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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 1Z RR 2/03
Rechtsgebiete: BGB, BV, BayNatSchG


Vorschriften:

BGB § 903
BGB § 1004
BV Art. 141 Abs. 3 S. 1
BayNatSchG Art. 21
BayNatSchG Art. 22 Abs. 1
BayNatSchG Art. 23 Abs. 1
BayNatSchG Art. 24
BayNatSchG Art. 25 Abs. 2
1. Das jedermann zustehende Grundrecht auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur ist nur gewährleistet, soweit es der Erholung dient; es erfasst nicht die gewerbliche Nutzung zur Vermittlung von Naturgenuss.

2. Der Eigentümer ungewidmeter Waldwege ist nicht verpflichtet, gewerblich angebotene, begleitete Geländeausritte einschränkungslos und unentgeltlich zu dulden.


Tatbestand:

I. Die Klägerin, eine Stadt, ist Eigentümerin des außerhalb ihres Gemeindegebietes gelegenen Waldgebietes "Schneidwald" (Distrikt VI), das zu einem als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Naturpark gehört und in den Gemarkungen verschiedener Gemeinden gelegen ist. Das Waldgebiet ist zugleich (verpachtetes) Eigenjagdrevier der Klägerin. Es wird durch nicht gewidmete Wege in einer Länge von 8.930 m durchzogen; dabei handelt es sich um sandgebundene Schotterwege, naturbelassene Wege und Rückegassen. Die Erträge aus der Waldbewirtschaftung führt die Klägerin überwiegend an Stiftungen ab.

Die Beklagten betreiben gemeinsam seit 1994 am östlichen Rand dieses Waldgebietes einen Reiterhof, den sie zum 1.1.1995 als Gewerbe für Beherbergung und Dressurausbildung anmeldeten. Sie bieten Reiterferien, Reitschule, Wanderreiten, Urlaub auf dem Bauernhof, Reitlehrgänge unter Einbeziehung des Geländereitens und Mehrtagesritte an. Auf ihrem Hof halten die Beklagten insgesamt ca. 150 Pferde. Von ihrem Reiterhof aus finden mehrfach wöchentlich Gruppenausritte mit fünf bis jedenfalls acht Teilnehmern in das Waldgebiet der Klägerin statt, die nach der Behauptung der Beklagten durchschnittlich mehr als eine Stunde andauern und zu 75 % durch jeweils einen der Beklagten, im Übrigen durch eine von ihnen beschäftigte Vertrauensperson begleitet werden. Nach der Preisliste 2000 der Beklagten hat ein Zweitagesritt mit Schulpferd 235 DM und mit eigenem Pferd 155 DM, ein Tagesritt mit Schulpferd 110 DM, mit eigenem Pferd 70 DM gekostet.

Die Klägerin behauptet, die im Rahmen des gewerblichen Reiterhofbetriebes von den Beklagten durchgeführten Gruppenausritte beschädigten unzumutbar ihre Privatwege und verursachten einen erhöhten Instandsetzungsaufwand; außerdem sei dadurch die Jagdausübung beeinträchtigt.

Nachdem die Klägerin erfolglos versucht hatte, mit den Beklagten eine einvernehmliche Regelung über die Nutzung ihrer Privatwege zu erzielen, die geführten Gruppenausritte nur auf bestimmten Strecken und nur zu bestimmten Zeiten sowie gegen ein Nutzungsentgelt durchzuführen, untersagte sie den Beklagten mit Schreiben vom 22.12.1999 die Nutzung ihrer Privatwege im "Schneidwald" zur Durchführung von geführten Gruppenausritten. Dessen ungeachtet fanden dort am 7.3.2000, 5.4.2000 und 3.8.2000 wieder von ihnen geführte Gruppenausritte statt. Die Klägerin beantragte daraufhin am 27.9.2000 beim Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Antrag, den Beklagten zu untersagen, die ungewidmeten Wege der Klägerin im "Schneidwald" für geführte Gruppenausritte zu benutzen. Die Beklagten rügten die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts mit der Begründung, die finanziellen Einbußen bei einer Untersagung seien mit etwa 50.000 DM zu beziffern; die Entscheidung sei für sie von existenzieller Bedeutung, da bei Untersagung eine Vermietung der Pferde für Ausritte nicht mehr erfolgen könnte. Die Benutzung der Waldwege werde in der nächsten Zukunft weiterhin, aber nicht über das übliche Maß hinaus, erfolgen. Mit Beschluss vom 25.10.2000 wies das Landgericht, an welches das Amtsgericht die Sache verwiesen hatte, den Antrag der Klägerin mangels Vorliegens eines Verfügungsgrundes zurück (Az. 1 O 4440/00).

