nur 2/3 seines Erbanteils zugunsten der beiden Kinder von S.". Dieses Testament hat aber keine Bedeutung erlangt, weil die Erblasserin in ihrem notariellen Testamentsnachtrag vom 30.7.1993, abgesehen von den dort den Inhalt des Testaments vom 12.6.1990 nicht berührenden Änderungen, das Testament vom 24.7.1986 im ganzen Umfang bestehen hat lassen und damit den Widerruf des privatschriftlichen Testaments vom 12.6.1990 erklärt hat (§ 2258 Abs. 1 BGB). Im Übrigen wäre nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass die beim Testament vom 12.6.1990 vom Notar nicht beratene Erblasserin mit dem Begriff "Erbanteil" die Vorstellung eines Vermächtnisses verbunden hat. Dies ist umso mehr anzunehmen, als es sich um die Änderung einer Zuwendung gehandelt hat, die im notariellen Testament vom 26.7.1986 ausdrücklich als Vermächtnis bezeichnet worden ist. Abgesehen davon hätten sich die Zweifel des Landgerichts über die Beschwerdeberechtigung nach den Regeln der Feststellungslast nicht zugunsten der beschwerdeführenden Beteiligten zu 1 bis 3 auswirken dürfen.

cc) Weder der Beteiligte zu 2 noch die Beteiligten zu 1 und 3 haben Einwendungen gegen das notarielle Testament vom 26.7.1986 mit Nachtrag vom 30.7.1993 erhoben; insbesondere haben sie auch nicht geltend gemacht, aufgrund dieses Testaments anders als Vermächtnisnehmer berechtigt zu sein. Nur bei Wegfall auch dieses Testaments kämen sie als gesetzliche Miterben in Betracht (§ 1925 Abs. 1 BGB); durch das Testament vom 24.7.1986/30.7.1993 sind sie jedoch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Demgemäß beanspruchen weder der Beteiligte zu 2 noch die Beteiligten zu 1 und 3, gesetzliche Erben geworden zu sein; ihre Beschwerdeberechtigung (§ 20 Abs. 1 FGG) kann sich daher nicht daraus ergeben, dass durch den im Vorbescheid angekündigten und nunmehr erteilten Erbschein ihre Stellung als gesetzliche Erben beeinträchtigt wäre.

dd) Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten zu 1 bis 3 nach dem Testament vom 24.7.1986/30.7.1993 Vermächtnisnehmer hinsichtlich des Grundstücks Nr. 9 sind. Dieses Recht wird durch den Erbschein vom 20.10.2003 nicht beeinträchtigt; denn der Erbschein bezeugt das Erbrecht, nicht auch Vermächtnisse. Deswegen sind nach ganz herrschender Meinung Vermächtnisnehmer - wie allgemein Nachlassgläubiger, z.B. auch Pflichtteilsberechtigte - im Erbscheinsverfahren, von den Fällen der §§ 792, 896 ZPO abgesehen, nicht beschwerdeberechtigt (BayObLGZ 1905, 561/564; 1998, 314/316 = FamRZ 1999, 817/818; Keidel/Kahl § 20 Rn. 75, 77; Staudinger/Schilken BGB 13. Aufl. § 2353 Rn. 87; MünchKomm/Promberger BGB 3. Aufl. § 2353 Rn. 108).

Da im Beschwerdeverfahren eine Sachprüfung nicht veranlasst war, kommt den mit der weiteren Beschwerde erhobenen Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts keine Bedeutung zu. Den Beschwerdeführern bleibt unbenommen, ihren Vermächtnisanspruch und ihre Einwendungen gegen die Gültigkeit des Testaments vom 10.7.1998 in dem für die Durchsetzung von Ansprüchen aus Vermächtnissen vorgesehenen streitigen Verfahren geltend zu machen.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst. Für die Gerichtskosten ergibt sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlasst, da - anders als im Beschwerdeverfahren - die übrigen Beteiligten nicht hervorgetreten sind.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Beteiligten zu 2 festzusetzen. Dieses bezieht sich auf den 2/6 Miteigentumsanteil an dem Anwesen Nr. 9. Auf der Grundlage der Berechnung des Landgerichts wird daher der Geschäftswert für die weitere Beschwerde auf 144.866 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück