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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 1/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 48 Abs. 3 Satz 2
1. Sieht die Gemeinschaftsordnung einer aus einer Tiefgarage und Wohnhäusern bestehenden Anlage vor, dass zwischen Wohnungen und Tiefgaragenstellplätzen getrennte Abrechnungseinheiten gebildet werden und die Instandsetzung und Instandhaltung von gemeinschaftlichen Flächen, Hauszeilen, Anlagen und Einrichtungen, deren Nutzung nur einem oder einer bestimmten Anzahl von Eigentümern oder Dritten zusteht, den Nutzungsberechtigten obliegen, so entspricht es der nächstliegenden Bedeutung dieser Regelung, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage auch die Kosten für notwendige Sanierungsmaßnahmen an der im Bereich der Tiefgarage befindlichen Bodenplatte und den Stützpfeilern zu tragen haben.

2. Ist es geboten, den Geschäftswert niedriger festzusetzen, als es dem Interesse aller Beteiligten entsprechen würde, ist der Geschäftswert nicht allgemein auf den fünffachen Wert des Eigeninteresses eines Beteiligten zu begrenzen. Im Einzelfall kann die Bestimmung des Geschäftswerts in dieser Höhe jedoch angemessen sein (siehe schon BayObLG NZM 2001, 713).


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Das Wohnungseigentum besteht aus zwei Wohngebäuden mit insgesamt 21 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 57 Einstellplätzen. An den Tiefgaragenstellplätzen ist jeweils Teileigentum begründet. Unter den Teileigentümern dieser Stellplätze befinden sich sowohl Wohnungseigentümer als auch Personen, denen in der Anlage keine Wohnung gehört. Auch verfügt nicht jeder Wohnungseigentümer über einen Stellplatz.

Die Gemeinschaftsordnung bestimmt unter Nr. 14 zu Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums Folgendes:

a) Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, soweit die Eigentümergemeinschaft diese zu tragen hat, und die Kosten der Bewirtschaftung des Objekts sind von den Wohnungseigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Dabei bilden die Wohnungen Nr. 1 bis 21 auf der einen Seite und die Tiefgaragenstellplätze Nr. 22 bis 80 auf der anderen Seite je eine getrennte Abrechnungseinheit. ...

Die Instandsetzung und Instandhaltung von Flächen, Hausteilen, Anlagen und Einrichtungen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, deren Nutzung jedoch nur einem oder einer bestimmten Anzahl von Eigentümern oder Dritten zusteht (z.B. Treppenaufgang) obliegen den Nutzungsberechtigten. ...

b) Die Regelung gemäß a) gilt entsprechend für die Verteilung der Kosten, die mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden sind, sofern die zuständige Eigentümerversammlung nicht ein anderes Kostenverteilungsverhältnis beschlossen hat.

...

Am 27.2.2003 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt 4 zunächst, den Auftrag über Sanierungsarbeiten am Tiefgaragenboden mit einem Kostenrahmen von 75.000 EUR zu vergeben. Unter Tagesordnungspunkt 5 b) beschlossen die Wohnungseigentümer, die Kosten für die Sanierung aus den Rücklagenkonten sowohl der Wohngebäude als auch der Tiefgarage aufzubringen. Für die restlichen Kosten in Höhe von 35.000 EUR wurde die Erhebung einer Sonderumlage nach 1.000stel Miteigentumsanteilen aller Wohnungs- und Teileigentümer beschlossen.

Die Antragsteller, die alle auch Wohnungseigentümer sind, haben beim Amtsgericht beantragt, die Beschlüsse zur Finanzierung der Sanierungsarbeiten in der Tiefgarage für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 7.3.2003 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1 und 2, die Eigentümer nur von Tiefgaragenstellplätzen sind, hat das Landgericht am 27.11.2003 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richten sich deren sofortige weitere Beschwerden. Das Rechtsmittel des Antragsgegners zu 2 ist unbeschränkt. Der Antragsgegner zu 1 nimmt hingegen die Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse hin, soweit auch Kosten von rund 23.000 EUR auf alle Wohnungs- und Teileigentümer umgelegt wurden, die nicht der Standsicherheit und dem Erhalt des gesamten Gebäudes dienen.