II. Mit Klageschrift vom 4.1.2001 erhob die Klägerin Klage zum Landgericht und beantragte, die Beklagten zu verurteilen, eine Nutzung der ungewidmeten Wege der Klägerin im Schneidwald für geführte Gruppenausritte zu unterlassen.

Die Beklagten beantragten Klageabweisung.

Sie vertreten die Auffassung, die Klägerin müsse die Gruppenausritte aufgrund des in Art. 141 Abs. 3 Bayerische Verfassung (BV) niedergelegten Betretungsrechts dulden, das gemäß Art. 23 Abs. 1, Art. 24 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) auch für Reiter auf Privatwegen gelte. Die Waldwege der Klägerin seien zum Reiten geeignet und würden durch die Gruppenausritte nicht wesentlich beschädigt; jedenfalls seien etwaige Beschädigungen nur zum geringen Teil auf die von ihnen geführten Gruppenausritte zurückzuführen, da die Wege der Klägerin auch von ungeführten Reitergruppen und Einzelreitern genutzt würden. Auch bewirkten die von ihnen geführten Gruppenausritte keine Beeinträchtigung der Jagdausübung. Im Übrigen sind sie der Meinung, der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch könne sich nur gegen die an den geführten Gruppenausritten beteiligten Teilnehmer richten. Die von ihnen begleiteten Gruppenausritte seien nicht Gegenstand ihrer gewerblichen Tätigkeit, sondern dienten der Sicherheit von Ross und Reiter, insbesondere der Beaufsichtigung der von ihnen vermieteten Pferde und des Schutzes der Natur. Die Klägerin könne die von ihnen geführten Gruppenausritte nur im Rahmen einer Sperre gemäß Art. 29 BayNatSchG mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde unterbinden.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Endurteil vom 31.8.2001 antragsgemäß verurteilt.

III. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Beklagten Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 7.2.2002 vorab die Zulässigkeit des beschrittenen ordentlichen Rechtswegs (§ 17a Abs. 3 Satz 1 GVG) festgestellt und mit Endurteil vom 25.3.2003 das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gegen seine Entscheidung hat das Berufungsgericht die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Mit der gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung des materiellen Rechts einschließlich der Beweiswürdigung. Die Beklagten haben die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, § 548, § 549 ZPO). Ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist, hat das Revisionsgericht nicht mehr zu prüfen; es ist insoweit an die Entscheidung des Berufungsgerichts gebunden (§ 17a Abs. 1 GVG). Die Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Endurteil.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Zwar könne die Klägerin als Eigentümerin des "Schneidwalds" jedes Betreten der darin befindlichen Privatwege gemäß § 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich untersagen. Jedoch müsse sie gemäß § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1, 23 Abs. 1, 24, 25 Abs. 2 BayNatSchG den Beklagten das Betreten auch in Form geführter Gruppenausritte erlauben. Die von der Klägerin begehrte Unterlassung hätte zur Konsequenz, dass die Beklagten auf den Wegen nur Einzelunterricht erteilen und Reiter in Gruppen nicht begleiten dürften. Damit würde zwangsläufig den einzelnen Reitern, die nur in der Gruppe ausreiten könnten oder wollten, im Ergebnis das für sie erlaubte Reiten untersagt. Jeder Reiter müsse die Möglichkeit haben, sich begleiten oder führen zu lassen. Dem gewerblichen Begleiter komme dieses Recht in der Form eines Reflexes zugute. Geführte Bergtouren von Wandergruppen dürften ja auch nicht untersagt werden.

