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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 117/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
Soll im Zusammenhang mit der Renovierung eines Flachdaches das Gebäude zur Schaffung von Wohn- oder Nutzraum aufgestockt werden, liegt eine bauliche Veränderung vor.
BayObLG Beschluss

LG München I - 1 T 19779/99; AG München 481 UR II 751/99

2Z BR 117/00

14.02.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 14. Februar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Unterlassung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München 1 vom 17. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten seiner Streithelfer zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus zwei Gebäuden besteht. Direkt an der Straße steht ein einstöckiges Haus mit einem Flachdach, in dem früher eine Bankfiliale betrieben wurde. Dahinter steht ein mehrstöckiges Wohngebäude mit sechs Wohnungen, die den einzelnen Antragstellern gehören. Dem Antragsgegner gehört ein Miteigentumsanteil von 300/1000 verbunden - wie es in der Teilungserklärung heißt - "mit dem Sondereigentum an dem gesamten Bankgebäude, im Aufteilungsplan mit Nr. 8 bezeichnet".

In der Gemeinschaftsordnung ist u.a. folgendes bestimmt:

Teileigentum ist das Eigentum an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen. Hierzu gehören insbesondere der Miteigentumsanteil zu 300/1000 am selbständig erstellten, gegenüber dem Wohngebäude wirtschaftlich unabhängigen Bankgebäude,...

Der jeweilige Eigentümer des Teileigentums Nr. 8 ist... berechtigt, den Zuweg zum rückwärtigen Eingang des Bankgebäudes zu benützen und durch sein Personal benützen zu lassen....

Bauliche Veränderungen an und in der Wohnung... bedürfen, soweit dadurch das gemeinschaftliche Eigentum berührt wird, der schriftlichen Einwilligung des Verwalters....

Für bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, gelten die Bestimmungen des § 22 WEG....

Der jeweilige Eigentümer des im Aufteilungsplan mit Nr. 8 bezeichneten Teileigentums (Bankgebäude) ist an den in... dieses Vertrages aufgeführten Verpflichtungen an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bis 7 näher bezeichneten Sonder- bzw. Teileigentum nicht beteiligt. Hingegen ist er für die alleinige und ausschließliche Instandhaltung-, Instandsetzungs- und Verwaltungsverpflichtung für sein Teileigentum Nr. 8 voll verantwortlich und verpflichtet.

Der Antragsgegner trägt vor, das Flachdach des Bankgebäudes sei renovierungsbedürftig. Er beabsichtigt, eine andere Dachkonstruktion anbringen zu lassen und das Gebäude aufzustocken.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verpflichten, bauliche Veränderungen am Flachdach zur Errichtung eines ersten Obergeschosses und/oder Dachgeschosses und/oder Satteldaches zu unterlassen oder begonnene Arbeiten weiter fortzuführen, insbesondere Bauarbeiten zur Durchführung der erteilten Baugenehmigung. Der Antragsgegner hat den Gegenantrag gestellt festzustellen, dass der Verwalter verpflichtet ist, entsprechend der Teilungserklärung die Zustimmung zu den Umbaumaßnahmen entsprechend dem Bauantrag und der Baugenehmigung zu erteilen. Außerdem hat er den Hilfsantrag gestellt festzustellen, dass eine Zustimmung der Antragsteller zu den Umbaumaßnahmen entsprechend dem Bauantrag des Antragsgegners und der erteilten Baugenehmigung nicht erforderlich sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 29.10.1999 dem Antrag der Antragsteller stattgegeben. Die Gegenanträge des Antragsgegners hat es abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat die Anträge gestellt, den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und den Antrag der Antragsteller abzuweisen. Außerdem hat er den Gegenantrag gestellt festzustellen, dass eine Zustimmung der Antragsteller zu den Umbaumaßnahmen entsprechend dem Bauantrag und der Baugenehmigung nicht erforderlich sei. Schließlich hat er den Hilfsantrag gestellt festzustellen, dass eine Zustimmung der Antragsteller zu Umbaumaßnahmen des Antragsgegners dahingehend, dass das vorhandene Flachdach durch ein Giebeldach mit einem Kniestock von 2 m auf der Westseite mit Dachausbau zur gewerblichen Nutzung nicht erforderlich sei. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.10.2000 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es statt "und/oder Satteldaches" heißen müsse "mit Satteldach". Die Gegenanträge des Antragsgegners hat es abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

