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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 2 ObOWi 681/03
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a Abs. 2
1. Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes von § 24a Abs.2 StVG setzt voraus, dass die Substanz des berauschenden Mittels, das in der Anlage benannt ist, zum Zeitpunkt des Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr gewirkt hat.

2. Der Nachweis von Methamphetamin im Blut eines Kraftfahrzeugführers erfüllt allein den Tatbestand des § 24a Abs.2 StVG noch nicht.

3. Hat sich zum Zeitpunkt des Führens des Kraftfahrzeuges Methamphetamin durch Stoffwechseleinwirkung bereits (teilweise) zu Amphetamin umgebaut, ist der objektive Tatbestand des § 24a StVG erfüllt. Erfolgt die (teilweise) Verstoffwechslung von Methamphetamin (nicht ausschließbar) zeitlich erst nach dem Führen eines Kraftfahrzeuges, kommt eine Verurteilung nach § 24a Abs.2 StVG nicht in Betracht.


Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens von Kraftfahrzeugen unter Rauschmitteleinwirkung zu einer Geldbuße von 500 Euro und verhängte ein dreimonatiges Fahrverbot.

Mit der Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Beweisantrag nicht verbeschieden. Weiterhin werde die Rechtsauffassung des Amtsgerichts zu den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 24a Abs.2 StVG von dieser Vorschrift nicht getragen.

Die statthafte (§ 79 Abs.1 Nrn.1 und 2 OWiG) und im Übrigen zulässig eingelegte Rechtsbeschwerde führte auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs.3 OWiG i.V.m. § 353 Abs.1 und 2 StPO).

Gründe:

1. Zum Schuldvorwurf hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 2.2.2003 fuhr der Betroffene gegen 21.00 Uhr mit seinem Pkw, auf öffentlichen Straßen. Zum Zeitpunkt dieser Fahrt stand der Betroffene unter der Wirkung von Amphetamin. Eine dem Betroffenen am Tattag um 21.46 Uhr entnommene Blutprobe ergab, dass sich im Blut des Betroffenen Amphetamin in einer Konzentration von 39 ng/ml und Methamphetamin in einer Konzentration von 158 ng/ml befunden hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass zum Zeitpunkt der Fahrt lediglich Methamphetamin im Blut des Betroffenen vorhanden war und dieses erst nach Anhaltung, aber vor der Blutentnahme zu Amphetamin verstoffwechselt wurde."

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Aufgrund des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin, welches hinsichtlich der gutachterlichen Stellungnahme in der Beweisaufnahme verlesen wurde, steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass sich zum Zeitpunkt der Blutentnahme sowohl Amphetamin in einer Konzentration von 39 ng/ml Blut des Betroffenen befunden hat. Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene lediglich Methamphetamin aufgenommen hat und dieser Stoff in der Folgezeit in Amphetamin verstoffwechselt wurde. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass zum Zeitpunkt der Fahrt noch keine Verstoffwechslung von Metahamphetamin in Amphetamin stattgefunden hatte, so dass zum Zeitpunkt der Fahrt lediglich Methamphetamin im Blut des Betroffenen vorhanden war."

Das Amtsgericht ist zunächst richtig davon ausgegangen, dass derjenige eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs.2 StVG begeht, der unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.

Hinsichtlich der vorliegenden Problematik hat das Amtsgericht dann weiter ausgeführt:

"Soweit von Seiten der Verteidigung darauf hingewiesen wurde, dass der Tatbestand des § 24a Abs.2 StVG nicht erfüllt sei, wenn zwar Amphetamin im Blut nachgewiesen wird, jedoch kein Nachweis dafür geführt werden kann, dass dieses Amphetamin bereits zum Zeitpunkt der Fahrt im Blut gewesen ist, teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Zu bedenken ist hierbei, dass für den Fall, dass das später bei dem Betroffenen festgestellte Amphetamin ausschließlich durch Verstoffwechslung entstanden sein sollte und nicht ausschließbar diese Verstoffwechslung erst nach Anhaltung des Betroffenen, aber vor Blutentnahme stattgefunden hat, jedenfalls zum Zeitpunkt der Fahrt bereits Methamphetamin im Blut des Betroffenen vorhanden war. § 24a Abs.2 Satz 2 StVG stellt aber ausdrücklich nicht darauf ab, dass nachgewiesen wird, dass der berauschende Stoff - hier Amphetamin - bereits zum Zeitpunkt der Fahrt in der Form vorgelegen hat, die der Auflistung im Anhang zu § 24a StVG entspricht. Vielmehr ist allein erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Fahrt eine Substanz - hier Methamphetamin - im Blut vorhanden ist, welche durch Verstoffwechslung in ein in der Anlage zu § 24a StVG genanntes Betäubungsmittel umgewandelt wird. Wesentlich ist deshalb lediglich, dass ausgeschlossen werden kann, dass zwischen der Anhaltung des Betroffenen und der Blutentnahme berauschende Mittel aufgenommen wurden. Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, zumal dies vom Betroffenen nicht einmal selbst behauptet wurde und er sich durchgängig im Polizeigewahrsam befand."

