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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 113/02
Rechtsgebiete: FGG, WEG
Vorschriften:
FGG § 22 Abs. 2 | |
WEG § 47 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus 10 Häusern mit jeweils 8 bis 15 Wohnungen (insgesamt 99 Wohnungen) besteht. Die Anlage wird von der weiteren Beteiligten verwaltet.
Abgesehen von einem alleinstehenden Haus sind die übrigen 9 Häuser in Riegeln zu je drei Häusern angeordnet (Hausnummern 5, 7, 9/11, 13, 15/17, 19, 21). Nach der Teilungserklärung ist den Wohnungseigentümern der Häuser jedes Riegels das Sondernutzungsrecht an der südlich vorgelagerten Grundstücksfläche eingeräumt. § 9 der Gemeinschaftsordnung (GO) enthält unter anderem folgende Bestimmung:
Soweit in der Eigentümerversammlung über Gegenstände beschlossen wird, die nur eine Hauseinheit oder einen Garagentrakt betreffen, haben nur die Sondereigentümer dieser Hauseinheit bzw. dieses Garagentraktes Stimmrecht.
In zwei Eigentümerversammlungen der Häuser Nr. 17, 19, 21 beschlossen die Eigentümer dieser drei Häuser im Jahr 1996 bestandskräftig, auf ihrer Sondernutzungsfläche zusätzliche Kfz-Stellplätze zu errichten, die zunächst an interessierte Wohnungseigentümer vermietet werden sollten.
In der Eigentümerversammlung am 21.11.2000 beschlossen zu Tagesordnungspunkt (TOP) 5 sowohl alle Wohnungseigentümer der Häuser Nr. 5 - 21 als auch die Eigentümer der Häuser Nr. 17, 19 und 21, an den neu errichteten und an zukünftig geplanten Kfz-Stellplätzen Sondernutzungsrechte zu begründen und diese jeweils einem bestimmten Wohnungseigentümer zuzuordnen.
In der Wohnungseigentümerversammlung am 13.12.2000 beschlossen die Eigentümer der Häuser Nr. 11, 13 und 15, den Eigentümerbeschluss vom 21.11.2000 zu TOP 5 anzufechten und die Verwalterin mit der Beschlussanfechtung beim Amtsgericht zu beauftragen.
Auftragsgemäß hat die weitere Beteiligte als Verfahrensbevollmächtigte der Eigentümer der Häuser Nr. 11, 13 und 15 am 18.12.2000 einen Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 21.11.2000 zu TOP 5 beim Amtsgericht eingereicht. Mit Beschluss vom 18.6.2001 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Der Beschluss enthält keine Rechtsmittelbelehrung und ist der weiteren Beteiligten am 23.7.2001 zugestellt worden. Am 19.12.2001 hat die weitere Beteiligte als Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 18.6.2001 eingelegt.
Das Landgericht hat nach Hinweis auf die Verspätung der sofortigen Beschwerde seine Entscheidung zunächst zurückgestellt, um die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 24.10.2001 (BayObLGZ 2001, 297) abzuwarten. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2.5.2002 (NJW 2002, 2171 = ZIP 2002, 1548 = WUM 2002, 570) hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.9.2002 die sofortige Beschwerde der Antragsteller als unzulässig verworfen. Dieser Beschluss ist der weiteren Beteiligten mit einer Rechtsmittelbelehrung am 28.9.2002 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluss hat am 14.10.2602 ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter für die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erstbeschwerde beantragt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller sei als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt worden sei. Das Fehlen der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Rechtsmittelbelehrung habe auf Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist keinen Einfluss gehabt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Zum einen fehle es an einem fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag. Zum anderen sei die unterbliebene Rechtsmittelbelehrung nicht ursächlich gewesen für die Versäumung der Rechtsmittelfrist. Die Antragsteller seien zwar nicht anwaltlich vertreten; doch auch ohne Beistand eines Rechtsanwalts hätten sie einer Rechtsmittelbelehrung nicht bedurft. Denn sie seien durch die weitere Beteiligte, nämlich die Hausverwaltungsabteilung einer Raiffeisenbank, vertreten. Man könne davon ausgehen, dass der Verwalter einer Eigentumswohnanlage die Bestimmungen des Wohnungseigentumsrechts kenne oder sich bei Unkenntnis über etwaige Fristerfordernisse informiere. Auf eigenes Verschulden der Antragsteller komme es nicht an; das des Verwalters müssten die Antragsteller sich zurechnen lassen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
a) Gegen Entscheidungen des Amtsgerichts in Wohnungseigentumssachen ist nach § 45 Abs. 1 WEG die sofortige Beschwerde gegeben. Diese ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Diese Frist beginnt gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 FGG mit der Bekanntmachung der Entscheidung an den (späteren) Beschwerdeführer (§ 16 Abs. 2 FGG). Das Fehlen der an sich erforderlichen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Amtsgerichts hatte keinen Einfluss auf Beginn und Ablauf der Zweiwochenfrist (BGH ZIP 2002, 1548/1550 f. = NJW 2002, 2171). Als die Beschwerdeschrift am 19.12.2001 beim Amtsgericht einging, war die Frist bereits über vier Monate abgelaufen.