a) Der Unterlassungsantrag der Antragsteller sei begründet. Gemäß § 5 Abs. 2 WEG handle es sich bei den konstruktiven Teilen des Bankgebäudes um Gemeinschaftseigentum. Der Antragsgegner beabsichtige eine bauliche Veränderung. Im Einzelfall könne zwar die Sanierung eines Flachdaches durch Anbringung eines Pultdaches eine modernisierende Instandsetzung oder Instandhaltung sein. Hier sei aber nicht die Dachsanierung bezweckt, sondern eine Aufstockung des Gebäudes. In Ausführung der erteilten Baugenehmigung solle nämlich eines Maisonette-Wohnung errichtet werden. § 22 WEG sei nicht abbedungen worden. Die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu den geplanten baulichen Veränderungen sei in der Eigentümerversammlung vom 10.6.1999 verweigert worden. Eine Zustimmung der Antragsteller sei auch nicht entbehrlich. Die geplante intensivere Nutzung des Bankgebäudes stelle für die übrigen Wohnungseigentümer einen Nachteil dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass die gemeinschaftlichen Zuwege stärker benutzt würden. Abgesehen davon liege eine nachteilige Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes vor. Das Bauvorhaben würde nämlich dazu führen, dass aus dem bisher 3 m hohen Flachdachgebäude ein Haus mit Satteldach mit einer Gesamthöhe von 11,5 m entstünde. Der Abstand zwischen dem Wohngebäude und der Bank betrage nur 11,24 m. Durch die Aufstockung würde die Sicht aus dem Wohngebäude auf die Straße versperrt oder beeinträchtigt.

b) Die Gegenanträge des Antragsgegners seien unbegründet. Die Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags ergebe sich bereits aus den Ausführungen zum Unterlassungsantrag der Antragsteller. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil die darin bezeichnete Umbaumaßnahme gleichfalls die Entstehung eines neuen Nutzraumes zum Ziele habe. Es liege also auch insoweit nicht eine modernisierende Instandhaltung oder Instandsetzung vor, sondern eine bauliche Veränderung. Auch bei der Erstellung eines solchen Nutzraumes sei eine intensivere Nutzung des Gebäudes die Folge. Abgesehen davon läge auch bei dieser Umbauvariante eine optische Beeinträchtigung der Antragsteller vor; in diesem Fall werde das Gebäude um 5,56 m erhöht mit der Folge, dass gleichfalls die Sicht auf die Straße vom Wohngebäude aus behindert würde.

c) Der Beschluss des Amtsgerichts sei insoweit abgeändert worden, als nach ihm jegliche Art von Satteldachkonstruktion untersagt worden sei. Lösungen, mit denen nicht eine intensivere Nutzung verbunden sei, seien aber durchaus denkbar und zulässig.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Die Einwendungen der Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts greifen nicht durch.

a) Das Bankgebäude steht nach Maßgabe des § 5 WEG im Gemeinschaftseigentum; daran können anderslautende Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung nichts ändern. zu Recht hat das Landgericht die Sachlage anhand der §§ 14, 22 WEG beurteilt. § 22 WEG kann zwar durch eine Vereinbarung (Teilungserklärung) abbedungen werden (vgl. BayObLG WuM 1993, 565; WuM 1996, 789). Dies ist hier aber nicht geschehen. In der Gemeinschaftsordnung heißt es vielmehr ausdrücklich, dass für bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, die Bestimmungen des § 22 WEG gelten. Die Regelung, wonach Wohngebäude und Bankgebäude wirtschaftlich voneinander unabhängig sein sollen, läßt das Zustimmungserfordernis des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG unberührt. Das gleiche gilt für die Regelung, nach der sich die Antragsteller an Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen am Bankgebäude ebenso wenig zu beteiligen haben, wie der Antragsgegner für Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen am Wohngebäude mit aufkommen muss.

b) Das Landgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl die geplante Umbaumaßnahme aufgrund der erteilten Baugenehmigung als auch eine Umbaumaßnahme im Sinn des Hilfsgegenantrags eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG darstellen und nicht als Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung angesehen werden können. Die Gesichtspunkte, nach denen zu beurteilen ist, ob eine konkrete Maßnahme sich im Rahmen ordnungsmäßiger Instandhaltung und Instandsetzung hält, hat der Senat mehrfach im einzelnen dargelegt (vgl. BayObLGZ 1988, 271/273 f.; 1990 28/31). Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts geht es hier in erster Linie darum, neuen Wohnraum oder Nutzraum zu schaffen. In einem solchen Fall liegt eine bauliche Veränderung vor.

c) Die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer ist auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich. Die Feststellung, ob eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage darstellt, liegt grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet. Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass hier eine solche Beeinträchtigung vorliegt, weil die Gebäude nahe beieinander stehen und durch die Erhöhung des Bankgebäudes die Sicht aus den Fenstern des Wohngebäudes beeinträchtigt wird. Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung sind nicht ersichtlich. Das gleiche gilt für die Begründung des Landgerichts, eine Beeinträchtigung sei auch durch die intensivere Nutzungsmöglichkeit des Bankgebäudes bei Schaffung von neuem Wohn- oder Nutzraum gegeben. Da es dabei auf eine generalisierende Betrachtungsweise ankommt, ist es unerheblich, welche konkrete Nutzungsweise der Antragsgegner ins Auge gefasst hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es erscheint angemessen, dem in allen Instanzen unterlegenen Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten seiner Streithelfer aufzuerlegen. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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