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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2000
Aktenzeichen: 2 St RR 185/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 40 Abs. 3 | |
StPO § 329 Abs. 1 Satz 1 |
BayObLG Beschluß
12.10.00
Tatbestand:
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 DM. Das Landgericht verwarf seine Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechte gestützte Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Mit der ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte zunächst, die Voraussetzungen für die Verwerfung seiner Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO seien nicht erfüllt gewesen, weil er nicht ordnungsgemäß geladen worden sei; das Berufungsgericht hätte ihn vor Anordnung der öffentlichen Zustellung zunächst unter seiner letzten Anschrift laden müssen. Die Rüge ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten rechtsfehlerfrei gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil bei Beginn der Berufungshauptverhandlung weder der Angeklagte noch ein Vertreter erschienen und das Ausbleiben nicht entschuldigt war.
a) Das Landgericht hatte den Angeklagten ordnungsgemäß zur Berufungshauptverhandlung geladen, insbesondere zu Recht die öffentliche Zustellung der Ladung angeordnet. Denn die Zustellung der Ladung war unter der Anschrift, unter der letztmals zugestellt worden war bzw. die der Angeklagte zuletzt angegeben hatte, nicht möglich (§ 40 Abs. 3 StPO).
Die Anordnung der öffentlichen Zustellung nach dieser Vorschrift setzt nicht ausnahmslos voraus, dass das Gericht zunächst eine Zustellung unter der letzten bekannten Anschrift des Angeklagten versucht hat. Nicht möglich im Sinne von § 40 Abs. 3 StPO ist die Zustellung nach dem Wortsinn auch dann, wenn dem Berufungsgericht aufgrund zuverlässiger Auskunft positiv bekannt ist, dass eine Ladung des Angeklagten zur Verhandlung über seine Berufung unter der zuletzt bekannten Anschrift nicht durchführbar ist, weil er dort nicht mehr wohnt (und sein derzeitiger Aufenthalt unbekannt ist). So liegt es hier: Das Landgericht hatte von der Gemeindeverwaltung des letzten Wohnortes des Angeklagten erfahren, dass dieser sich am 19.8.1999 abgemeldet hatte und ohne Angabe einer Anschrift nach Sp. verzogen war. Diese Auskunft stimmte überein mit dem vom Angeklagten ausgefüllten und unterzeichneten Abmeldeformular. Aus welchem Anlaß dem Landgericht diese Auskunft zuteil geworden war, ist für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 StPO erfüllt waren, ohne Belang; entscheidend sind allein ihr Inhalt und ihre Verläßlichkeit. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte entgegen dieser Auskunft unter der letzten bekannten Anschrift noch eine Wohnung unterhielt und für Zustellungen erreichbar war, bestanden nicht. Eine Anfrage beim Verteidiger hatte ergeben, dass auch diesem eine ladungsfähige Anschrift des Angeklagten nicht bekannt war. Unter diesen Umständen vor Anordnung der öffentlichen Zustellung einen Ladungsversuch zu verlangen, dessen Scheitern mit Sicherheit zu erwarten war, wäre ein dem Zweck des § 401 Abs. 3 StPO widersprechender bloßer Formalismus. Denn diese Vorschrift will es dem Gericht gerade ersparen, zeit- und arbeitsaufwendige Ermittlungen nach einem Angeklagten anzustellen, der das Berufungsverfahren (möglicherweise) dadurch verzögern will, dass er seinen Wohnsitz aufgibt und sich an einem dem Gericht nicht bekannten Ort aufhält. Dem Angeklagten wird daher eine Mitwirkungspflicht auferlegt. Wenn er Rechtsnachteile, insbesondere die Verwerfung seiner Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO und den Eintritt der Rechtskraft des Berufungsurteils vermeiden will, muß er dem Berufungsgericht seine neue Anschrift mitteilen (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 40 Rn. 5; LR/Wendisch StPO 25. Aufl. § 40 Rn. 10, 11, 13).
Für die Anordnung der öffentlichen Zustellung gemäß § 40 Abs. 1 StPO genügt es, dass die Annahme begründet erscheint, das zuzustellende Schriftstück werde nicht in die Hände des Adressaten gelangen (KK/Maul StPO 4. Aufl. § 40 Rn. 4). Es erschiene verfehlt, für die Anordnung gemäß § 40 Abs. 3 StPO mehr zu verlangen; denn diese Vorschrift stellt für das Verfahren über die Berufung des Angeklagten gerade erleichterte Voraussetzungen für die öffentlichen Zustellung auf (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 40 Rn. 5), um missbräuchliche Verfahrensverzögerungen zu verhindern und damit die Verfahrenserledigung zu beschleunigen (LR/Wendisch § 40 Rn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO).
b) dass er für sein Ausbleiben Entschuldigungsgründe vorgebracht habe oder dass solche für das Berufungsgericht ersichtlich gewesen seien, macht der Angeklagte nicht geltend. Welche Vorstellungen er hinsichtlich der Konsequenzen seiner Abmeldung für das weitere Verfahren hatte, ist schon deshalb unerheblich, weil sie dem Berufungsgericht nicht bekannt waren und auch nicht bekannt sein mußten.
2. Die weiter erhobene Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der behauptete Verstoß gegen § 301 StPO ist schon nicht schlüssig dargelegt. Über die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde nicht verhandelt, so dass sich die Frage der Anwendung dieser Vorschrift von vornherein nicht stellte.
Dass das Landgericht unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht über die Berufung der Staatsanwaltschaft verhandelt habe, behauptet der Angeklagte nicht ausdrücklich. Im übrigen ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht gezwungen, über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln (vgl. § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO "kann").
3. Die Sachrüge führt, da das angefochtene Urteil keinen sachlich-rechtlichen Inhalt hat, nur zur Prüfung, ob Verfahrenshindernisse vorliegen (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 329 Rn. 49 m.w.N.); solche sind nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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