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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 106/00
Rechtsgebiete: ZPO, WEG


Vorschriften:

ZPO § 253
ZPO § 313
WEG § 10
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann weder klagen noch verklagt werden, weil sie keine eigene Rechtspersönlichkeit ist.
BayObLG Beschluss

LG Landshut 60 T 2318/99; AG Landshut 14 UR II 5/99

2Z BR 106/00

14.12.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 14. Dezember 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Beseitigung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden der Beschluss des Landgerichts Landshut ohne Datum, den Beteiligten zugestellt jeweils am 4. September 2000, und der Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 13. August 1999 abgeändert.

II. Die Antragsgegner werden verpflichtet, außer der Bretterwand am Dachterrassengeländer an der Nordfassade und den am Umfassungsgeländer angebrachten Rohrmatten auch die auf ihrer Dachterrasse an der Pergola angebrachte Überdachung zu beseitigen.

III. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Landshut zurückverwiesen, soweit der Antrag abgewiesen worden ist, die Antragsgegner zu verpflichten, die an der Pergola angebrachte Zeltwand und Seitenwand aus Kunststoff zu beseitigen.

IV. Die Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

V. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Zu der Wohnung der Antragsgegner, einem Ehepaar, gehört eine Dachterrasse. Auf dieser erstellten sie eine Pergola. Sie versahen sie mit einem Dach. Außerdem befestigten sie an den offenen Seiten eine Zeltplane und eine Seitenwand aus Kunststoff. Ferner brachten sie am Dachterrassengeländer eine Bretterwand und am Umfassungsgeländer Rohrmatten an.

Mit Schreiben vom 15.4.1983 beanstandete das zuständige Bauaufsichtsamt, dass die Bedachung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfe. Außerdem wurden die Antragsgegner aufgefordert, die Bretterwand zu entfernen.

Am 27.6.1983 beschlossen die Wohnungseigentümer:

Die Pergola kann am Gemeinschaftseigentum befestigt bleiben. Herr... (= einer der beiden Antragsgegner) muß für evtl. Folgeschäden durch die Pergola aufkommen. Ansonsten müssen die Auflagen der Stadt erfüllt werden. Die Bretterwand muß vom Gemeinschaftseigentum entfernt werden und statisch in Ordnung sein.

Der Eigentümerbeschluss ist bestandskräftig. Am 13.8.1996 faßten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluß:

Mit drei Nein-Stimmen und zwei Stimmenthaltungen wurde die Hausverwaltung ermächtigt, soweit möglich und rechtlich zulässig, im eigenen Namen (Prozeßstandschaft), ansonsten im Namen der Gemeinschaft, gerichtlich auch unter Beauftragung eines Rechtsanwalts gegen Eigentümer vorzugehen, die gegen die Haus- oder Gemeinschaftsordnung verstoßen oder Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nicht einhalten oder befolgen.

Genannt wurde hier vor allem die Wohnung ...(= Antragsgegner) mit

...

Überdachung der Pergola

Anbringung eines Vorzeltes

...

Windschutz und Rohrmatten

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die an der Pergola angebrachte Überdachung, Zeltwand, Seitenwand aus Kunststoff und die am Dachterrassengeländer angebrachte Bretterwand sowie die am Umfassungsgeländer befestigten Rohrmatten zu beseitigen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.8.1999 die Antragsgegner verpflichtet, die Bretterwand und die Rohrmatten zu beseitigen. Im übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss ohne Datum, den Beteiligten jeweils zugestellt am 4.9.2000, die Beschwerden der Antragsteller und der Antragsgegner zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller und die Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsteller führt dazu, dass die Antragsgegner verpflichtet werden, auch die auf ihrer Dachterrasse an der Pergola angebrachte Überdachung zu beseitigen. Hinsichtlich des Antrags, die Zeltwand und Seitenwand aus Kunststoff zu beseitigen, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die Anschlußrechtsbeschwerde der Antragsgegner hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt:

Ein Anspruch auf Beseitigung der Überdachung bestehe nicht. Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt habe, sei die Entfernung der Überdachung zur Behebung des Nässestäus am Gebäude nicht erforderlich. Außerdem stehe dem Beseitigungsverlangen der Eigentümerbeschluss vom 27.6.1983 entgegen. Der vorgenommene Augenschein habe auch nicht ergeben, dass die überdachte und teilweise "eingehauste" Pergola als Wohnraum genutzt werde. Die Umhausung mit einer Zeltbahne und einer Seitenwand aus Kunststoff gebe dem Ganzen einen provisorischen "campinghaften" Charakter. Ästhetische Gesichtspunkte seien nicht geeignet, das Beseitigungsanliegen zu stützen, da die Umhausung nur von der Dachterrasse aus zu sehen sei. Der Eigentümerbeschluss vom 13.8.1996 stelle die Wirksamkeit des Beschlusses vom 27.6.1983 nicht in Frage. Durch den Beschluss werde die Hausverwaltung nämlich nur ermächtigt, soweit möglich und rechtlich zulässig, gegen Eigentümer vorzugehen, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung nicht befolgten. Da die Pergola einschließlich ihrer Überdachung aber vom Eigentümerbeschluss vom 27.6.1983 gedeckt sei und da für die Zeltplane und die Kunststoffwand eine Genehmigung nicht erforderlich sei, seien die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegen die Antragsgegner aufgrund des Beschlusses vom 13.8.1996 nicht gegeben.

