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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 1Z RR 5/03
Rechtsgebiete: AGBGB, BGB, BauGB, BayVwVfG


Vorschriften:

AGBGB Art. 71 Abs. 1 S. 1
AGBGB Art. 71 Abs. 2
BGB a.F. § 195
BauGB § 124 Abs. 1
BayVwVfG Art. 1 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 62
1. Der Erschließungsvertrag zwischen einer Gemeinde und dem Erschließungsträger ist auch dann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, wenn darin eine Sicherungsabrede für den Fall der Nichterfüllung des Vertrages aufgenommen ist. Aus einer solchen Sicherungsabrede abgeleitete Ansprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur.

2. Die dreijährige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB findet auf Zahlungsansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag keine Anwendung. Vielmehr gelten insoweit die Verjährungsvorschriften des BGB entsprechend.


Tatbestand:

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einer Gemeinde, die Erstattung eines nach ihrer Auffassung zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürgschaftsbetrages.

Die Klägerin und ihr verstorbener, von ihr allein beerbter Ehemann betrieben im Gemeindegebiet der Beklagten eine Landwirtschaft. Im Jahr 1982 stellte die Beklagte für die landwirtschaftlichen Grundstücke der Eheleute einen Bebauungsplan auf, der die Nutzung des Gebietes für Wohnungsbau und den Bau eines Altersheims vorsah. Am 30.3.1982 schlossen die Eheleute mit der Beklagten einen notariell beurkundeten Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, auf ihren Grundstücken sowie auf bestimmten, im Eigentum Dritter stehender Grundstücke Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. In § 6 Nr. 1 des Erschließungsvertrages heißt es:

Der Erschließer verpflichtet sich, die im Bebauungsplan liegenden, insbesondere folgende Erschließungsanlagen auf seine Kosten herzustellen bzw. herstellen zu lassen; mit Ausnahme der Straßenteile auf den Fremdgrundstücken ..., wenn die Zustimmung der jeweiligen Grundeigentümer nicht vorliegt.

§ 10 des Erschließungsvertrages lautet auszugsweise:

Übernahme der öffentlichen Flächen.

Nach Abschluss der Baumaßnahme und Schlussabnahme übernimmt die Gemeinde die öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen sowie Kinderspielplätze in ihre Verwaltung und Unterhaltung. Der Termin für die Schlussabnahme kann frühestens nach Abnahme der Bauleistungen im Sinne der VOB beantragt werden. ... Mit der Schlussabnahme gehen sämtliche Rechte des Erschließers aus den Bauleistungsverträgen mit allen an der Erschließung beteiligten Unternehmen auf die Gemeinde über. ...

§ 11 des Erschließungsvertrages lautet auszugsweise wie folgt:

Sicherheitsleistungen

Zur Sicherung des Anspruchs auf Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der Erstellung aller Erschließungsanlagen, hinterlegt der Erschließer ... eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer mündelsicheren Kreditanstalt in Höhe von 3 Mio. DM, die er unverzüglich nach Abnahme der Erschließungsmaßnahmen zurückerhält. ...

In Erfüllung von § 11 des Erschließungsvertrages veranlassten die Eheleute die Kreissparkasse, gegenüber der Beklagten am 30.3.1982 eine selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern über DM 3 Mio. abzugeben.

In der Folgezeit wurden die Grundstücke der Eheleute erschlossen. Die Bauleistungen der ausführenden Firmen wurden in Abschnitten abgenommen. Eine erste Abnahme erfolgte am 5.6.1986, zu einer zweiten Abnahme kam es am 15.6.1988. Zu diesem Zeitpunkt waren die Erschließungsanlagen auf den in § 6 Nr. 1 Halbsatz 2 des Erschließungsvertrages genannten fremden Grundstücke noch nicht hergestellt. Die Beklagte erwarb die für die Erschließung benötigten Teilflächen aus diesen Grundstücken mit notariellem Vertrag vom 30.4.1987 und vom 29.7.1988. Am 6.10.1988 forderte die Beklagte die Eheleute auf, auf den Fremdgrundstücken die restlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen; sie kündigte an, andernfalls die Erfüllungsbürgschaft in Anspruch zu nehmen. Nachdem die Eheleute weitere Baumaßnahmen ablehnten, gab die Beklagte die weiteren Bauleistungen in Auftrag. Die entsprechenden Arbeiten wurden von Mai 1989 bis April 1990 durchgeführt.

