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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2001
Aktenzeichen: 2 ObOWi 17/01
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst.
Redaktioneller Leitsatz:

Die Geschwindigkeitsmessung eines dem Polizeifahrzeug nachfahrenden Kraftfahrzeugs mit einem Proof-Speed-Messgerätes bietet eine genügende Beweisgrundlage, wenn der gleichbleibende Abstand zwischen beiden Fahrzeugen sicher beobachtet werden konnte.


BayObLG Beschluss

2 ObOWi 17/01

26.01.01

Tatbestand

Der Betroffene fuhr am 29.10.1999 um 11.15 Uhr mit einem Pkw auf der Bundesstraße von C. kommend in Richtung S. Im Gemeindebereich von Sc. hielt er zwischen km 26,5 und 27,0 statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h eine Geschwindigkeit von 159 km/h ein. Unter Berücksichtigung einer Messtoleranz von 10 % betrug die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mindestens 143 km/h.

Die Geschwindigkeit wurde durch Vorausfahren mit einem Zivilfahrzeug der Polizei ermittelt, das mit einem Proof-Speed-Meßgerät ausgerüstet war und vom Zeugen PHM S. gesteuert wurde. Der Zeuge verfolgte einen Pkw, dessen Fahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt, und beobachtete die von ihm gefahrene Geschwindigkeit anhand des genannten Geräte. Die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gesteuerten Pkw wurde durch ständiges Blicken in den Rückspiegel festgestellt, wobei keine bemerkbaren Verlangsamungen des nachfahrenden Pkw festgestellt werden konnten".

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zur Geldbuße von 200 DM und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts sind unzureichend.

a) Wie die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist auch die durch Vorausfahren als Beweismittel grundsätzlich anerkannt. Wie jene hat aber auch sie einer Reihe von Vorgaben zu entsprechen, um verwertbar zu sein. Dazu zählen eine genügend lange Messstrecke und ein nicht zu großer, gleichbleibender Abstand zwischen dem überprüften Fahrzeug und dem vorausfahrenden Polizeifahrzeug. Damit Änderungen des Abstands rechtzeitig bemerkt werden können, darf dieser nicht zu groß sein. Er soll möglichst dem "halben Tacho-Abstand" entsprechen und ca. 100 m bei Geschwindigkeiten von über 90 km/h nicht überschreiten; die Messstrecke soll nicht kürzer sein als 500 m (BayObLG NZV 1997, 322/323 m.w.N.).

b) Schon diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Zwar war die Messstrecke mit 500 m gerade noch ausreichend lang. Es fehlen aber jedwede Feststellungen zum - gleichbleibenden - Abstand. Von diesen kann bei Einsatz des Proof-Speed-Meßgeräts nur dann abgesehen werden, wenn es um die Messung der Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs geht, weil dessen Abstand zu dem ihm folgenden Messfahrzeug - anders als der zwischen dem Messfahrzeug und dem folgenden Fahrzeug - auf dem Videoband festgehalten und damit durch den Tatrichter nachprüfbar ist (vgl. BayObLGSt 1998, 109/110 NZV 1998, 421/422).

Möglicherweise wollte das Amtsgericht mit der Feststellung, der Zeuge habe durch ständiges Blicken in den Rückspiegel die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gelenkten Fahrzeugs ermittelt und dabei keine "bemerkbaren Verlangsamungen" festgestellt, (auch) zum Ausdruck bringen, der Abstand sei (in etwa) gleich geblieben. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht unzureichend.

Zum einen wird der Abstand schon nicht konkret mitgeteilt, so dass nicht beurteilt werden kann, ob er den oben genannten Vorgaben entspricht. Zum anderen kommt, was das Amtsgericht offensichtlich nicht bedacht hat, hinzu, dass es bei der Geschwindigkeitsmessung durch Vorausfahren noch schwieriger als bei der durch Nachfahren ist, den Abstand zuverlässig zu schätzen und beizubehalten. Dem Urteil muss daher zu entnehmen sein, dass der Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung den besonderen Umständen des konkreten Falls Rechnung getragen hat und sich möglicher Fehlerquellen bewusst war, die gegebenenfalls die Verwertbarkeit der Messung in Frage stellen, zumindest einen höheren Toleranzwert erfordern können (BayObLG NZV 1997, 322/323).

Im konkreten Fall ist überdies die Besonderheit zu berücksichtigen, dass das Polizeifahrzeug nach den Urteilsfeststellungen allein mit dem Zeugen PHM S. besetzt war. Dieser musste sich bei der hohen Geschwindigkeit von 159 km/h zunächst auf das Führen des eigenen Fahrzeugs konzentrieren. Zudem galt sein Hauptaugenmerk offensichtlich der Ermittlung der Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuge, wobei er insbesondere auf die Einhaltung eines gleichbleibenden, dem Richtwert entsprechenden Abstands zu diesem Fahrzeug zu achten hatte; dies erforderte eine ständige Anpassung an die Geschwindigkeit des Vorausfahrenden. Dass er zusätzlich "ständig" in den Rückspiegel geblickt und dabei eine im wesentlichen gleichbleibende Geschwindigkeit des nachfolgenden Fahrzeugs festgestellt haben kann, ist ohne weitere Feststellungen schwerlich nachvollziehbar.

Schließlich reicht der vom Amtsgericht berücksichtigte Toleranzwert von 10 % nur dann aus, wenn das Geschwindigkeitsmessgerät - noch gültig - geeicht ist (BayObLGSt 1998, 109/111; BayObLG NZV 1997, 322/323). Auch hierzu finden sich im Urteil keine Feststellungen. Es mag nahe liegen, versteht sich jedoch keineswegs von selbst.

Ende der Entscheidung

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