Die von den Beklagten veranstalteten Gruppenausritte seien nicht als organisierte Veranstaltungen im Sinne von Art. 27 BayNatSchG anzusehen, wonach das Betretungsrecht von vorneherein eingeschränkt sein könne. Allerdings hätten die Beklagten bei der Ausübung des Betretungsrechts auf die Belange der Klägerin Rücksicht zu nehmen (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayNatSchG). Jedoch habe diese weder zu dem aktuellen Wegezustand noch zu den Auswirkungen der veranstalteten Gruppenausritte auf die Jagdausübung substantiiert vorgetragen. Der Jagdausübungsberechtigte könne die Beklagten telefonisch benachrichtigen, wenn er im "Schneidwald" der Jagd nachgehen wolle, um störenden Gruppenausritten vorzubeugen. Der von der Klägerin auf rund 1.200 EUR pro Jahr bezifferte Mehraufwand beim Wegeunterhalt sei kein Betrag, der nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine vollständige Untersagung der von den Beklagten veranstalteten Gruppenausritte rechtfertige. Es sei nicht erkennbar, dass das gesamte Wegenetz der Klägerin im "Schneidwald" zum Reiten nicht geeignet wäre; vielmehr seien wohl nur bestimmte Abschnitte zu bestimmten Zeiten (Jagdausübung, Witterung) kritisch für die Benutzung durch Reiter. Dem könne die Klägerin durch eine Sperre nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2, Art. 29 Nr. 1 BayNatSchG Rechnung tragen. Das gesamte Wegenetz könne schon deswegen nicht ungeeignet sein, weil die Klägerin nur die von den Beklagten geführten Gruppenausritte unterbinden wolle, nicht aber die Reiterei im Übrigen.

2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht billigt den Beklagten ein den Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB ausschließendes Recht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu, die privaten Waldwege der Klägerin im "Schneidwald" für die von ihnen veranstalteten geführten Gruppenausritte nutzen zu dürfen. Es geht insoweit von einer gewerblichen Tätigkeit der Beklagten aus und begründet die Berechtigung der Nutzung mit Art. 22 Abs. 1, 23 Abs. 1, 24, 25 Abs. 2 BayNatSchG, die das Reiten auf privaten Waldwegen erlauben. Diese Vorschriften gewähren aber nicht ein Betretungsrecht zur Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch gewerblich veranstaltete Gruppenausritte.

a) Gemäß Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV ist jedermann das Betreten von Wald zum Genuss der Naturschönheiten und zur Erholung in der freien Natur gestattet. Zu dem dadurch grundrechtlich geschützten Betätigungsbereich gehört gemäß Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG auch das Reiten in der freien Natur. Damit ist allerdings nicht gewährleistet, dass dieses Recht immer und in jeder Form wahrgenommen werden kann. Zweck des nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV gewährleisteten und in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG konkretisierten Betretungsrecht ist es, die Erholung in der freien Natur und den Genuss der Naturschönheiten zu ermöglichen. Daraus folgt, dass dieses Recht von vorneherein nur gewährleistet ist, soweit es der Erholung dient (BayVerfGH BayVBl 1975, 473/479; 1978, 48; 1982, 144; 1999, 13/14; 2003, 269/270; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle Naturschutzrecht in Bayern [2001] Art. 21 Rn. 2 a.E.; Friedlein/Weidinger/Grass Bayerisches Naturschutzgesetz 2. Aufl. Art. 22 Rn. 2).

Dagegen umfasst der Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG i.V.m. Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV nicht die gewerbliche Nutzung zur Vermittlung von Naturgenuss (vgl. BayVerfGH BayVBl 1975, 473 Leitsatz 6b). Das mit dem Klageantrag erstrebte Unterlassungsgebot zielt nicht auf ein Verbot des Reitens im Waldgebiet der Klägerin ab, sondern auf die gewerbliche Nutzung durch die von den Beklagten veranstalteten Gruppenausritte. Dies verkennt das Berufungsgericht, das darauf abstellt, dass "gewerblichen Begleitern" von Gruppenausritten das Reiten auf Privatwegen ebenso erlaubt sei wie einem allein erholungssuchenden Reiter.

