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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 101/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
WEG § 15 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
1. Einem als Hobbyraum beschriebenen Teileigentum widerspricht regelmäßig die Nutzung als eigenständige Wohnung.

2. Die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs der Wohnungseigentümer gegen die zweckwidrige Nutzung eines Hobbyraums als Wohnung berechtigt den Begünstigten nicht, seinen so erworbenen Besitzstand auszudehnen. Hat der Tatrichter nur einen Gebrauch des Hobbyraums festgestellt, der in Abhängigkeit zur Hauptwohnung steht (vorübergehende Überlassung an Hauspersonal, au-pair-Mädchen und Besucher), kann der Begünstigte daraus nicht für sich die weiter gehende Befugnis ableiten, diesen zu jeder zulässigen Wohnraumnutzung (z.B. Fremdvermietung) zu verwenden.


Gründe:

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus neun Wohnungen, einer Garage und zwei weiteren Sondereigentumseinheiten im Souterrain.

Den Antragstellern gehört seit 1994 die Wohnung Nr. 02 im Hochparterre. Die Antragsgegner sind seit 2001 Eigentümer einer Wohnung sowie der im Souterrain liegenden Räume 001 und 002, die in der Teilungserklärung als Hobbyräume bezeichnet sind. Diese Räume waren von Anfang an baulich miteinander verbunden. Sie werden von den Antragsgegnern als Wohnung genutzt und sind derzeit vermietet.

In der Eigentümerversammlung vom 22.1.2002 stimmten die Wohnungseigentümer dem Antrag des Antragsgegners zu 2 zu, die "bereits bisher als Wohnung genutzten Räume ab sofort auch offiziell als Wohnung nutzen zu dürfen".

Die Antragsteller haben neben einem nicht mehr verfahrensgegenständlichen Beseitigungsverlangen zunächst beantragt, die Antragsgegner dazu zu verpflichten, die gemeinschaftswidrige Nutzung der Hobbyräume 001 und 002 zu Wohnzwecken zu unterlassen. Das Amtsgericht hat nach Anhörung von Zeugen mit Beschluss vom 27.5.2003 die Antragsgegner samtverbindlich verpflichtet, die Nutzung der Hobbyräume 001 und 002 im Souterrain des Anwesens zu Wohnzwecken zu unterlassen, soweit diese Räume nicht im Zusammenhang mit der Nutzung von anderen im Sondereigentum der Antragsgegner stehenden Wohnräumen im selben Gebäude erfolgt; unzulässig sei also die entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung der Räume an Dritte, bei denen es sich nicht um Personen handelt, die die Räume als Besucher, Bedienstete oder Mitbewohner von Wohnungen nutzen, die im selben Anwesen liegen und im Eigentum der Antragsgegner stehen. Den weitergehenden Antrag hat das Amtsgericht abgewiesen und den Geschäftswert auf 60.000 EURO festgesetzt, wovon der auf die strittige Nutzung bezogene Anteil 58.000 EURO beträgt.

Das Landgericht hat die sofortigen Beschwerden der Antragsteller und der Antragsgegner mit Beschluss vom 2.4.2004 zurückgewiesen und den Ausspruch des Amtsgerichts dahingehend neu gefasst, dass es vom Verbot der Wohnungsnutzung statt "Bediensteter" nur "au-pair-Mädchen bzw. sonstiges Hauspersonal" ausgenommen hat. Den Geschäftswert hat das Landgericht für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 EURO und den des Amtsgerichts unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf 30.000 EURO (Unterlassungsanspruch: 25.000 EURO; Beseitigungsanspruch: 5.000 EURO) festgesetzt. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie die Abweisung des Unterlassungsbegehrens insgesamt weiterverfolgen. Die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsteller wenden sich mit ihrer aus eigenem Recht erhobenen Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts mit dem Ziel, den Geschäftswert für das erstinstanzliche Verfahren, wie schon vom Amtsgericht bestimmt, auf 60.000 EURO und für das Beschwerdeverfahren auf 58.000 EURO festzusetzen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Jeder Wohnungseigentümer könne grundsätzlich einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der der im Vertrag der Miteigentümer oder in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Zweckbestimmung entspreche. In der Teilungserklärung sei das Sondereigentum der Antragsgegner als Hobbyraum bezeichnet. Darin liege eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Die Räume dürften nur als Hobbyräume oder sonst in einer Weise genutzt werden, die bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht mehr störe oder beeinträchtige als eine bestimmungsgemäße Nutzung. Insbesondere bei kleineren Wohnanlagen wie der hiesigen störe eine Nutzung zu Wohnzwecken mehr als eine Verwendung als Hobbyraum. Aus dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.1.2002 folge nichts anderes, weil es sich um einen vereinbarungsändernden und damit nichtigen Beschluss handle.