Die Bretterwand und die Rohrmatten müßten beseitigt werden, da diese nur mit Zustimmung der Wohnungseigentümer hätten angebracht werden dürfen. Daran fehle es. Abgesehen davon sei im Eigentümerbeschluss vom 27.6.1983 ausdrücklich hervorgehoben worden, dass die Bretterwand nicht am Gemeinschaftseigentum befestigt werden dürfe. Dies sei aber der Fall. Abgesehen davon beeinflußten sowohl die Bretterwand wie auch die Rohrmatten das äußere Erscheinungsbild der Fassade nachhaltig. Insbesondere die Rohrmatten hätten eine verunstaltende Wirkung.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.

a) Hinsichtlich des Antrags, die Antragsgegner zu verpflichten, die Zeltplane und die Seitenwand aus Kunststoff zu beseitigen, tragen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts die Entscheidung nicht.

(1) Aus den vorgelegten Fotografien ist nicht ersichtlich, ob die Anbringung der Zeltplane und der Seitenwand mit § 14 Nr. 1 WEG vereinbar ist. Insbesondere bleibt unklar, weshalb die "Umhausung" durch Zeltplane und Seitenwand nur von der Dachterrasse aus zu sehen ist und somit für keinen der Wohnungseigentümer eine nachteilige ästhetische Beeinträchtigung vorliegen kann. Die Entscheidung des Landgerichts kann insoweit keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird sich mit der Behauptung der Antragsteller auseinanderzusetzen haben, dass durch die Anbringung von Zelt- und Kunststoffwand die Außenfassade des Gebäudes verändert werde.

(2) Ein weiterer Rechtsfehler besteht in Folgendem: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit. Daraus folgt unter anderem, dass sie als solche weder klagen noch verklagt werden kann (Staudinger/Kreuzer WEG § 10 Rn. 14 m.w.N.). Bei der Einleitung des Erkenntnisverfahrens müssen deshalb alle Wohnungseigentümer namentlich bezeichnet werden oder es ist eine Liste vorzulegen, aus der sich die Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Antragstellung ergeben; nur so wird § 253 Abs. 2 Nr. 1, § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Genüge getan, deren Grundsätze auch für das Wohnungseigentumsverfahren gelten (wegen der näheren Einzelheiten vgl. BayObLG NJW-RR 1986, 564; Staudinger/Kreuzer aaO Rn. 14 ff.). Da es die Antragsteller hier unterlassen haben, eine Eigentümerliste mit den genauen Anschriften vorzulegen, hätte bereits das Amtsgericht darauf hinwirken müssen, dass dies geschieht. Das Landgericht wird dies nunmehr nachzuholen haben. Nur rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die in den beiliegenden Beweissicherungsakten liegende Eigentümerliste vom 12.8.1991 nicht brauchbar ist, da sich daraus nicht ergibt, welche Wohnungseigentümer der Gemeinschaft zur Zeit der Antragszustellung im April 1999 angehörten (vgl. hierzu Staudinger/Kreuzer aaO Rn. 17 m.w.N.).

b) Im übrigen enthält die Entscheidung des Landgerichts keinen Rechtsfehler.

(1) Die Überdachung der Pergola ist aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 27.6.1983 zu beseitigen. Eine überdeckte und nicht allseits offene Pergola ist genehmigungspflichtig (Simon/Dhom BayBO Art. 6 Rn. 286). Hierauf hat das zuständige Bauaufsichtsamt die Antragsgegner schon mit Schreiben vom 15.4.1983 hingewiesen. Da eine Genehmigung nicht erholt worden ist, entspricht die Pergola nicht den Auflagen der Stadt, wie es im Eigentümerbeschluss vom 27.6.1983 heißt. Der Eigentümerbeschluss, den der Senat selbst auslegen kann (BGH NJW 1998, 3713 f.), besagt im übrigen nicht, dass die Überdachung der Pergola genehmigt wird; gebilligt wurde vielmehr lediglich eine Befestigung der Pergola am Gemeinschaftseigentum. Das Beseitigungsverlangen ist auch nicht wegen Duldung rechtsmißbräuchlich; wie sich auch aus dem Eigentümerbeschluss vom 13.8.1996 ergibt, wurde in der Vergangenheit immer wieder die Beseitigung der Überdachung verlangt.

(2) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Bretterwand zu beseitigen ist. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass diese am Gemeinschaftseigentum befestigt ist und damit dem Eigentümerbeschluss vom 27.6.1983 widerspricht. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass durch die Bretterwand das äußere Erscheinungsbild der Fassade nachteilig beeinträchtigt wird. ob eine solche Beeinträchtigung und damit ein Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG vorliegt, hat in erster Linie der Tatrichter festzustellen. Das Landgericht hat einen Augenschein eingenommen. Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung und -würdigung sind nicht ersichtlich.

(3) Auch die Rohrmatten sind zu beseitigen, da durch sie die anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 14 Nr. 1 WEG). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass die Rohrmatten eine verunstaltende Wirkung haben.

3. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht zu befinden haben. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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