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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.06.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 110/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28
WEG § 47
1. Eine Abrechnung, die Wohngeldvorschüsse nicht ausweist und Fehlbeträge aus den Vorjahren in das Abrechnungsergebnis einbezieht, ist nicht ordnungsmäßig.

2. Enthält eine Abrechnung so viele Mängel und Lücken, dass die ordnungsmäßigen Teile für sich allein keine hinreichende Aussagekraft mehr haben, ist der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung insgesamt für ungültig zu erklären.

3. Wird ein Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung für ungültig erklärt, weil der Verwalter eine nicht ordnungsmäßige Abrechnung zur Beschlussfassung vorgelegt hat, kann es angemessen sein, ihm unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung vertraglicher Verpflichtungen jedenfalls einen Teil der Kosten aufzuerlegen.

4. Einer solchen Kostenentscheidung steht eine Entlastung des Verwalters nicht entgegen, wenn der Abrechnungsfehler für einen durchschnittlich verständigen Wohnungseigentümer auch bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht erkennbar war.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Mit dem angegriffenen Eigentümerbeschluss wurde die von der weiteren Beteiligten vorgelegte Hausgeldabrechnung für das Jahr 2000 genehmigt und der Verwalterin Entlastung erteilt.

Die Abrechnung hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

Als Abrechnungszeitraum ist angegeben 1/ 1/2000 - 30/12/2000.

Eine tabellarische Übersicht enthält die Überschriften Kostenart Verteilungsschlüssel DM Kosten/Erträge(-). In der linken Spalte sind die Kostenarten bezeichnet, in der mittleren Spalte ist ein Anteil Wohnung angegeben und die Anlage gesamt bezeichnet. Unter Kosten/Erträge sind die Beträge für die Gesamtanlage, die Verteilung und der Anteil für die jeweilige Wohnung angegeben.

Erträge enthält die Abrechnung nicht. Auch die tatsächlich geleisteten Wohngeldvorschüsse sind als solche nicht ausgewiesen. In einer weiteren Zeile werden der Gesamtaufwand und der Anteil des Empfängers des Abrechnungsschreibens angegeben. Im Folgenden werden dann Sollstellungen wiedergegeben, die sich offensichtlich auf den Abrechnungsempfänger beziehen. In dieser Spalte wird dann auch die Summe der Sollstellungen ermittelt. In einer daneben stehenden Spalte werden Fehlbeträge bzw. Guthaben des Vorjahres angegeben, offenbar bezogen auf den jeweiligen Empfänger der Abrechnung. In einer weiteren Spalte werden sodann verwendete Zahlungen wiedergegeben. In der Zeile erhaltene Zahlungen finden sich in den vorliegenden Abrechnungen für die Antragsteller keine Beträge. Es folgt eine Zeile mit außergewöhnlichen Sollstellungen und eine weitere Zeile mit Vorauszahlungen Abrechnungszeitraum, in der jeweils Beträge eingesetzt sind. Die Abrechnung endet dann mit einer Saldierung "Ihr Abrechnungsergebnis" und weist in den vorgelegten Abrechnungen für die Antragsteller jeweils einen Fehlbetrag aus.

Eine Kontenzusammenstellung enthält die Abrechnung nicht.

Die Antragsteller haben beantragt, den Beschluss über die Genehmigung Abrechnung 2000 für ungültig zu erklären. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3.4.2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 2.9.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Die Vorinstanzen haben die Verwalterin entgegen § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG nicht formell am Verfahren beteiligt, sondern sie als Vertreterin der Antragsgegner bezeichnet. Das zwingt im vorliegenden Falle jedoch nicht zu einer Zurückverweisung. Es ist davon auszugehen, dass die weitere Beteiligte durch den Antragsgegnervertreter über den Gang des Verfahrens informiert worden ist. Außerdem hat der Senat die Verwalterin am Verfahren beteiligt. Von ihr persönlich ist hierzu keine Äußerung erfolgt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Verwalterin auch bei einer förmlichen Beteiligung in den Vorinstanzen auf das Verfahren keinen Einfluss genommen hätte. Das rechtliche Gehör ist der Verwalterin durch die Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren gewährt.

