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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 100/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
Versäumt der Rechtsanwalt am letzten Tag die Einlegung des Rechtsmittels, weil er sich plötzlich um seine Frau kümmern muß, deren Geburtswehen unerwartet früh einsetzten, so können die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sein.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius

am 5. Juli 2001

in der Wohnungseigentumssache,

wegen Wiederanpflanzung von Bäumen und Beseitigung eines Windschutzes,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 17. Mai 2001 aufgehoben.

II. Den Antragsgegnern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 20. März 2001 gewährt.

III. Die Sache wird zur Entscheidung und Verhandlung an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

IV. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

V. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4500 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Durch Beschluss vom 20.3.2001 hat das Amtsgericht die Antragsgegner zur Wiederanpflanzung verschiedener Bäume und zur Beseitigung eines Windschutzes verpflichtet. Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner, einem Rechtsanwalt, am 26.3.2001 zugestellt.

Am 10.4.2001 ging beim Amtsgericht die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein, verbunden mit einem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs haben die Antragsgegner vorgetragen und durch eine eidesstattliche Versicherung ihres Rechtsanwalts glaubhaft gemacht, am 9.4.2001 habe sich ihr Anwalt in seiner Kanzlei befunden, um die sofortige Beschwerde zu fertigen; gegen 21.00 Uhr sei er von seiner Ehefrau angerufen worden, bei ihr hätten vorzeitig die Wehen eingesetzt, sie müsse ins Krankenhaus gebracht werden; der Rechtsanwalt sei daraufhin nach Hause gefahren, um sich um seine Frau und sein eineinhalbjähriges Kind zu kümmern; aus diesem Anlass habe die Beschwerdeschrift nicht mehr rechtzeitig gefertigt und zum Gericht gebracht werden können.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.5.2001 den Antragsgegnern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die sofortige Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Anwalt der Antragsgegner habe mit der Fertigung der Beschwerdeschrift bis zum letzten Tag der Frist warten dürfen. Für den Fall der Erkrankung müsse ein Rechtsanwalt Vorsorge treffen, dass Fristsachen dennoch rechtzeitig erledigt würden. Dieser Grundsatz gelte erst recht bei der Erkrankung eines Familienangehörigen. Die Wehen der Ehefrau stellten daher keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund dar. Auch bei dem erst auf einen Monat später berechneten Geburtstermin stellten einsetzende Wehen kein plötzliches, unerwartetes Ereignis dar. Vielmehr hätte für diesen Fall Vorsorge getroffen werden müssen. Hinzu komme, dass durch einen kurzen Schriftsatz die Beschwerdefrist hätte gewahrt werden können. Dessen Abfassung wäre dem Rechtsanwalt zumutbar gewesen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Antragsgegner haben die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.3.2001 versäumt (§ 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG). Einem Beschwerdeführer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten, ist auf Antrag vom Beschwerdegericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Eine Versäumung der Frist, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, wird als eine unverschuldete nicht angesehen (§ 22 Abs. 2 Satz 1, 2 FGG).

b) Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint. Dabei hat es die Anforderungen, die an eine Wiedereinsetzung zu stellen sind, überspannt. Die Antragsgegner haben durch eidesstattliche Versicherung ihres Rechtsanwalts glaubhaft gemacht, dass dieser wenige Stunden vor Ablauf der Rechtsmittelfrist von seiner schwangeren Ehefrau, deren Entbindung erst einen Monat später erwartet wurde, angerufen und ihm mitgeteilt worden sei, die Wehen hätten bei ihr eingesetzt; daraufhin habe sich der Rechtsanwalt umgehend nach Hause begeben, so dass die beabsichtigte Rechtsmitteleinlegung an diesem Tag unterblieben sei. Dieser Sachverhalt rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Fristversäumung kann nicht als verschuldet angesehen werden. Bei einer, wie hier, normal verlaufenden Schwangerschaft muss nicht über einen Monat vor dem erwarteten Entbindungstermin mit dem Einsetzen von Wehen gerechnet werden. Es ist auch nicht verschuldet, wenn für einen solchen, dennoch eintretenden Fall nicht Vorsorge getroffen wurde, um sicherzustellen, dass das Rechtsmittel noch am selben Tag eingereicht wird. Dem Rechtsanwalt kann es auch nicht zum Verschulden angelastet werden, dass er bei den gegebenen Umständen nicht vor Antritt der Fahrt nach Hause einen kurzen Beschwerdeschriftsatz verfasste und absandte.

3. Es erscheint angemessen, die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern aufzuerlegen (§ 47 WEG; vgl. § 238 Abs. 4 ZPO), von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten aber abzusehen.

Der Geschäftswert wird entsprechend dem Wert der Hauptsache gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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