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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 118/04
Rechtsgebiete: HeizkostenV, WEG


Vorschriften:

HeizkostenV § 2
HeizkostenV § 3
HeizkostenV § 11
WEG § 10
WEG § 23 Abs. 4
1. Ein aufgrund einer Öffnungsklausel gefasster Eigentümerbeschluss über eine verbrauchsunabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Ausnahme nach der Heizkostenverordnung vorliegt.

2. Eine Ausnahme von der Heizkostenverordnung wegen unverhältnismäßiger Kosten ist gegeben, wenn in einem Zehnjahresvergleich die Kosten für die Installation der Messgeräte sowie deren Wartung und Ablesung höher sind als die voraussichtlich einzusparenden Kosten. Dabei können für die Kostenersparnis 15 % der Gesamtkosten angesetzt werden. Eine zu erwartende Erhöhung der Energiepreise kann berücksichtigt werden.


Gründe:

I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die vom weiteren Beteiligten verwaltet wird. Nach der Gemeinschaftsordnung, die zum Inhalt des Sondereigentums gemacht ist, sind die Heizkosten und die Kosten der Wasserversorgung zu 50 % nach Wohnfläche und zu 50 % anhand des festgestellten Verbrauches umzulegen. Die Gemeinschaftsordnung enthält eine Öffnungsklausel (Teil B § 17), wonach die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss der Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von mehr als 3/4 aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer erfolgen kann, soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 8.6.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer unter anderem eine Änderung der Gemeinschaftsordnung wie folgt: "Die Heizkosten und die Kosten der Warmwasserversorgung werden zu 100 % nach Wohnflächen ... umgelegt. ..."

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht unter anderem beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären. Mit Beschluss vom 18.10.2001 hat das Amtsgericht diesem Antrag entsprochen. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 29.3.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Abänderung der Gemeinschaftsordnung sei aufgrund der Öffnungsklausel zulässig. Die erforderliche Mehrheit sei erreicht worden.

Die beschlossene Änderung der Gemeinschaftsordnung verstoße jedoch gegen die bindenden Vorschriften der Heizkostenverordnung. Eine Ausnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 HeizkostenV bestehe nicht. Die Kosten für die verbrauchsabhängige Abrechnung seien nicht unverhältnismäßig hoch. Die Verhältnismäßigkeit sei anhand eines Vergleichs zwischen den zu erwartenden Kosten der Verbrauchserfassung und der zu erwartenden Energieeinsparung zu ermitteln. Die voraussichtlichen Kosten für die Installation der Messgeräte sowie für den Mess- und Abrechnungsaufwand seien mit rund 2.225 EURO jährlich anzunehmen. Dem stehe für das Jahr 1999 eine zu erwartende Energieeinsparung von 1.431,90 EURO und für das Jahr 2002 eine solche von 2.181 EURO gegenüber. Angesichts der zu erwartenden überproportionalen Steigerung der Energiepreise würden sich die Kosten durch die Energieeinsparung amortisieren. Dies gelte auch, wenn man berücksichtige, dass durch die Zusatzspülung von Rohren und etwaige Ausfallkosten für Messgeräte zusätzliche Ausgaben entstehen würden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Landgericht hat den Beschluss zu Recht für ungültig erklärt, da er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

a) Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses nach dem Zeitpunkt der Beschlussfassung zu beurteilen ist, ist zwar zutreffend (vgl. Beschluss des Senats vom 31.3.2004 - 2Z BR 11/04), verhilft dem Rechtsmittel aber nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat nämlich gegen diesen Grundsatz nicht verstoßen, sondern die weitere Entwicklung lediglich im Rahmen einer Prognose für das Verhältnis von Aufwand und Nutzen herangezogen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

b) Nach § 3 Satz 1 HeizkostenV sind die Vorschriften dieser Verordnung auf das Wohnungseigentum anzuwenden unabhängig davon, ob durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer abweichende Bestimmungen über die Kostenverteilung getroffen worden sind. Nach § 2 HeizkostenV hat die Verordnung, abgesehen von einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall, Vorrang vor rechtsgeschäftlichen Bestimmungen.

aa) Rechtsgeschäftliche Regelungen, die von der Heizkostenverordnung abweichen, sind zwar nicht nichtig, sondern werden von der HeizkostenV nur überlagert. §§ 2, 3 Satz 1 HeizkostenV sind keine Verbotsgesetze im Sinn des § 134 BGB, sondern Kollisionsnormen, die den Vorrang der Verordnung festlegen (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109/110). Somit ist der angefochtene Beschluss nicht deshalb nichtig, weil er gegen Vorschriften verstößt, auf deren Einhaltung die Wohnungseigentümer nicht wirksam verzichten können (vgl. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG).