2. Die Rechtsauffassung, dass es für die Erfüllung des Tatbestandes des § 24a Abs.2 StVG ausreicht, dass zum Zeitpunkt der Fahrt Methamphetamin im Blut des Betroffenen vorhanden war, das nicht ausschließbar später (teilweise) in Amphetamin verstoffwechselt wurde, wird von dieser Gesetzesvorschrift nicht getragen.

a) Bei Methamphetamin handelt es sich um eine stark stimulierende Droge, die als leistungssteigerndes Präparat eng mit der Geschichte des Dopings verbunden ist (Knecht Kriminalistik 2002, 402 ff.). Methamphetamin weist eine nahe chemische Verwandtschaft zu Amphetamin und zu den Neurotransmittern Adrenalin und Noradrelanin auf (Knecht aaO). Straßenverkehrsunfälle sind aufgrund der Selbstüberschätzung und gesteigerten Aggressivität von Methamphetamin-Konsumenten wegen ihres zu schnellen, unkontrollierten, unberechenbaren und risikobereiten Fahrstils häufiger zu erwarten (Knecht aaO unter Hinweis auf eine Studie von Karch). Diese Wirkungsweise und die mit der Aufnahme von Methamphetamin einhergehende Verstoffwechselung in den Wirkstoff Amphetamin macht die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, die auf die Sicherheit des Straßenverkehrs abzielt, nachvollziehbar.

b) Die derzeitige Gesetzeslage rechtfertigt einen Schuldspruch nach § 24a Abs.2 StVG bei bloßem Feststellen von Methamphetamin zum Zeitpunkt der Fahrt jedoch nicht. Ordnungswidriges Handeln setzt nach § 24a Abs.2 StVG voraus, dass eine der in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Substanzen zum Zeitpunkt des Führens eines Kraftfahrzeuges im Blut nachgewiesen ist. Als solche Substanzen sind Amphetamin und Designer-Amphetamine mit den Substanzen MDE oder MDMA aufgeführt. Die Frage, ob alle Designer-Amphetamine erfasst sind (hierzu Stein NZV 1999, S.441/442 f.), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da nach der chemisch-toxikologischen Untersuchung ein Designer-Amphetaminderivat nicht nachzuweisen war.

Der Schuldspruch könnte nur dann Bestand haben, wenn der Nachweis von Methamphetamin im Blut zum Zeitpunkt der Fahrt den Tatbestand des § 24a Abs.2 StVG i.V.m. der Anlage (zu § 24a) erfüllt. Dies könnte schon in der Weise der Fall sein, dass Methamphetamin zu den Substanzen zu rechnen ist, die in der Liste der berauschenden Mittel und Substanzen als Anlage zu § 24a StVG aufgeführt sind oder dadurch, dass Methamphetamin im Körper grundsätzlich teilweise zu Amphetamin umgebaut wird.

Beides erfüllt indes den Tatbestand des § 24a Abs.2 StVG nicht.

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 24a Abs.2 StVG nur das Vorhandensein bestimmter chemischer Substanzen im Blut dem Ordnungswidrigkeitentatbestand zugrunde gelegt. Dies ergibt sich aus der enumerativen Aufzählung der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu § 24a StVG und auch der Ausgestaltung der Änderungsmöglichkeit dieser Anlage durch § 24a Abs.5 StVG, die es erleichtert, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu reagieren und weitere chemische Substanzen in die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen aufzunehmen. Eine erweiternde Tatbestandsauslegung würde gegen Art.103 Abs.2 GG und § 1 StGB verstoßen und eine unzulässige Analogie darstellen (hierzu Tröndle/Fischer StGB 51.Aufl. § 1 Rn.2 und 10 m.w.N.). Wegen der exakten Bezeichnung der berauschenden Mittel und der chemischen Substanzen in der Anlage zu § 24a StVG kann die chemische Substanz Methamphetamin nicht im Wege der Auslegung der chemischen Substanz Amphetamin zugeordnet werden, da dies eine unzulässige Korrektur darstellen würde (hierzu BVerfGE 71, 108/115 und 73, 206/236). Der Normzweck kann eine analoge Anwendung nicht rechtfertigen (BVerfGE 64, 389/393).