Mit Schreiben vom 13.12.1990 nahm die Beklagte die Bürgschaft der Kreissparkasse in Höhe von 327.827,10 DM in Anspruch; der Betrag wurde am 31.12.1990 geleistet. Die Eheleute kamen für diesen Betrag gegenüber der Kreissparkasse auf.

Die Beklagte machte in der Folgezeit gegenüber den Eheleuten einen weiteren Kostenerstattungsanspruch für die Erschließungsarbeiten auf den Fremdgrundstücken in Höhe von 135.572,03 DM geltend. Dieser Anspruch wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12.1.1999 mit der Begründung abgewiesen, die Eheleute seien nicht verpflichtet gewesen, die Erschließungsmaßnahmen auf den Fremdgrundstücken durchzuführen.

II. Mit am 2.7.2001 erhobener Klage forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des von ihr und ihrem Ehemann aufgrund der Bürgschaftsinanspruchnahme geleisteten Betrages von 327.887,10 DM. Die Klägerin trug vor, sie und ihr Ehemann seien nicht zur Erschließung der fremden Grundstücke verpflichtet gewesen. Von der Erschließungsverpflichtung seien gemäß § 6 Nr. 1 des Erschließungsvertrages solche Flächen ausgenommen, die in fremdem Eigentum gestanden hätten und auf die sich die Erschließungspflicht nur bezogen hätte, wenn die Zustimmung der jeweiligen Grundstückseigentümer vorgelegen hätte. Dies sei jedoch bei Abnahme der Erschließungsarbeiten auf ihren Grundstücken am 15.6.1988 nicht der Fall gewesen. Die Bedingung für die weitere Erschließungsverpflichtung sei nicht eingetreten; die Beklagte habe die gestellte Bürgschaft ohne Rechtsgrund in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 167,646,01 EUR nebst Zinsen zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Bürgschaft der Kreissparkasse zu Recht in Anspruch genommen zu haben, da die Eheleute auch zur Herstellung der Erschließungsarbeiten an den Fremdgrundstücken verpflichtet gewesen seien. Die Eheleute hätten sich verpflichtet, als Erschließungsträger sämtliche im Bebauungsplan gelegenen Erschließungsanlagen herzustellen mit Ausnahme der Fremdgrundstücke, für die keine Zustimmung der jeweiligen Grundstückseigentümer vorliege. Diese Bedingung sei nicht eingetreten, nachdem die Gemeinde die fraglichen Grundstücke am 30.4.1987 bzw. 29.7.1988 erworben habe. Die sich auf diese Grundstücke beziehende Leistungspflicht der Eheleute sei nicht aufgrund der Abnahme der Erschließungsarbeiten auf deren Grundstücken am 15.6.1988 entfallen. Bei dieser handle es sich um die werkvertragliche VOB-Abnahme der bis dahin erbrachten Bauleistungen und nicht um die erschließungsvertragliche Schlussabnahme im Sinne von § 10 des Erschließungsvertrages. Zu diesem Zeitpunkt seien auch die Eheleute davon ausgegangen, zur Erschließung der Fremdgrundstücke verpflichtet zu sein. Dies werde belegt durch eine zwischen ihnen und ihr getroffenen Vereinbarung vom September 1988, nach der von den Kosten eines vom Bebauungsplan abweichenden Ausbaus auf den Fremdgrundstücken ein Drittel durch die Eheleute und zwei Drittel von ihr selbst getragen würden, was durch benannte Zeugen bewiesen werden könne. Darüber hinaus seien in dem Bürgschaftsbetrag auch Kosten für Maßnahmen enthalten, die nicht auf die Fremdgrundstücke entfielen (4.144,98 DM Vermessungskosten, 49.501,69 DM Baukosten). Außerdem hätten die Eheleute in ihrer Abrechnung vom 31.1.1994 den Bürgschaftsbetrag selbst zu ihren Lasten berücksichtigt. Im Übrigen trug die Beklagte vor, der Erstattungsanspruch sei gemäß § 71 BayAGBGB wegen Verjährung erloschen.