2. Gegenstand des Verfahrens ist nur der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung, nicht auch der Beschluss über die Entlastung des Verwalters. Die Genehmigung der Jahresabrechnung und die Entlastung der Verwaltung sind zwei verschiedene Fragen (BayObLGZ 1983, 314/319). Nach dem eindeutigen Wortlaut des Antrags und auch der hierzu gegebenen Begründung haben die Antragsteller nur den Beschluss über die Jahresabrechnung, nicht aber auch über die Entlastung der Verwalterin angefochten.

3. Das Landgericht hat ausgeführt

Die Jahresabrechnungen für die Wohnungen der Antragsteller und die zugrunde liegenden Einzelabrechnungen einschließlich der Heizkosten seien in sich schlüssig und nachvollziehbar. Relevante Einwände der Antragsteller gegen diese Art der Abrechnung der Gesamtkosten seien aus der Beschwerdebegründung nicht ersichtlich. Auch die Rücklastgebühren seien nachvollziehbar. Die Einwände gegen das Einsetzen der Fehlbeträge aus den Vorjahren entbehrten jeglicher Grundlage, zumal es an einem substantiierten Vortrag fehle, was an diesen Beträgen unzutreffend sein sollte.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und inzwischen fast einhelliger Meinung (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 8.5.2003 - 2Z BR 8/03; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. 2002 § 28 Rn. 48 m. w. N.) ist eine Jahresabrechnung dann ordnungsgemäß, wenn sie alle in dem betreffenden Abrechnungsjahr vorgenommenen Ausgaben und empfangenen Einnahmen erfasst und gegenüberstellt. Das gilt in gleicher Weise für die Einzelabrechnungen; hier sind dem Anteil des jeweiligen Wohnungseigentümers an den Ausgaben seine Anteile an den gemeinschaftlichen Einnahmen und seine im Abrechnungsjahr geleisteten Vorschüsse gegenüberzustellen. Guthaben oder Fehlbeträge aus den Vorjahren sind nicht Bestandteil der Jahreseinzelabrechnungen, können aber zur Information und Erinnerung mitgeteilt werden (BayObLG NJW-RR 1992, 1169). Ein derartiges Abrechnungswesen ist nur dann übersichtlich und korrekt, wenn alle Zahlungen eines Wohnungseigentümers, die während eines Abrechnungsjahres eingehen, unabhängig von der Frage der Anrechnung (§ 366 BGB) als Einnahmen in diesem Jahr verbucht werden (BayObLG ZMR 2002, 946/947).

b) Diesen Anforderungen wird die Abrechnung nicht gerecht.

(1) Ein, wenn auch nicht erheblicher, Fehler der Abrechnung liegt bereits darin, dass für den Abrechnungszeitraum der 31.12.2000 außer Betracht gelassen wurde. Insoweit dürfte es sich wohl nur um eine Falschbezeichnung handeln.

(2) Die Abrechnung enthält auch keine klaren Angaben über die insgesamt gezahlten Wohngeldvorschüsse. Die tatsächlich gezahlten Wohngeldvorschüsse sind aber wesentlicher Bestandteil der Abrechnung (BayObLG WuM 1993, 92/93). In den Einzelabrechnungen sind keine "erhaltenen Zahlungen" angegeben, sondern lediglich "verwendete Zahlungen".

(3) Sollstellungen gehören nicht in eine Einnahme-Ausgabenrechnung. Dies gilt insbesondere für Rücklastgebühren. Diese sind - unabhängig davon, von wem sie letztlich zu tragen sind - als tatsächlich angefallene Ausgaben in die Gesamtabrechnung einzustellen.

(4) Unrichtig ist die Abrechnung auch insoweit, als Fehlbeträge für das Vorjahr in die Abrechnung eingestellt sind. Die vorliegende Handhabung geht über eine bloße Information oder Erinnerung hinaus. Die Fehlbeträge wurden nämlich in die Einzelabrechnung einbezogen und im Abrechnungsergebnis berücksichtigt.

(5) Zur Vollständigkeit der Abrechnung gehört es schließlich, dass der Stand der gemeinschaftlichen Konten ausgewiesen ist (BayObLGZ 1989, 310/314; Beschluss des Senats vom 8.5.2003 - 2Z BR 8/03). Auch hieran fehlt es bei der verfahrensgegenständlichen Abrechnung.