Nicht ausreichend ist es auch, dass im Blut eine chemische Substanz vorhanden ist, die zu einem berauschenden Mittel und einer chemischen Substanz abgebaut oder umgewandelt wird, die in die Anlage zu § 24a StVG aufgenommen ist. Erforderlich ist vielmehr, dass bereits zum Zeitpunkt des Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr eine Verstoffwechslung in eine solche chemische Substanz erfolgt ist, die in der Anlage zu § 24a StVG enthalten ist. Der Gesetzgeber hat mit § 24a Abs.2 StVG einen Gefährdungstatbestand geschaffen, der ein allgemeines Verbot ausspricht und auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit im Einzelfall nicht abstellt. Ausweislich der Begründung zum ÄndG v. 28.4.1998 (BT-Drucks. 13/3764) kann eine Dosis-Wirkungsbeziehung - anders als beim Alkohol - zwischen den benannten berauschenden Mitteln und ihrem Einfluss auf Leistungseinbußen beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht in der Weise festgestellt werden, dass sie erst ab bestimmten Grenzwerten gegeben ist. Deshalb wurde der Ordnungswidrigkeitentatbestand so geschaffen, dass eine Wirkung zu bejahen ist, wenn eine in der Anlage zu § 24a StVG genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird (§ 24a Abs.2 Satz 2 StVG). Für die Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage bedarf es insoweit keiner abschließenden Beurteilung, inwieweit diese gesetzestechnische Ausgestaltung materiellrechtliche und beweisrechtliche Aspekte verbindet und ob der Nachweis i.S.v. § 24a Abs.2 Satz 2 StVG nur durch Blutanalyse geführt werden kann (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 484 und hierzu kritisch Stein NZV 1999, 441 f./444 ff. und NZV 2001, 485 f.). Die Anknüpfung der Wirkung an eine nachgewiesene chemische Substanz im Blut eines Fahrzeugführers setzt aber gerade voraus, dass diese konkrete Substanz zum Zeitpunkt des Führens des Kraftfahrzeuges vorlag. Dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt durch Stoffwechseleinwirkung entstanden ist, erfüllt den Tatbestand genauso wenig wie die Aufnahme einer solchen Substanz zu einem Zeitpunkt nach dem Führen eines Kraftfahrzeuges.

Der Schuldspruch kann daher auf die vom Amtsgericht vertretene Rechtsauffassung nicht gestützt werden.

3. Eine eigene Entscheidung des Senats nach § 79 Abs.6 OWiG scheidet aus, da die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen. Zwar hat das Amtsgericht festgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass zum Zeitpunkt der Fahrt noch keine Verstoffwechslung von Methamphetamin in Amphetamin stattgefunden habe. Diese Feststellung wird mit einem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin begründet. Ausreichende Anknüpfungstatsachen, die zu dieser Schlussfolgerung führen, hat das Amtsgericht aber nicht benannt. Die wesentlichen tatsächlichen Anknüpfungstatsachen, die eine solche Schlussfolgerung tragen, waren aber in den Urteilsgründen aufzuführen (BGHSt 12, 311/314; Göhler OWiG 13.Aufl. § 71 Rn.43 d und Meyer-Goßner StPO 46.Aufl. § 267 Rn.13, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Der Senat kann diese Bewertung, die zum Freispruch des Betroffenen führen würde, daher mangels Überprüfbarkeit seiner Entscheidung nicht zugrundelegen. Aus dem erstellten Gutachten der Rechtsmedizin, auf das wegen der zulässig erhobenen Verfahrensrüge zurückgegriffen werden kann, ergibt sich im Übrigen diese Schlussfolgerung nicht. Die gutachterliche Äußerung, wonach Methamphetamin teilweise zu Amphetamin verstoffwechselt wird und die erhobenen Befunde sich auch mit der alleinigen Aufnahme von Methamphetamin (Speed) vereinbaren ließen, trägt die amtsgerichtliche Schlussfolgerung nicht.

Zwar hat der Verteidiger im Zusammenhang mit einem gestellten Antrag zur Erholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass derzeit keine verlässlichen Aussagen zur Geschwindigkeit der Verstoffwechslung von Methamphetamin zu Amphetamin möglich seien. Dies bedarf allerdings einer Beurteilung durch einen Sachverständigen.

Die Sache wird daher zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs.6 OWiG).

4.Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Ergibt die Sachverständigenbegutachtung, dass beim Betroffenen zum Zeitpunkt der Fahrt bereits eine im Blut nachweisbare Verstoffwechslung von Methamphetamin zu Amphetamin geschehen war, bedarf es keiner weiteren Überprüfung der Wirkstoffkonzentration. Soweit der Verteidiger des Betroffenen vorträgt, es müsse ein bestimmter Grenzwert überschritten sein und die bisher bei der späteren Blutuntersuchung festgestellte Wirkstoffkonzentration von Amphetamin habe im therapeutischen Konzentrationsbereich gelegen, würde dies die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nach § 24a Abs.2 StVG nicht entfallen lassen. Eine bestimmungsgemäße Einnahme eines verschriebenen Arzneimittels nach § 24a Abs.2 Satz 3 StVG liegt ersichtlich nicht vor. Eine Wirkstoffgrenze oder Mindestgrenze oder eine konkrete rauschmittelbedingte Beeinträchtigung beim Führen des Kraftfahrzeuges sind nicht Voraussetzung für den objektiven Tatbestand (Hentschel Straßenverkehrsrecht 37.Aufl. § 24a StVG Rn.21 m.w.N.). Lag zum Zeitpunkt der Fahrt durch Stoffwechseleinwirkung ein Umbau von Methamphetamin auf Amphetamin bereits vor, so ist zu prüfen, ob der Betroffene insoweit zumindest fahrlässig gehandelt hat. Eine vorhergehende Aufnahme der Substanz Methamphetamin durch Einnahme der Droge "Speed" wird regelmäßig fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der im Körper erfolgenden Umwandlung in Amphetamin begründen (vgl. hierzu KG NZV 2003, 250 und Stein NZV 2003 aaO, 251 f.).

Ende der Entscheidung

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