Mit Beschluss vom 21.8.2001 hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 19.11.2001 zurückgewiesen.

Mit Urteil vom 19.2.2002 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe nach Abnahme von Erschließungsleistungen am 15.6.1988 keinen Anspruch auf Erbringung weiterer Erschließungsmaßnahmen durch die Eheleute gehabt, da ihnen bis zu diesem Zeitpunkt eine Zustimmung der Eigentümer der Fremdgrundstücke nicht angezeigt worden sei. Die Inanspruchnahme der Bürgschaft sei von der Sicherungsabrede nicht gedeckt; die Klägerin könne den Bürgschaftsbetrag aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung der Beklagten zurückfordern.

III. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat mit Endurteil vom 18.7.2002 das landgerichtliche Urteil aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Klägerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 8.5.2003 entschieden, dass für das Revisionsverfahren das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig ist. Der Senat hat mit Beschluss vom 8.8.2003 die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts vom 18.7.2002 zugelassen. Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig (§ 544 Abs. 6, § 551 ZPO). Ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist, hat das Revisionsgericht nicht nachzuprüfen (§ 17a Abs. 5 GVG).

Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Es könne offen bleiben, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach überhaupt bestehe; jedenfalls sei er gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayAGBGB erloschen. Der Anspruch der Klägerin aus der behaupteten Verletzung der Sicherungsabrede in dem Erschließungsvertrag vom 30.3.1982 stelle eine öffentlich-rechtliche Forderung dar, die auf Geldzahlung gerichtet sei und sich gegen die Beklagte als bayerische Gemeinde wende. Die Sicherungsabrede sei Bestandteil des Erschließungsvertrages vom 30.3.1982 (§ 11) und teile dessen Rechtsnatur. Der Erschließungsvertrag sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, weil er die Durchführung und Kostentragung einer Erschließung regle, also einen Sachverhalt, dessen Gegenstand im öffentlichen Recht (§ 124 BauGB) geregelt sei. Die Sicherungsabrede habe den Sinn, die Ansprüche der Beklagten auf Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Pflichten der Klägerin (und ihres Ehemanns) durch die Hinterlegung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft abzusichern. § 11 des Vertrages diene damit dem Zweck, die Einhaltung der durch Erschließungsvertrag festgelegten öffentlich-rechtlichen Ziele zu wahren. Wegen dieser engen Verbindung zwischen Sicherungsabrede einerseits und öffentlich-rechtlichem Erschließungsvertrag andererseits könne erstere nicht dem privaten Recht zugeordnet werden.

Art. 71 Abs. 1 BayAGBGB, nach dem auf Geldzahlung gerichtete öffentlich-rechtliche Ansprüche, soweit nichts anderes bestimmt sei, in drei Jahren erlöschten, werde nicht durch die Bestimmung des Art. 62 BayVwVfG verdrängt, nach dessen Satz 2 für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ergänzend die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden seien, also auch die Verjährungsvorschriften mit einer gemäß § 195 BGB a.F. grundsätzlich gegebenen Verjährung von 30 Jahren. Art. 62 BayVwVfG sei keine Sonderbestimmung im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayAGBGB und finde gemäß Art. 1 Abs. 1 BayVwVfG nur subsidiär Anwendung, zumal das von Art. 62 BayVwVfG in Bezug genommene Bürgerliche Gesetzbuch keinen dem Art. 71 Abs. 1 BayAGBGB gleichzusetzenden Erlöschensgrund kenne. Da der Klägerin (und ihrem Ehemann) die Inanspruchnahme der Bürgschaft und die Auszahlung des Bürgschaftsbetrages am 31.12.1990 bekannt gewesen seien, habe die am 1.1.1991 einsetzende Erlöschensfrist am 31.12.1993 geendet. Die am 2.7.2001 erhobene Klage habe diese Frist nicht mehr unterbrechen oder hemmen können.

