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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.06.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 103/03
Rechtsgebiete: EuGVVO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 2
EuGVVO Art. 22
Für Wohngeldansprüche der Eigentümer einer in Österreich gelegenen Wohnanlage besteht keine ausschließliche internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Hat der Wohngeldschuldner seinen Wohnsitz in Deutschland, ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
Gründe:

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach österreichischem Recht; die Wohnanlage befindet sich in Kitzbühel. Die Antragsgegnerin wohnt in Bayern. Ihr gehörten zwei Wohnungen in der Wohnanlage, die sie im Frühjahr 2002 verkaufte.

Die Antragsteller machen Wohngeldansprüche für die Zeit vom November 2001 bis Februar 2002 geltend. Das Bezirksgericht Kitzbühel wies am 31.5.2002 eine Zahlungsklage der Antragsteller wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ab.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht - Streitgericht - beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1110,55 EUR nebst Zinsen zu verpflichten. Das Amtsgericht - Streitgericht - hat die Sache an das Wohnungseigentumsgericht abgegeben. Dieses hat sich am 30.1.2003 für unzuständig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht durch Beschluss vom 16.4.2003 die Entscheidung des Amtsgerichts - Wohnungseigentumsgericht - vom 30.1.2003 aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Sinn und Zweck des Art. 22 EuGVVO träfen über den reinen Wortlaut hinaus auch auf das Wohnungseigentum zu. Es erscheine daher gerechtfertigt, die Bestimmung auf alle Streitigkeiten anzuwenden, die die Verwaltung der Wohnanlage beträfen.

Das Amtsgericht sei an die negative Entscheidung des Bezirksgerichts Kitzbühel gebunden. Zwar habe dieses Gericht nur seine eigene Zuständigkeit verneint. Da aber nur die Zuständigkeit der Gerichte Österreichs und Deutschlands in Betracht kämen, müssten die deutschen Gerichte ihre Zuständigkeit bejahen, nachdem das österreichische Gericht seine Zuständigkeit geleugnet habe. Ein Ausschließungsgrund für eine Anerkennung der Entscheidung des Bezirksgerichts Kitzbühel liege nicht vor.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Verfahren wurde vom Amtsgericht - Streitgericht - gemäß § 17a GVG, § 46 WEG an das Amtsgericht - Wohnungseigentumsgericht - abgegeben. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts als Wohnungseigentumsgericht wurde von keiner Seite in Frage gestellt. Dem Senat ist daher eine Prüfung verwehrt, ob der Rechtszug zu den Wohnungseigentumsgerichten zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG).

b) Im Vordergrund des Verfahrens steht die Frage der internationalen Zuständigkeit, also die Frage, ob zur Entscheidung über den Zahlungsantrag die österreichischen oder die deutschen Gerichte zuständig sind. Die Frage stellt sich, weil Gegenstand des Verfahrens Wohngeldansprüche für zwei Wohnungen der Wohnanlage ist, die sich in Österreich befindet, die in Anspruch genommene Antragsgegnerin aber ihren Wohnsitz in Deutschland hat.

Maßgebend für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - EuGVVO - vom 22.12.2000 (ABl. EG vom 16.1.2001 Nr. L 12 S.1). Die EuGVVO ist am 1.3.2002 in Kraft getreten (Art. 76 EuGVVO). Die Anwendungsvoraussetzungen sind, insbesondere in sachlicher und zeitlicher Hinsicht (vgl. Art. 1 und 66 Abs. 1 EuGVVO) gegeben.

Gemäß Art. 2 EuGVVO ist grundsätzlich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates gegeben, in dem sich der Wohnsitz der in Anspruch genommenen Person befindet. Jedoch begründet Art. 22 EuGVVO ohne Rücksicht auf den Wohnsitz für bestimmte Verfahren eine ausschließliche Zuständigkeit. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift sind für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Staates zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist eine ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte in Österreich, wo sich die Wohnanlage befindet, nicht gegeben. Bei den Wohngeldansprüchen, die Gegenstand des Verfahrens sind, handelt es sich um schuldrechtliche und persönliche Ansprüche. Sie haben zwar einen gewissen Bezug zu dem dinglichen Wohnungseigentum und eine Ähnlichkeit mit Ansprüchen aus einem miet- und Pachtverhältnis. Dies reicht aber nicht aus, um eine ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 1 EuGVVO anzunehmen. Die Bestimmung ist eng auszulegen, jedenfalls nicht weiter als dies ihr Ziel erforderlich macht. Für eine ausweitende Auslegung auf Wohngeldansprüche im Bereich des Wohnungseigentums ist damit kein Raum (EuGH NJW 1995, 37 und 2000, 2009 f., jeweils zu dem inhaltsgleichen Art. 16 EuGVÜ; Hüßtege IPrax 1999, 471 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. Art. 22 EuGVVO Rn. 6; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 5. Aufl. § 3 Rn. 167 = S. 143).

Das Wohnungseigentum ist zwar ein dingliches Recht, das als solches unter Art. 22 Nr. 1 EuGVVO fällt. Es ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem es um Wohngeldansprüche der Gemeinschaft gegen ein früheres Mitglied geht. Würden alle im Zusammenhang mit der Verwaltung der Wohnanlage stehenden Verfahren in den Anwendungsbereich einbezogen, würde dieser über das mit der Vorschrift verfolgte Ziel hinaus erweitert (a.M. Schlosser EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 22 Rn. 5a).

c) Da somit eine ausschließliche Zuständigkeit im Sinn des Art. 22 EuGVVO, die das Gericht von Amts wegen zu beachten hätte (Art. 25 EuGVVO), nicht gegeben ist, verbleibt es gemäß Art. 2 EuGVVO bei der internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem sich der Wohnsitz der in Anspruch genommenen Person befindet. Dies ist hier Deutschland. Das Amtsgericht hat sich somit zu Unrecht für unzuständig erklärt.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG und die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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