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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 101/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 139
BGB § 873
BGB § 925
WEG § 16 Abs. 2
Zur Frage, wie es rechtlich zu beurteilen ist, wenn die Parteien bei Verkauf und Auflassung eines Teileigentums irrtümlich falsche Kellerräume als zu dem Teileigentum gehörend betrachten (Fortführung von BayObLGZ 1996, 149).
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher

am 19. September 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Wohngelds,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 16. Mai 2001 und des Amtsgerichts München vom 8. Februar 2001 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten aller Rechtszüge zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4097,97 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer einer Wohnungs- und Teileigentumsanlage gegen den Antragsgegner Wohngeldrückstände geltend, die sich aus dem Saldo der Jahresabrechnung 1999 mit 1681,27 DM und den rückständigen Vorauszahlungen für Januar bis November 2000 mit insgesamt 2416,70 DM zusammensetzen. Das Grundbuch weist den Antragsgegner als Eigentümer eines Miteigentumsanteils von 39,32/1000 verbunden mit dem Sondereigentum am Laden samt Kellerabteil Nr. 2 aus. Der Antragsgegner hatte den Laden nach vollständiger Sanierung und Renovierung des Altbauanwesens aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 27.10.1987 vom Bauträger erworben und mit Vertrag vom 14.12.1989 an den Käufer M. weiterveräußert. Dieser verlangte vom Antragsgegner Schadensersatz wegen Nichterfüllung, weil der Antragsgegner das Eigentum an Kellerräumen samt dazwischenliegendem Kellergang wegen Abweichung der tatsächlichen Bauausführung bei Sanierung und Renovierung vom ursprünglichen Aufteilungsplan nicht habe verschaffen können. Dem Antrag wurde mit landgerichtlichem Endurteil vom 21.7.1998 entsprochen Zug um Zug gegen Rückauflassung des Teileigentums. Die Auflassung wurde am 15.4.1999 notariell vollzogen und der Antragsgegner erneut am 28.6.1999 im Grundbuch eingetragen. Der Antragsgegner seinerseits nahm seinen Verkäufer auf Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückauflassung des Teileigentums in Anspruch. Auch dieser Klage wurde stattgegeben, jedoch ist der Antragsgegner nach wie vor im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, er sei zur Zahlung von Wohngeld nicht verpflichtet, weil er zu keinem Zeitpunkt Teileigentümer geworden sei. Es habe nämlich an der zum Eigentumsübergang notwendigen dinglichen Einigung zwischen seinem Verkäufer und ihm gefehlt, weil in bezug auf die Kellerräume das übereinstimmend Gewollte vom beurkundeten Vertragsinhalt abgewichen sei. Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 8.2.2001 den Antragsgegner zur Wohngeldzahlung an die Antragstellerin verpflichtet, das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragsgegners am 16.5.2001 zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet; es führt zur Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen und zur Abweisung des Antrags auf Wohngeldzahlung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsgegner sei nach § 16 Abs. 2 WEG zur Zahlung des verlangten Wohngelds verpflichtet. Wohnungseigentümer sei, wer zum maßgeblichen Zeitpunkt materiell-rechtlicher Rechtsinhaber des Wohnungseigentums sei. Für einen wirksam Anfechtenden gelte dies nicht. Jedoch habe der Antragsgegner seine auf den Erwerb des Teileigentums gerichtete Willenserklärung zu keinem Zeitpunkt angefochten. Der Antragsgegner sei aufgrund der Auflassung vom 15.4.1999 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die darauf bezogene Willenserklärung sei nicht angefochten; es sei auch nicht ersichtlich, weshalb diese Auflassung dinglich nicht wirksam sein solle. Die Schwierigkeiten aus der Abweichung zwischen tatsächlicher Bauausführung und dem Teilungsplan änderten nichts an der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Wohngeld.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Antragstellerin stehen Wohngeldansprüche gegen den Antragsgegner nicht zu, weil dieser nicht Teileigentümer des Ladens Nr. 2 ist. Ein Anspruch aus § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit den Jahresabrechnungen 1999 und dem Wirtschaftsplan 2000 scheidet deshalb aus. Für Teileigentum gilt nach § 1 Abs. 6 WEG nichts anderes als für Wohnungseigentum.