2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der geltend gemachte Anspruch nur aus der Verletzung der im Erschließungsvertrag enthaltenen Sicherungsabrede abgeleitet werden könne und öffentlich-rechtlicher Natur sei. Dies begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.

aa) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist nicht wie ein Rückforderungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürgen zu behandeln. Dessen Anspruch beruht auf § 812 BGB. Der Rückforderungsanspruch des Hauptschuldners, der eine Bürgschaft gestellt und dem Bürgen nach dessen Inanspruchnahme durch den Gläubiger die Aufwendungen erstattet hat, ergibt sich dagegen aus der Sicherungsabrede zwischen ihm und dem Gläubiger (BGH NJW 1999, 55 LS 2). Aus dem Inhalt und dem Zweck der Sicherungsabrede folgt nämlich die Verpflichtung des Gläubigers, die Sicherung zurückzugewähren, sobald feststeht, dass der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann. Hat der Gläubiger die ihm als Sicherheit geleistete Bürgschaft zu Unrecht verwertet, so hat er folglich dem Hauptschuldner, der seinerseits den Bürgen befriedigt hat, die erhaltene Zahlung zu erstatten (BGH aaO. S. 56). Dagegen fehlt es an einer unmittelbaren Leistung im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger. So liegt es hier. Die Klägerin leitet ihren Rückforderungsanspruch nicht aus dem zwischen der Beklagten und der Kreissparkasse geschlossenen Bürgschaftsvertrag ab, sondern stützt die Klage auf die Sicherungsabrede im Erschließungsvertrag vom 30.3.1982 bzw. dessen Verletzung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung.

bb) Der Erschließungsvertrag war ursprünglich in § 123 Abs. 3 des am 30.6.1961 in Kraft getretenen Bundesbaugesetzes (BBauG) geregelt und ging wortgleich in § 124 Abs. 1 des am 1.7.1987 in Kraft getretenen Baugesetzbuches (BauGB) über. Danach kann die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag an einen Dritten übertragen. Dieser Vertrag ist nach herrschender Meinung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach § 54 VwVfG bzw. Art. 54 BayVwVfG (BVerwG NJW 1992, 1642; NVwZ 1996, 796; Schrödter/Quaas BauGB 6. Aufl. § 124 Rn. 2 m.w.N.). Dies folgt daraus, dass sein Gegenstand, die Erschließung nach § 123 BauGB, dem öffentlichen Recht zugeordnet ist. Er beseitigt zwar die Erschließungslast der Gemeinde nicht, überträgt aber die Durchführung der Erschließungsarbeiten auf einen Unternehmer auf dessen Rechnung und Verantwortung und schließt die Erhebung von Erschließungsbeiträgen aus, soweit der Gemeinde kein erstattungsfähiger Kostenaufwand entstanden ist (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Grziwotz § 124 Rn. 10 m.w.N.).

cc) Die vorliegende Sicherungsabrede ist wesentlicher Bestandteil des Erschließungsvertrages und teilt dessen rechtliches Schicksal. Die Erschließungslast gemäß § 123 Abs. 1 BBauG bzw. § 123 Abs. 1 BauGB bleibt als Selbstverwaltungsaufgabe so lange unberührt, bis die Erschließung in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang durchgeführt ist. Die Gemeinde muss daher schon im Erschließungsvertrag Vorsorge treffen, dass die sie treffende Selbstverwaltungsaufgabe von dem die Erschließung Übernehmenden so erfüllt wird, dass keine sie belastende Resterschließung bleibt. Aus diesem Grunde wird die Sicherungsabrede vom öffentlich-rechtlichen Charakter des Erschließungsvertrages erfasst (vgl. BGH NJW 1970, 2107/2108; OVG NRW ZMR 1989, 75/76; Battis/Krautzberger/Löhr BauGB 8. Aufl. [2002] § 124 Rn. 3; Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauBG [2003] § 124 Rn. 56; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 6. Aufl. [2001] § 54 Rn. 146). Der auf die Sicherungsabrede bzw. auf positive Vertragsverletzung gestützte Erstattungsanspruch folgt damit den für den öffentlich-rechtlichen Vertrag geltenden Regeln und ist somit öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BGH NJW 1988, 1731/1732; 1994, 2620/2621).