b) Das Berufungsgericht hat in der Veranstaltung der Gruppenausritte zu Recht eine gewerbliche Tätigkeit der Beklagten gesehen. Sie gehören unstreitig zum Angebot des von den Beklagten gewerblich betriebenen Reiterhofes. Diese erheben ein Entgelt für die Vermietung der dazu benötigten Pferde und für die Begleitung der Reitergruppe. Die Veranstaltung ist daher auf einen wirtschaftlichen Ertrag gerichtet (vgl. BGHZ 95, 197). Ob ein Gewinn tatsächlich entsteht, ist unerheblich (vgl. Ensthaler/Nickel GK-HGB § 1 Rn. 2b). Die Betriebsbezogenheit wird dadurch unterstrichen, dass die Beklagten die Reitergruppen überwiegend selbst begleiten und im Übrigen als Betriebsinhaber eine Hilfsperson dafür abstellen.

c) Als "gewerblichen Begleitern" von Gruppenausritten kommt den Beklagten auch nicht ein Betretungsrecht in Form eines Reflexes des Rechts der an Gruppenausritten interessierten Reiter zu. Diesen steht allerdings jeweils das in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV, Art. 21 Abs. 1 BayNatSchG begründete und in Art. 22 Abs. 1, 23 Abs. 1, 24, 25 Abs. 2 BayNatSchG näher ausgestaltete Recht auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur zu. Dieses Recht ist höchstpersönlich. Es wird durch das mit dem Klageantrag angestrebte Verbot nicht in Frage gestellt. Dabei kann dahinstehen, ob das Grundrecht auf Naturgenuss und Erholung auch das Recht einschließt, sich im Rahmen von Gruppenausritten begleiten oder führen zu lassen (vgl. zum Bedeutungswandel des Grundrechts auf Naturgenuss, nach dem einem aus Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV hergeleiteten Grundrecht auf Reiten im Verhältnis zu gegenläufigen Belangen und Grundrechtspositionen Dritter nur noch ein eher geringeres Gewicht als Abwägungsbelang zukommt: BayVerfGH BayVBl 2003, 526/528). Die Nutzung der klägerischen Privatwege im "Schneidwald" durch die von den Beklagten veranstalteten Gruppenausritte dient nicht allein dem Naturgenuss der einzelnen Reiter, sondern zugleich dem wirtschaftlichen Nutzen der Beklagten. Nur dieser ist durch das von der Klägerin erstrebte Verbot betroffen.

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

a) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten, die im Eigentum der Klägerin stehenden Privatwege im "Schneidwald" nicht für geführte Gruppenausritte zu benutzen, ist - wie vom Landgericht zutreffend entschieden - gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet. Als Eigentümerin der ungewidmeten Waldwege im "Schneidwald" ist die Klägerin gemäß § 903 Satz 1 Alternative 2 BGB grundsätzlich befugt, andere von jeder Einwirkung, auch durch Benutzung (vgl. Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 903 Rn. 6) auszuschließen. Sie kann sich, soweit eine Beeinträchtigung ihres Eigentums durch Benutzung zu besorgen ist, gegen den Störer durch vorbeugende Unterlassungsklage (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) wehren. Unter Beeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers (BGH NJW-RR 2003, 953); sie liegt selbst dann vor, wenn die Einwirkung auf die Sachsubstanz unschädlich ist (BGHZ 111, 158). Die Beeinträchtigung kann durch tatsächliche Benutzung erfolgen; schon das Betreten eines Grundstücks durch Mensch und/oder Haustier stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar (vgl. Palandt/Bassenge § 1004 Rn. 8; Staudinger/Gursky BGB 13. Bearb. § 1004 Rn. 24; Soergel/Mühl BGB 12. Aufl. § 1004 Rn. 29; Erman/Hefermehl BGB 10. Aufl. § 1004 Rn. 9).

Unter diesen Voraussetzungen stellt die Nutzung der Privatwege der Klägerin im "Schneidwald" durch die Beklagten im Rahmen von ihnen bzw. ihren Erfüllungsgehilfen geführten Gruppenausritte eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, deren Unterlassung die Klägerin von den Beklagten als unmittelbare, aber auch mittelbare Störer verlangen kann. Sie sind unmittelbare Störer, soweit sie an den von ihnen veranstalteten Gruppenausritten selbst teilnehmen. Sie sind aber auch mittelbare Störer. Mittelbarer Störer ist, wer die Beeinträchtigung durch die Handlung eines Dritten adäquat verursacht hat (BGH NJW 2000, 2901). Das ist der Fall, wenn er die Handlung des Dritten veranlasst hat oder wenn er es unterlässt, eine Handlung Dritter zu verhindern, die er ermöglicht hat (vgl. Palandt/Bassenge § 1004 Rn. 17). Die Beklagten ermöglichen das gemeinsame Ausreiten in einer Gruppe durch Vermietung von Reitpferden und aufsichtsführende Begleitung. Sie bieten entsprechende Ausritte gegen Entgelt in ihren Prospekten an und sind daher als Veranstalter anzusehen.