a) Der Antragsgegner ist als Eigentümer des Ladens samt Kellerabteil Nr. 2, zu dem nach dem Aufteilungsplan, welcher Inhalt des Grundbuchs geworden ist (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG), lediglich der unterhalb des Eingangs gelegene Keller 2 mit 6,4 m² gehört, im Grundbuch eingetragen. Nach § 891 Abs. 1 BGB wird damit vermutet, dass er Eigentümer des Teileigentums Nr. 2 einschließlich des so beschriebenen Kellerabteils sei. Diese Rechtsvermutung ist aber widerlegbar (BayObLGZ 1996, 149; KG NJW-RR 1994, 208; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 891 Rn. 1 m.w.N.) und hier widerlegt.

b) Das Wohnungseigentum ist echtes Eigentum, nämlich ein besonders ausgestaltetes Miteigentum am Grundstück (Weitnauer WEG 8. Aufl. Vor § 1 Rn. 28 f.; siehe auch BGHZ 116, 392; BayObLGZ 1993, 297/298). Es wird rechtsgeschäftlich gemäß §§ 873, 925 BGB durch Einigung (Auflassung) und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erworben. Voraussetzung ist somit, dass der Antragsgegner das zuvor beschriebene Eigentum erworben hat. Dabei greift die Ansicht des Landgerichts zu kurz, wenn maßgeblich auf die Auflassung vom 15.4.1999 und deren unterlassene Anfechtung abgestellt wird. Wäre diese Auffassung zutreffend, müsste nämlich der Käufer M. Eigentümer des Ladens mit Kellerabteil geworden sein. Dies ist jedoch zu verneinen, weil bereits der Antragsgegner ihm kein Eigentum verschaffen konnte.

(1) Der Antragsgegner war nicht aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 27.10.1987 Eigentümer des Ladens mit Kellerabteil geworden. Nach Wortlaut und objektivem Inhalt der Vertragsurkunde hatte der Bauträger den Laden Nr. 2 im Erdgeschoss rechts, bestehend aus drei Räumen und einem Vorraum mit einer Flächengröße von ca. 45 m² und Kellerräumen mit einer Größe von ca. 28 m², verkauft und aufgelassen. Die Parteien des Kaufvertrags sind hierbei, wie sich aus den Angaben in der Vertragsurkunde, den Grundrissplänen für das Kellergeschoss vor und nach der Renovierung sowie den Urteilen des Käufers M. gegen den Antragsgegner und des Antragsgegners gegen den Bauträger ergibt, davon ausgegangen, dass zum Laden Nr. 2 nicht der im Aufteilungsplan unterhalb des Eingangs gelegene Keller mit einem Ausmaß von 6,40 m², sondern zwei als Lagerraum und Vorraum im neuen Grundrissplan beschriebene Räume sowie eine Abstellfläche gehören, die sich zudem auch nach ihrer Lage im Kellergeschoss, von außen gesehen rechts vom Eingangsbereich, nicht mit dem im Aufteilungsplan der Gewerbeeinheit Nr. 2 zugeschriebenen Keller decken. Auslösend für die Fehlvorstellung der Parteien war der durch die Generalsanierung geschaffene neue bauliche Zustand; dieser bedingte, dass, wie in der notariellen Urkunde festgehalten ist, mit Ausnahme der Außenmauern und Grundmauern keine unveränderten Altbauteile mehr vorhanden waren.

Weicht die beiderseitige Vorstellung von der beurkundeten Erklärung ab, gilt nicht das objektiv Erklärte, sondern das von den Vertragsparteien übereinstimmend Gewollte ("falsa demonstratio"; vgl. BayObLGZ 1996, 149/152 m.w.N.), und zwar sowohl für den Kaufvertrag wie für das dingliche Rechtsgeschäft (siehe auch Kuntze FGPrax 1996, 216 f.).

(2) Gegenstand der Auflassung bildeten somit die zum Laden gehörenden Räume im Erdgeschoss samt Kellerräumen Nr. 2, wie sie nach der Generalsanierung im Grundriss dargestellt sind. Durch die Eintragung des Antragsgegners als Eigentümer des Ladens wurde dieser in Wirklichkeit nicht Eigentümer dieses Teileigentums. Denn es fehlt insoweit an der dinglichen Einigung. Das Grundbuch ist durch die Eintragung unrichtig geworden. Eine Anwendung des § 139 BGB kommt, jedenfalls soweit es um im Sondereigentum stehende Räume geht (§ 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 WEG; siehe BayObLG aaO) nicht in Betracht. Das ist die Konsequenz aus § 6 Abs. 1 WEG (Kuntze aaO). Denn es entstände Sondereigentum an Kellerräumen ohne Miteigentumsanteil.