b) Den Antragstellern kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 22 Abs. 2 FGG erteilt werden. Dabei kann offen bleiben, ob ein form- und fristgerechtes Wiedereinsetzungsgesuch unabdingbare Voraussetzung dafür wäre oder ob Wiedereinsetzung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in entsprechender Anwendung von § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch ohne Antrag zu gewähren wäre (bejahend: Beschluss des 3. Zivilsenats des BayObLG vom 23.10.2002, 3Z BR 186/02). Denn zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis muss auf jeden Fall ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (BGH ZIP 2002, 1548/1551 = NJW 2002, 2171). Daran fehlt es hier. Wie von einem Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten muss von einem Verwalter, der in größerem Umfang und gewerbsmäßig die Verwaltung von Wohnungseigentum betreibt, erwartet werden, dass er die gesetzlichen Vorschriften über das gerichtliche Wohnungseigentumsverfahren, insbesondere die Vorschriften über Form und Frist von Rechtsmitteln kennt. Denn wer sich anbietet und es übernimmt, gegen Entgelt eine Eigentumswohnanlage zu verwalten, von dem erwarten die Vertragspartner zu Recht, dass er nicht nur über die betriebswirtschaftlichen, sondern auch über die erforderlichen rechtlichen Kenntnisse für eine Verwaltertätigkeit verfügt. Wenn ein Verwalter sich in der Beurteilung einer rechtlichen Einzelfrage unsicher ist, dürfen die Wohnungseigentümer zumindest erwarten, dass er fachkundigen Rechtsrat einholt. Die Kenntnis oder auch verschuldete Unkenntnis des als Verfahrensbevollmächtigten eingeschalteten Verwalters müssen sich die Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Eine Entschuldigung für die Fristversäumung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Zweiwochenfrist die Antragsteller nicht befragen konnte, ob gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Rechtsmittel eingelegt werden soll. In einem solchen Fall muss der Verfahrensbevollmächtigte vorsorglich das Rechtsmittel auch ohne ausdrücklichen Auftrag zur Fristwahrung einlegen. Bei einer anschließenden Rücknahme des Rechtsmittels ist die Kostenbelastung mit einer halben Gebühr nach der Kostenordnung (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 3 WEG) nur gering.
3. Da die weitere Beteiligte die Verspätung und damit die Unzulässigkeit der Erstbeschwerde verschuldet hat, ist es angemessen, ihr die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Denn bei der Kostenentscheidung nach § 47 WEG sind auch materiellrechtliche Erstattungsansprüche der am Verfahren Beteiligten untereinander zu berücksichtigen (BayObLG vom 26.9.2002, Az. 2Z BR 78/02 = BayObLGZ 2002, 321); dazu gehört bei einer Beschlussanfechtung auch der Verwalter (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG). Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller gegen den Verwalter als ihren Verfahrensbevollmächtigten einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, weil er nicht vorsorglich rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt hat. Dass das Landgericht von der Anordnung der Kostenerstattung abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden.
Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist es nach § 47 Satz 1 WEG angemessen, die Gerichtskosten den Antragstellern aufzuerlegen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg ist. Eine Auferlegung der Kosten an den Verfahrensbevollmächtigten scheidet hier schon deshalb aus, weil der Verfahrensbevollmächtigte nicht materiell Beteiligter des Wohnungseigentumsverfahrens ist. Da die Antragsgegner am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt wurden, besteht kein Anlass, Kostenerstattung anzuordnen. Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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