II.

1. Die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragsgegner zu 1 und 2 sind gemäß § 45 Abs. 1 WEG zulässig; insbesondere übersteigt die individuelle Beschwer beider Antragsgegner den Wert von 750 EUR, nämlich bei dem Antragsgegner zu 1 rund 860 EUR und bei dem Antragsgegner zu 2 rund 1.240 EUR.

2. Das Landgericht hat, teils unter Bezugnahme auf das Amtsgericht, ausgeführt:

Die vom Gesetz vorgesehene Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 WEG sei durch die Gemeinschaftsordnung wirksam abbedungen worden. Für Wohnungen und Tiefgaragenstellplätze seien getrennte Abrechnungseinheiten vereinbart. Ferner sei geregelt, dass die Instandsetzung von Flächen, Anlagen und Einrichtungen, die im gemeinsamen Eigentum ständen, deren Nutzung jedoch nur einem oder einer bestimmten Anzahl von Eigentümern oder Dritten zuständen, dem Nutzungsberechtigten obliege. Die Tiefgarage sei nach ihrem Nutzungszweck eindeutig allein den Teileigentümern der Stellplätze zugewiesen. Deshalb seien die beschlossenen Sanierungskosten nur auf sie umzulegen. Dies habe die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich für Teile des Gemeinschaftseigentums bestimmt. Dass die Sanierung der Gemeinschaft insgesamt diene, weil sonst die Standsicherheit der Wohngebäude gefährdet sei, sei unerheblich, weil die Gemeinschaftsordnung allein auf die ausschließliche Nutzungsmöglichkeit des Gemeinschaftseigentums abstelle. Die Tatsache, dass der Tiefgaragenboden auch die Bodenplatte des gesamten Anwesens bilde, mache die Wohnungseigentümer nicht zu Nutzern im Sinne der Gemeinschaftsordnung. Mit der vorgesehenen Maßnahme sei schließlich auch keine Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden. Die Schadensursache finde sich in der fortlaufenden Benutzung der Tiefgarage.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Gemeinschaftsordnung, die vom Senat selbständig und ohne Bindung an die Tatsachengerichte auszulegen ist, enthält in Nr. 14 eine von § 16 WEG zulässigerweise abweichende Regelung für die Tragung von Kosten und Lasten. Danach werden objektbezogen getrennte Abrechnungseinheiten zwischen Wohnungseigentümern einerseits und Teileigentümern andererseits gebildet. Erfasst sind nicht nur die laufenden Bewirtschaftungskosten, sondern auch die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Davon sind alle Maßnahmen umfasst, die der Erhaltung sowie der Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands, etwa durch Reparatur oder Ersetzung beschädigter Gebäudeteile, dienen (siehe Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 21 WEG Rn. 12). Das Prinzip der in der Gemeinschaftsordnung verwirklichten Kostentrennung wird verdeutlicht und verstärkt durch die Regelung in einem weiteren Absatz, wonach für Teile des Wohnungseigentums, deren Nutzung nur einem Eigentümer oder einer bestimmten Anzahl von Eigentümern oder Dritten zusteht, auch nur die Nutzungsberechtigten die Instandhaltung und Instandsetzung vorzunehmen haben. Die für bauliche Veränderungen (§ 22 Abs. 1 WEG) geltende Regelung in Absatz b) ist hingegen für die gegenständliche Sanierungsmaßnahme schon der Sache nach nicht einschlägig.

Die Kostenregelung in der Gemeinschaftsordnung teilt objektbezogen auf. Nach Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. z.B. BayObLG ZMR 2002, 953; FGPrax 2002, 254; ZMR 1999, 48; 1996, 43; Palandt/Bassenge § 10 WEG Rn. 8), ist auch die Bodenplatte mit Stützpfeilern einbezogen, ohne die die Tiefgarage nämlich kein Fundament und keine Decke hätte. Dass die Bodenplatte mit Stützpfeilern auch die Standfestigkeit der oberirdisch über der Tiefgarage befindlichen Wohnhäuser bewirkt, spielt angesichts der objektbezogenen Kostentrennung keine Rolle.