Die Klägerin macht zu Recht Wiederholungsgefahr geltend. Diese ist materielle Anspruchsvoraussetzung (BayObLG ZWE 2001, 422). Die Klägerin hat mit Schreiben vom 14.12.1999 den Beklagten die Nutzung ihrer Privatwege im "Schneidwald" im Rahmen geführter Gruppenausritte untersagt; die Beklagten führen dessen ungeachtet entsprechend ihrer im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgegebenen Erklärung geführte Gruppenausritte auf diesen Wegen bis heute durch.

b) Die Klägerin ist nicht durch Art. 22 Abs. 3 Satz 1, Art. 29 BayNatSchG gehindert, die geltend gemachte Nutzungsunterlassung zu fordern. Nach diesen Vorschriften darf der Grundeigentümer das Betreten der freien Natur nur im Einvernehmen mit der Unteren Naturschutzbehörde durch Sperren verhindern, wenn andernfalls die zulässige Nutzung des Grundstücks nicht unerheblich behindert oder eingeschränkt würde. Diese Regelung ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Vorschrift sich nur auf die Allgemeinheit betreffende Einschränkungen bezieht; der Umstand, dass die Klägerin hiervon nicht Gebrauch gemacht hat, schließt einen im Zivilrechtsstreit geltend gemachten Individualanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen einzelne Störer nicht aus.

c) Die Klägerin ist auch durch den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG nicht gehindert, den Beklagten die Nutzung ihrer Privatwege im Rahmen geführter Gruppenausritte zu untersagen und dies anderen Reitern bzw. Reitergruppen zu gestatten. Abgesehen davon, dass insoweit unterschiedliche Sachverhalte vorliegen - die Klägerin wendet sich hier gegen die einschränkungslose und unentgeltliche Nutzung ihrer Privatwege im Rahmen des gewerblichen Geschäftsbetriebs der Beklagten - betrifft das Vorgehen der Klägerin die Verwaltung ihres Finanzvermögens, d.h. sie nimmt hier lediglich als Fiskus im engeren Sinn am allgemeinen Wirtschaftsleben teil. Bei rein fiskalischem Handeln der öffentlichen Hand fehlt es an einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis. Die Klägerin hat daher grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie jedes andere Privatrechtssubjekt (Wolff/Bachof/Stober Verwaltungsrecht I 10. Aufl. § 23 Rn. 19).

4. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht zur Duldung der Nutzung ihrer Privatwege im "Schneidwald" durch die Beklagten im Rahmen geführter Gruppenausritte verpflichtet ist.

a) Gemäß Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV ist jedermann das Betreten von Wald zum Genuss der Naturschönheiten und zur Erholung in der freien Natur gestattet. Zu dem dadurch grundrechtlich geschützten Betätigungsbereich gehört gemäß Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG auch das Reiten in der freien Natur, also auch auf den privaten Waldwegen der Klägerin. Damit ist allerdings nicht gewährleistet, dass dieses Recht immer und in jeder Form wahrgenommen werden kann. Zweck des nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV gewährleisteten und in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG konkretisierten Betretungsrecht ist es, die Erholung in der freien Natur und den Genuss der Naturschönheiten zu ermöglichen. Daraus ergeben sich aus seinem Wesen und Zweck inhaltliche Schranken für seine Ausübung. Es ist von vorneherein nur gewährleistet, soweit es der Erholung dient, seine Wahrnehmung muss gemeinverträglich sein (Art. 21 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG) und darf die Belange der Grundstückseigentümer (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG) nicht außer Acht lassen (BayVerfGH 28, 107/130 = BayVBl 1975, 473/479; 1978, 48; 1982, 144; 1999, 13/14; 2003, 269/270; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle Naturschutzrecht in Bayern [2001] Art. 21 Rn. 2 a.E.; Friedlein/Weidinger/Grass Bayerisches Naturschutzgesetz 2. Aufl. Art. 22 Rn. 2). Der Grundstückseigentümer braucht als Auswirkung des Rechts auf Erholung in der freien Natur und der hierfür eingeräumten Betretungsbefugnisse nicht Schäden hinnehmen, die über ein zumutbares Maß hinausgehen. Die Duldungspflicht des Grundeigentümers endet dort, wo - etwa zurückzuführen auf durch gewerbliche Nutzung ausgelöstes starkes oder regelmäßiges Reitaufkommen - erhebliche, über ein zumutbares Maß hinausgehende Schäden an seinem Grundstück eintreten oder wo die Gefahr eines solchen Eintritts droht (vgl. BayVerfGH 28, 130).