Der grundsätzlich bestehende Unterlassungsanspruch sei jedoch in dem aus der Tenorierung ersichtlichen Umfang verwirkt. Das folge aus der Beweisaufnahme. Die Räume seien seit 1971 als Wohnung ausgestattet gewesen. Die Voreigentümer hätten sie sozusagen als "Gästezimmer" für die Beherbergung von au-pair-Mädchen, Verwandten und sonstigen Besuchern genutzt. Die Unterlassung dieser Form der Nutzung sei verwirkt. Die Antragsteller müssten sich auch die Zeit anrechnen lassen, in der ihre Rechtsvorgänger gegen die Nutzung nichts unternommen hätten. Den übrigen Wohnungseigentümern habe die gewählte Nutzungsform der Hobbyräume auch nicht verborgen bleiben können. Schon zum Zeitpunkt des Erwerbs der Kellerräume durch die Antragsgegner sei Verwirkung eingetreten gewesen. Auf den Kenntnisstand der Antragsgegner komme es also überhaupt nicht an. Der amtsgerichtliche Ausspruch werde zur Klarstellung enger gefasst, weil die Zeugen nur von einer Nutzung durch Hauspersonal/au-pair-Mädchen, nicht von Angestellten allgemein, berichtet hätten. Nur in diesem eingeschränkten Umfang sei ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der eine verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lasse. Auf die Vergleichbarkeit mit anderen Nutzungsformen komme es nicht an. Es mache tatsächlich und rechtlich einen Unterschied, ob die Räume von Verwandten oder Angestellten des Wohnungseigentümers oder durch Dritte zu Wohnzwecken genutzt würden. Im Übrigen sei Verjährung nicht eingetreten.

Für die Festsetzung des Geschäftswerts seien nicht die Vorteile der Antragsgegner bei einem Verkauf der Wohnung, sondern vielmehr die Vorteile der Nutzung als Wohnung maßgebend. Dem entspreche das gegenläufige Interesse der Antragsteller, dass die Nutzung der Hobbyräume als Wohnung unterbleibe. Die Kammer halte den amtsgerichtlich festgesetzten Geschäftswert für insgesamt überhöht und bemesse dieses Interesse mit 25.000 EURO.

2. Die Sachentscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat macht sich die zutreffenden Gründe des Landgerichts zu Eigen und führt noch ergänzend aus:

a) In der Teilungserklärung sind die Räume als selbständiges Sondereigentum ausgewiesen und als Hobbyräume bezeichnet. Darin liegt eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (allgem. Meinung; z.B. BayObLG ZWE 2000, 122 = NZM 2000, 44 - Leitsatz; NZM 1999, 33; ZMR 1998, 360/361). Die Räume dürfen ungeachtet weitergehender öffentlich-rechtlicher Genehmigung grundsätzlich nur als Hobbyräume genutzt werden. Gemeint ist damit eine Raumnutzung, die zwar ein gelegentliches Benutzen zu Wohnzwecken (etwa als Gästezimmer) erlaubt, nicht aber den Mittelpunkt der Lebensführung einer Person oder einer Familie bildet (BayObLG FGPrax 1996, 57; siehe auch BayObLGZ 1998, 39). Dem stehen die bauliche Ausrüstung und die technischen Anschlüsse der Räume nicht entgegen. Zulässig ist aber auch eine andere Nutzung, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine Nutzung als Hobbyraum (BayObLG NJW-RR 1989, 719/720; WuM 1999, 178).

b) Eine Änderung der Zweckbestimmung als Hobbyraum ist nicht durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer möglich. Dazu bedarf es vielmehr einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG (BGHZ 145, 158). An der Zweckbestimmung des Sondereigentums als Hobbyraum ändert mithin der Eigentümerbeschluss vom 22.1.2002 nichts. Das Landgericht hat diesen mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zutreffend als nichtig angesehen.

c) Der Tatrichter hat Verwirkung des Unterlassungsanspruchs gemäß § 242 BGB nur insoweit bejaht, als die Souterrain-Räume seit vielen Jahren von Besuchern, Hausangestellten und Verwandten zu kürzeren oder auch längeren Aufenthalten benutzt wurden. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Anspruchsgegner nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dieser werde sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen (BayObLG NZM 2000, 44; OLG Köln ZMR 1998, 111; Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 242 Rn. 87). Die Feststellungen der Vorinstanzen zur Zeitdauer und zum Umfang der Nutzung liegen auf tatsächlichem Gebiet. Diese kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler überprüfen. Solche werden nicht aufgezeigt und liegen auch nicht vor. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist deshalb von dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO).