(3) Der Senat kann aus dem unstreitigen Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte entnehmen, die zu der Annahme berechtigten, der Antragsgegner hätte den Vertrag in Kenntnis des wahren Inhalts des Sondereigentums abgeschlossen (vgl. § 139 BGB). Denn die Flächendifferenz ist beträchtlich; Lage, Zuschnitt und Zugang der Kellerräume sind im Verhältnis zum früheren Zustand völlig unterschiedlich. Schon diese Umstände verbieten die Annahme, die Vertragsparteien hätten den Räumlichkeiten im Keller nur eine völlig untergeordnete Bedeutung beigemessen. Die Klausel im Kaufvertrag, die Parteien verzichteten trotz der damit verbundenen Unsicherheiten auf die Vorlage einer Baubeschreibung, widerspricht dem nicht.

(4) Gleichermaßen hatte der Käufer M. mit notarieller Urkunde vom 14.12.1989 vom Antragsgegner kein Eigentum an dem Laden samt Kellerabteil Nr. 2 erworben. Insoweit gelten zunächst die gleichen zum vorangegangenen Veräußerungsgeschäft angestellten Überlegungen. Auch jener Vertrag weist als Kaufgegenstand das Miteigentum verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Laden samt Kellerabteil auf und gibt die Teileigentumseinheit mit einer Größe von 27 m² im Untergeschoss an. Ersichtlich gingen die Parteien dieses Vertrages einvernehmlich von einer Zuordnung des Sondereigentums gemäß den Umbauplänen aus, ohne zu bedenken, dass sich das Teileigentum nach wie vor gemäß dem vor dem Umbau gefertigten Aufteilungsplan beschreibt. Der Senat folgert dies aus der Kaufvertragsurkunde sowie dem landgerichtlichen Endurteil, das den Antragsgegner zum Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückauflassung des Teileigentums verpflichtete. Dass die Größe des Kellers für den Käufer wesentlich war, belegt schon dessen gerichtliches Verlangen auf vollständige Rückabwicklung des Vertrags.

(5) Die schließlich in Vollzug des landgerichtlichen Urteils am 15.4.1999 beurkundete erneute Auflassung des Teileigentums an den Antragsgegner besagt nichts Gegenteiliges. Freilich ist die Auflassung nach §§ 873, 925 Abs. 1 BGB nur notwendig, wenn ein Eigentumswechsel vollzogen werden soll. Dessen bedurfte es hier nicht, weil der Käufer niemals Eigentümer wurde. Die rechtskräftige Verurteilung zum Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückauflassung des Teileigentums enthält nicht eine für den Senat bindende Feststellung, dass der Käufer Teileigentum erworben hatte, welches er im Rahmen des Schadensausgleichs nun auf den Antragsgegner rückübertragen müsse. Zwar hatte der Antragsgegner gegen seinen Käufer einen materiellen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB), doch konnte er wahlweise stattdessen die Auflassung verlangen (KG FGPrax 2001, 136/137; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 894 Rn. 8). Damit ist aber für den Antragsgegner kein Erwerbstatbestand, bezogen auf das im Grundbuch eingetragene Teileigentum entsprechend dem unveränderten Aufteilungsplan, verbunden. Insbesondere gilt für ihn der Gutglaubensschutz des § 892 BGB deswegen nicht, weil dem Antragsgegner jedenfalls aufgrund des landgerichtlichen Endurteils vom 21.7.1998 positiv bekannt war, dass er dem Käufer kein Eigentum verschafft hatte und auch keine sonstige Rechtsgrundlage für einen zwischenzeitlichen Eigentumserwerb des Käufers vorhanden war.

3. Dass der Antragsgegner trotz seiner grundbuchrechtlichen Position nicht zur Zahlung von Wohngeldschulden nach § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet ist, erscheint trotz der damit für die Wohnungseigentümergemeinschaft verbundenen Schwierigkeiten letztlich auch nicht unbillig. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6.10.1994 (NJW 1994, 3352/3353) auch in Abwägung zur gegenteiligen Auffassung überzeugend begründet. Der Senat schließt sich dem an.

4. Der Senat hält es für angemessen, der unterlegenen Antragstellerin die Gerichtskosten aller Rechtszüge aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Die Erstattung außergerichtlicher Kosten (§ 47 Satz 2 WEG) entspricht dagegen angesichts der unterschiedlichen gerichtlichen Entscheidungen und der nicht einfachen Rechtslage nicht der Billigkeit.

Die mit den Instanzgerichten übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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