Die auf weitere Beschwerde ergangene Entscheidung des OLG Hamm (ZMR 1995, 173/175) erfordert keine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG. Zwar hält dieses Gericht einen gegen § 3 Satz 1 HeizkostenV verstoßenden Eigentümerbeschluss für nichtig nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG. Das ist jedoch für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, da das OLG Hamm einen Eigentümerbeschluss darüber, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a gegeben sind, der Beschlusszuständigkeit der Wohnungseigentümer nach § 3 Satz 2 HeizkostenV unterstellt und für diese Fälle eine Nichtigkeit ebenfalls verneint.

bb) Ein Beschluss, der eine von der Heizkostenverordnung abweichende Kostenverteilung vorsieht entspricht jedoch dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands von § 11 HeizkostenV nicht vorliegen Aus dem Vorrang der Heizkostenverordnung ergibt sich nämlich, dass jeder Nutzer, also auch der einzelne Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 HeizkostenV), einen Anspruch auf Beachtung der Heizkostenverordnung hat (vgl. z.B. LG Berlin WuM 1995, 192). Hier verlangt zumindest die Antragstellerin die Beachtung der Vorschriften der Heizkostenverordnung.

c) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen für das Eingreifen des Ausnahmetatbestands des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 HeizkostenV verneint.

Ob der Kostenaufwand im Sinn der genannten Vorschriften unverhältnismäßig hoch ist, ist zu beurteilen aufgrund eines Vergleichs der Kosten für die Installation der Messgeräte sowie des Mess- und Abrechnungsaufwands mit der möglichen Einsparung von Energiekosten (BGH NJW-RR 1991, 647; BayObLG NJW-RR 1994, 145/146; OLG Köln WuM 1998, 621).

Auszugehen ist dabei nach der Rechtsprechung des Senats (NJW-RR 1994, 145; ebenso: KG NJW-RR 1993, 468; OLG Köln WuM 1998, 621) von einem Vergleichszeitraum von zehn Jahren. Das Landgericht ist auf den Vergleichszeitraum nicht eingegangen, gleichwohl kann der Senat aufgrund der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen abschließend entscheiden.

Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich der jährliche Aufwand für die verbrauchsabhängige Abrechnung auf 2.225 EURO beläuft. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht ebenfalls festgestellt, dass die Energieeinsparung für das Jahr 1999 1.431,90 EURO und für das Jahr 2002 2.181 EURO beträgt. Dass das Landgericht dabei entsprechend der Vorgabe in § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV von 15 % des Abrechnungsbetrags ausgegangen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung (BayObLG NJW-RR 1994, 145/146; KG NJW-RR 1993, 468; OLG Köln WuM 1998, 621).

Zutreffend hat das Landgericht auch die künftige Entwicklung berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über eine Kostenverteilung lässt sich die Kostenentwicklung nicht sicher voraussagen, da keine Energielieferverträge über zehn Jahre mit Festpreisbindung bestehen. Die Heranziehung eines Vergleichszeitraums von zehn Jahren erfordert daher immer eine Prognose. Dass das Landgericht dabei davon ausgegangen ist, dass die Energiepreise voraussichtlich in der Zukunft weiter steigen werden, ist aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre rechtlich nicht zu beanstanden. Das erhellt bereits aus den vom Landgericht herangezogenen Abrechnungszeiträumen 1999 und 2002. Ergab sich für das Jahr 1999 noch eine rechnerische Unterdeckung von 793,10 EURO, so betrug diese für das Jahr 2002 nur noch 44 EURO. Bei der Annahme weiter steigender Energiekosten und einem allenfalls geringeren Anstieg der Aufwendungen für die Verbrauchserfassung und Kostenverteilung ist bei einer Hochrechnung auf einen Zehnjahreszeitraum eine Unverhältnismäßigkeit nicht anzunehmen. Dies gilt auch, wenn man zugunsten der Antragsgegner unterstellt, dass zusätzliche Kosten für eine häufigere Spülung des Heizkreislaufes und für einen eventuellen Geräteausfall hinzukommen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für die Anordnung von Kostenerstattung in einem der Rechtszüge besteht angesichts der schwierigen Sach- und Rechtslage kein Anlass.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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