Die Klägerin beruft sich darauf, dass durch die erhöhte Intensität und Häufigkeit der von den Beklagten durchgeführten Gruppenausritte eine über das übliche Maß hinausgehende Beschädigung ihrer Privatwege sowie eine Beeinträchtigung der Jagdausübung im "Schneidwald" erfolgt. Dabei kann dahinstehen, ob die Schäden und Beeinträchtigungen in dem von der Klägerin behaupteten Ausmaß allein auf die von den Beklagten veranstalteten Gruppenausritte zurückgehen und ihnen allein die Mehrkosten für den Wegeunterhalt zugerechnet werden können. Es genügt, dass die von der gewerblichen Nutzung der Beklagten ausgehende Inanspruchnahme offensichtlich geeignet ist, derartige Nachteile in erheblichem Umfang herbeizuführen. Durch die gewerblich veranstalteten Gruppenausritte bewirken die Beklagten ein regelmäßiges Reitaufkommen, das von ihrem Reiterhof aus in das Wegenetz der Klägerin kanalisiert wird und geeignet ist, die Bodenbeschaffenheit der naturbelassenen Waldwege und der sandgebundenen Schotterwege durch massiert gesetzte Hufspuren erheblich zu beschädigen und einen erhöhten Instandhaltungsaufwand zu verursachen(vgl. BVerfG NJW 1989, 2525/2527; BayVGH BayVBl 1978, 48/49 f.).

b) Die Klägerin ist auch nicht verpflichtet, ihre Privatwege im "Schneidwald" den Beklagten im Rahmen des Gemeingebrauchs gemäß Art. 21 Abs. 1 GO zur Verfügung zu stellen. Nach dieser Vorschrift sind alle Gemeindeangehörigen grundsätzlich berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Bei dem außerhalb des Gemeindegebiets der Klägerin gelegenen Grundstücken im "Schneidwald" handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift, sondern um das wie Privatvermögen zu behandelnde Fiskalvermögen der Klägerin, das ihr aufgrund Stiftungen zugefallen ist. Überdies sind die Beklagten keine Gemeindeangehörigen, da sie ihren Wohn- und Geschäftssitz außerhalb des Gemeindegebiets haben.

c) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242, § 226 BGB) gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin verfolgt ein schutzwürdiges Interesse, der erhöhten Abnutzung ihrer privaten Waldwege durch die von den Beklagten gewerblich organisierten Gruppenausritte vorzubeugen. Das Interesse der Beklagten, diese nach Belieben fortzuführen, muss demgegenüber zurücktreten. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, den Beklagten ihr Privateigentum einschränkungslos und unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, damit diese Erwerbschancen wahrnehmen können (vgl. BayVerfGH BayVBl 1999, 13/16). In diesem Zusammenhang kann von einer missbräuchlichen Rechtsausübung durch die Klägerin umso weniger die Rede sein, als sie den Beklagten - bislang vergeblich - eine Nutzungsregelung angeboten hat, die unter Wahrung ihrer Eigentümerinteressen auf die wirtschaftlichen Belange der Beklagten Bedacht nimmt. Da sich die Beklagten bislang einer solchen Regelung verschlossen haben, begegnet es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch keinen Bedenken, dass die Klägerin Unterlassung ohne Ausnahme beantragt hat. Den Beklagten bleibt unbenommen, außerhalb der privaten Waldwege der Klägerin im "Schneidwald" geführte Gruppenausritte zu veranstalten oder auf Nutzungsbedingungen der Klägerin einzugehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Vorinstanzen gemäß § 3 ZPO auf 9.000 EUR festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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