d) Die Verwirkung bringt bei dinglichen Rechten wie dem Wohnungseigentum nicht das Recht insgesamt zum Erlöschen, sondern bedingt nur dessen inhaltliche Begrenzung (BGHZ 67, 56/68; Palandt/Heinrichs § 242 Rn. 96). Grundsätzlich berechtigt die Verwirkung auch nicht, dass der von ihr Begünstigte den so erworbenen Besitzstand weiter ausdehnen darf (BGHZ 26, 52/65; BayObLG WE 1998, 194 = NZM 1998, 444 - LS -). Das Landgericht hat einen Gebrauch der Hobbyräume festgestellt, der über den nach ihrer Zweckbestimmung zulässigen Gebrauch hinausgehen mag, jedoch nicht bereits derjenigen Nutzung entspricht, die eine Wohnung als Mittelpunkt der Lebensführung einer Person oder Familie aufweist. Diese Abstufung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wird aus ihr doch hinreichend deutlich, dass der bisherige Gebrauch der Souterrain-Räume in einer Abhängigkeit zu einem berechtigt zu Wohnzwecken genutzten anderen Sondereigentum in der Wohnanlage steht. Durch die eingetretene Verwirkung sind die Souterrain-Räume nicht bereits einer selbständigen weiteren Wohnung in der Anlage gleichzustellen. Tatsächlich wie rechtlich sind Unterschiede vorhanden, die das Landgericht zutreffend herausgestellt hat.

Jedenfalls so lange eine nach der Gemeinschaftsordnung zulässige Nutzung möglich bleibt, brauchen die Antragsteller eine weitere Ausweitung des Nutzungsrahmens, wie er den Antragsgegnern vorschwebt, nicht zu dulden (vgl. BayObLG WE 1998, 194).

e) Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen kommt auch eine erweiterte Fassung des Beschlusses, bezogen auf den Kreis der Nutzungsberechtigten, nicht in Betracht. Verwandte sind nicht generell, sondern nur zugelassen, sofern sie die Räume als Besucher, also zum vorübergehenden Aufenthalt, oder als Mitbewohner, d.h. als in die Familie des die andere Wohnung in der Anlage bewohnenden Antragsgegners aufgenommene Personen, benutzen. Auch den Kreis der Angestellten hat das Landgericht bewusst auf diejenigen des Hauspersonals beschränkt, so dass ein Zusammenhang mit der Wohnungsnutzung der Antragsgegner in der gleichen Anlage aufrechterhalten bleibt.

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, den unterlegenen Antragsgegnern samtverbindlich neben den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens auch die den Antragstellern erwachsenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

4. Die nach § 9 Abs. 2 BRAGO und § 31 Abs. 3 Sätze 1 und 3 KostO zulässige Beschwerde der anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsteller gegen die landgerichtliche Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet.

Der Geschäftswert bestimmt sich nach dem Interesse aller Beteiligten an der gerichtlichen Entscheidung (BayObLG WE 1999, 197; OLG Karlsruhe NZM 2000, 194; Palandt/Bassenge § 48 WEG Rn. 12). Zu bewerten ist einerseits das Interesse, die Souterrain-Räume nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu nutzen, andererseits das Interesse, diese weitergehend wie eine eigenständige Wohnung gebrauchen zu können. Die zu erzielende Miete kann einen Anhaltspunkt für die Bewertung geben (vgl. BayObLG NZM 2001, 150), ist jedoch nicht allein entscheidend (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 1383), weil sonst nur einseitig das Interesse der Antragsgegner berücksichtigt würde. Bezieht man das Unterlassungsinteresse der Antragsteller mit ein, erscheint die landgerichtliche Bewertung mit 25.000 EURO angemessen.

Soweit das Landgericht auch den amtsgerichtlichen Geschäftswert entsprechend abgeändert hat, ist die (weitere) Geschäftswertbeschwerde hiergegen zwar mangels Zulassung durch das Landgericht unzulässig (§ 31 Abs. 3 Satz 5 KostO i.V.m. § 14 Abs. 4 und 5 KostO); jedoch steht dem Senat die Überprüfung von Amts wegen offen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO. Eine Änderung der für das amtsgerichtliche Verfahren getroffenen Festsetzung durch das Landgericht kommt nach den vorangegangenen Erwägungen aber nicht in Frage.

5. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren setzt der Senat den Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 12.000 EURO fest. Das Interesse der Beteiligten an der Entscheidung beschränkt sich nämlich nur noch auf die Entscheidung der Frage, ob ein nach Maßgabe der Verbundenheit zu den Antragsgegnern beschränkter oder aber ein unbeschränkter Personenkreis die Souterrain-Räume als Wohnung nutzen darf.



Ende der Entscheidung

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