(6) Grundsätzlich kann die Ungültigerklärung des Beschlusses über die Abrechnung auf einzelne Abrechnungsteile beschränkt werden. Fehlende Angaben führen in der Regel nicht dazu, dass der Eigentümerbeschluss über die Abrechnung für ungültig zu erklären ist. Die fehlenden Angaben sind grundsätzlich nachholbar (BayObLGZ 1989, 310/313; BayObLG NJW-RR 1992, 1169; Beschluss des Senats vom 8.5.2003 - 2Z BR 8/03).

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Abrechnung so schwerwiegende Mängel aufweist, dass die im Falle einer teilweisen Ungültigerklärung verbleibenden Teile des Abrechnungswerkes nur noch einen Torso darstellen würden und damit die Abrechnung jeder Nachvollziehbarkeit entbehren würde. Die Abrechnung könnte dann ihrer Aufgabe, einen nachvollziehbaren Überblick über die Einnahmen und Ausgaben und die Vermögensverhältnisse darzustellen, nicht einmal mehr im Ansatz gerecht werden.

Die Einzelabrechnungen sind schon deshalb für ungültig zu erklären, weil Fehlbeträge für das Vorjahr in die Einzelabrechnungen eingestellt sind.

Die Gesamtabrechnung weist erhebliche Mängel auf, da sie erforderliche Angaben nicht enthält. Außerdem sind die "außergewöhnlichen Sollstellungen" in der Gesamtabrechnung nicht berücksichtigt. Übrig blieben im Falle einer teilweisen Ungültigerklärung lediglich die in der Gesamtabrechnung angeführten Ausgabenbeträge. Diese sind aber für sich allein nicht geeignet, auch nur ein Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit für das Endergebnis zu bewirken.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses beruht darauf, dass die weitere Beteiligte als Verwalterin die Mindestanforderungen an eine Abrechnung nicht beachtet und damit gegen ihre Verpflichtung aus § 28 Abs. 3 WEG verstoßen hat. Dies stellt eine Verletzung der der Verwalterin gegenüber den Wohnungseigentümern obliegenden vertraglichen Verpflichtungen dar, die Schadensersatzansprüche zur Folge hat. Solche Ansprüche der Wohnungseigentümer sind bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (BayObLG 2002, 321 ff. = NJW-RR 2003, 80). Im Hinblick darauf erscheint die Belastung der weiteren Beteiligten mit einem Teil der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten geboten (vgl. Beschluss des Senats vom 20.2.2003 - 2Z BR 136/02).

Die Heranziehung der Verwalterin zur Kostentragung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beschluss über ihre Entlastung nicht angefochten wurde. Die Entlastung des Verwalters hat die Bedeutung eines negativen Schuldanerkenntnisses, das im Umfang der Entlastung Schadensersatzansprüche und konkurrierende Ansprüche wegen solcher Vorgänge ausschließt, die bei der Beschlussfassung den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt erkennbar wären (BGH NJW 1997, 2106/2108; BayObLG ZMR 2001, 567). Sieht man einmal von dem vernachlässigbaren Fehler ab-, dass der 31.12.2002 unberücksichtigt geblieben ist, so war die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung für die Wohnungseigentümer nicht erkennbar. Von einem durchschnittlich verständigen Wohnungseigentümer kann nicht verlangt werden, dass er die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für die Ordnungsmäßigkeit einer Abrechnung nach dem WEG kennt. Er kann sich in der Regel darauf verlassen, dass der Verwalter diese Grundsätze beachtet. Die Mängel der Abrechnung sind auch nicht so offensichtlich, dass sie jedem juristisch und betriebswirtschaftlich nicht vorgebildeten Wohnungseigentümer ins Auge springen würden. Das gilt insbesondere für die hier im Vordergrund stehenden Fehlbeträge aus Vorjahren. Die Einbeziehung dieser Fehlbeträge in die Jahresabrechnung kann nur derjenige Wohnungseigentümer erkennen, der aus den Vorjahren selbst Fehlbeträge hatte.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der festgesetzte Geschäftswert entspricht etwa 25 % des Volumens der Jahresabrechnung und deckt auch das von den Antragstellern in den Vordergrund gestellte Eigeninteresse hinsichtlich der Einstellung der Vorjahresfehlbeträge in die Abrechnung ab.

Ende der Entscheidung

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