Für die Wohnanlage in ihrem konkreten Zustand ergibt die Regelung auch durchaus einen Sinn. Denn umgekehrt stellt sie die Eigentümer nur von Stellplätzen von einer Kostenbeteiligung gänzlich frei, wenn es etwa um die Sanierung der Wohngebäude selbst geht, mag die Instandsetzungsmaßnahme auch, wie etwa eine Dachsanierung, gleichzeitig den Teileigentümern der Tiefgarage zugute kommen. Die Regelung dient ferner dazu, in einer großen Eigentümergemeinschaft klare Verhältnisse zu schaffen. Dies würde erschwert, wenn im Sanierungsfall zunächst jeweils untersucht werden müsste, ob der zu sanierende Bauteil auch dem anderen Gebäude nützt. Schließlich wird die Vereinbarung auch dem Verursachungsprinzip gerecht, weil sie von der Erwägung ausgeht, dass es im Regelfall die unmittelbaren Benutzer sind, die einen Instandsetzungs- und Instandhaltungsbedarf hervorrufen. Müssten sich auch die Wohnungseigentümer an den Instandsetzungskosten für die Tiefgarage beteiligen, ergäbe sich überdies ein deutliches Ungleichgewicht im Verhältnis zu denjenigen Personen, denen in der Anlage nur Teileigentum an Stellplätzen gehört. Auch "bloße" Wohnungseigentümer ohne Stellplätze wären bei einer anderweitigen Auslegung ersichtlich benachteiligt. All dies spricht für die vom Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen gefundene Auslegung der Gemeinschaftsordnung.

4. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint es dem Senat nach § 47 WEG angemessen, 3/4 der Gerichtskosten den Antragsgegnern zu 1 und 2 samtverbindlich aufzuerlegen. Den Rest der Gerichtskosten hat der Antragsgegner zu 2 allein zu tragen, weil er unbeschränkt sofortige weitere Beschwerde eingelegt hat. Von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten sieht der Senat ab, weil das Verfahren im Interesse aller Wohnungs- und Teileigentümer ersichtlich der Klärung von strittigen Fragen zur Kostenverteilung dient. Überdies sind die Antragsteller wie auch die weitere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht anwaltlich vertreten.

5. Der Geschäftswert bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung. Gegenstand des Anfechtungsverfahrens bildet nicht der Eigentümerbeschluss, der die Sanierung als solche mit einem Kostenaufwand von bis zu 75.000 EUR festlegt. Strittig unter den Wohnungs- und Teileigentümern ist nur, wie dieser Betrag auf die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer umgelegt werden muss. Schon dies rechtfertigt es, das Interesse niedriger als mit den Kosten der Sanierung zu bemessen (siehe BayObLG NZM 2001, 713). Der Senat setzt insoweit einen Betrag von 40.000 EUR an.

Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG ist der Geschäftswert jedoch niedriger festzusetzen, wenn die so berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Herabsetzung erfolgt nicht schematisch, sondern nur nach einer Abwägung der Interessen im konkreten Einzelfall (BayObLG NZM 2001, 713; Niederführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 48 Rn. 28). Unter Berücksichtigung einerseits der Interessen der Antragsgegner zu 1 und 2, andererseits aber auch des Interesses der Gesamtheit der Wohnungseigentümer hält der Senat einen Geschäftswert von 10.000 EUR für angemessen. Dieser Betrag entspricht in etwa dem fünffachen Wert der Eigeninteressen der Antragsgegner zu 1 und 2. Eine allgemeine Begrenzung des Geschäftswerts auf den fünffachen Betrag des Eigeninteresses erschiene hingegen willkürlich (BayObLG NZM 2001, 713).

Ende der Entscheidung

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