b) Keinen rechtlichen Bestand kann aber die Auffassung des Berufungsgerichts haben, der geltend gemachte - öffentlich-rechtliche - Zahlungsanspruch der Klägerin sei gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayAGBGB erloschen. Nach dieser Vorschrift erlöschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegen eine bayerische Gemeinde, soweit nicht anderes bestimmt ist, in drei Jahren.

aa) Zwar geht es hier um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch und es sind bei Klageerhebung am 2.7.2001 mehr als drei Jahre vergangen seit seiner von der Klägerin behaupteten Entstehung am 1.1.1991. Für Forderungen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen ist aber "etwas anderes bestimmt". Nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG sind dort ergänzend die Vorschriften des BGB anzuwenden. Das gilt grundsätzlich auch für dessen Verjährungsvorschriften (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs § 62 Rn. 32). Für Forderungen aus dem am 30.3.1982 abgeschlossenen Erschließungsvertrag gilt daher grundsätzlich die Verjährung von 30 Jahren nach § 195 BGB a.F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB). Die Verjährungsfrist für den behaupteten Anspruch ist daher durch Klageerhebung am 2.7.2001 rechtzeitig unterbrochen worden (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG, § 209 Abs. 1 BGB a.F.).

bb) Die nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG ergänzende Geltung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches für öffentlich-rechtliche Verträge hat jedenfalls seit Inkrafttreten des BayVwVfG am 1.1.1977 Vorrang vor den gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB nur nachrangig geltenden Erlöschensbestimmungen des Art. 71 AGBGB (BayVGH vom 18.2.1993 BayVBl 1994, 213/214; vom 9.2.2000 BayVBl 2001, 54; Sprau Justizgesetze in Bayern Art. 71 AGBGB Rn. 19 a.E.; Kopp/Ramsauer VwVfG 8. Aufl. [2003] § 53 Rn. 12; § 62 Rn. 6c; a.A.: König/Meins VwVfG [1989] Art. 53 Rn. 2; Art. 62 Rn. 12; Giehl Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern Art. 62 Rn. 4; Berg/Knemeyer/Papier/Steiner Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern 6. Aufl. Teil B Rn. 7; Reither BayVBl 2001, 278). Der Senat folgt dieser Auffassung in Übereinstimmung mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der für Fragen des öffentlich-rechtlichen Vertrags zuständig ist. Das Oberlandesgericht hat sich mit dessen Rechtsprechung nicht auseinander gesetzt, obwohl sich die Klägerin darauf in der Berufungsverhandlung ausdrücklich gestützt hat.

(1) Sowohl Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB als auch Art. 62 Satz 2 BayVwVfG enthalten eine Subsidiaritätsklausel (vgl. Reither aaO.). Über Art. 62 Satz 1 BayVwVfG ist nämlich auch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG für den öffentlich-rechtlichen Vertrag grundsätzlich anwendbar, der bestimmt, dass die Vorschriften des BayVwVfG, also auch die Verweisungsvorschrift des Art. 62 Satz 2 BayVwVfG, nur gelten, soweit nicht Rechtsvorschriften des Freistaats Bayern inhaltsgleiche oder entgegenstehende Regelungen enthalten. Als entgegenstehende Regelung kommt Art. 71 BayAGBGB in Betracht, da er die Wirkungen des Zeitablaufs auf eine öffentlich-rechtliche Geldforderung anders regelt als die über Art. 62 Satz 2 BayVwVfG anwendbaren Verjährungsvorschriften des BGB.

Bei der Klärung des Verhältnisses der beiden aufeinander verweisenden Vorschriften ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.1.1977 gleichzeitig mit dem bundesrechtlichen VwVfG in Kraft gesetzten BayVwVfG seinen Willen zur Rechtsvereinheitlichung kund getan hat (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs § 1 Rn. 208); der bayerische Gesetzgeber ist von der ergänzenden Geltung des BGB für den öffentlich-rechtlichen Vertrag über Art. 62 BayVwVfG (entsprechend der gleich lautenden bundesrechtlichen Vorschrift) ausgegangen (LT-Drucks. 8/3551 S. 34). Durch die Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrags im VwVfG und im BayVwVfG hat der Gesetzgeber diesen als legitimes Mittel des öffentlichen Verwaltungshandelns endgültig anerkannt und damit eine bereits seit langem bestehende Verwaltungspraxis sanktioniert (vgl. Giehl Art. 54 Rn. 1). Im Hinblick darauf tragen die Vorschriften des BayVwVfG über den öffentlich-rechtlichen Vertrag den Charakter einer spezialgesetzlichen Sonderregelung.

Demgegenüber fußt Art. 71 AGBGB auf den Regelungen in § 31 bis 34 des Finanzgesetzes vom 28.12.1831, die in die Art. 124, 125 AGBGB 1899 übernommen wurden und denen nunmehr Art. 71 BayAGBGB gemäß Gesetz vom 27.7.1973 (GVBl S. 426, S. 531), in Kraft seit 1.8.1973, entspricht (vgl. Sprau Art. 71 AGBGB Rn. 2). Aufgrund der historischen Entwicklung dieser Vorschrift besteht kein Grund zu der Annahme, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des BayVwVfG in Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB eine auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag zugeschnittene Spezialvorschrift im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gesehen hat, welche die über Art. 62 BayVwVfG geregelte entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschriften des BGB verdrängt.

(2) Die Regelung in Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB passt weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn und Zweck auf Geldforderungen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen. Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayAGBGB beginnt die zum Erlöschen der öffentlich-rechtlichen Geldforderung führende Frist mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, jedoch nicht vor dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig wird. Bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, welcher nach Art. 57 BayVwVfG der Schriftform bedarf, sind jedoch die anspruchsbegründenden Tatsachen und/oder die Person des Verpflichteten von vorneherein bekannt. Art. 71 BayAGBGB ist eine Schutzvorschrift und trägt der bei gesetzlichen Ansprüchen häufig auftretenden Ungewissheit über die Entstehung und die Person des Schuldners Rechnung (Sprau Art. 71 AGBGB Rn. 1). Dagegen ist für den Schuldner vertraglicher Ansprüche ein vergleichbares Schutzbedürfnis nicht gegeben.

(3) Aus dem Hinweis auf Art. 53 BayVwVfG in Art. 71 Abs. 2 Halbsatz 2 BayAGBGB kann nicht gefolgert werden, dass andere Vorschriften des BayVwVfG nicht anwendbar sind. Art. 53 BayVwVfG betrifft die Unterbrechung der Verjährung eines Anspruchs durch Verwaltungsakt. Diese Bestimmung steht nicht in dem den öffentlich-rechtlichen Vertrag betreffenden Vierten Teil des BayVwVfG. Forderungen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen können jedoch nicht durch Verwaltungsakt, also einseitig hoheitlich, geltend gemacht werden, weil sich hier die Vertragspartner auf gleicher Ebene gegenüberstehen. Art. 53 BayVwVfG hat folglich nur für gesetzliche bzw. auf Verwaltungsakt beruhende Ansprüche Bedeutung.

3. Da das Berufungsgericht zu Unrecht die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs angenommen hat, ist das Berufungsurteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Die Sache wird gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die Begründetheit des von der Beklagten auch in seinen tatsächlichen Voraussetzungen bestrittenen Anspruchs der Klägerin nicht geprüft hatte.



Ende der Entscheidung

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