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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 119/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Beschließen die Wohnungseigentümer bestandskräftig, eine bestimmte Maßnahme nicht vorzunehmen, so steht dieser Beschluss einem Verpflichtungsantrag auf Vornahme dieser Maßnahme entgegen.

2. Zum Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Beseitigung einer Stange zum Abstellen von Fahrrädern.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. An der straßenseitigen Mauer des Gebäudes ist eine Stange angebracht, die zum Anlehnen von Fahrrädern dient.

In der Eigentümerversammlung vom 16.4.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer, diese Stange nicht zu entfernen.

Der Antragsteller hat beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären und die übrigen Wohnungseigentümer zu verpflichten, die Stange zu beseitigen. Die übrigen vor dem Amtsgericht gestellten Anträge sind für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 29.7.2002 in Ziff. I unter anderem den Beschlussanfechtungsantrag hinsichtlich der Fahrradstange und in Nr. II den Beseitigungsantrag abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts vom 29.7.2002 in Ziff. II insoweit aufzuheben, als der Antrag auf Beseitigung der Stangenkonstruktion abgewiesen wurde, und weiter beantragt, die Antragsgegner zu verurteilen, die Stangenkonstruktion in angemessener Frist zu entfernen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 15.5.2003 die Kostenentscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die sofortige Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Auch wenn man davon ausgehe, dass es sich bei der Anbringung der Fahrradstange um eine bauliche Veränderung handele, sei der Antragsteller nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus in seinen Rechten beeinträchtigt. Die Fahrradstange wirke eher unauffällig und bewirke keine optisch nachteilige Veränderung des Gesamtbilds der Wohnanlage. Eine missbräuchliche Verwendung der Fahrradstange durch Abstellen von Fahrrädern, die nicht den Hausbewohnern gehören würden oder das Abstellen verrosteter Fahrräder sowie das nicht ordnungsgemäße Abstellen, das zu Behinderungen führen würde, begründe unter Umständen einen Anspruch gegen die Störer, führe aber nicht zu einem Anspruch auf Beseitigung der Stange. Eine Entfernung der Stange würde für den Antragsteller nicht zwingend eine Verbesserung seiner Situation bedeuten, da das ihn konkret beeinträchtigende ordnungswidrige Abstellen der Fahrräder auch weiterhin möglich bliebe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Dem Beseitigungsanspruch des Antragstellers steht bereits entgegen, dass die Wohnungseigentümer beschlossen haben, die Stange nicht zu entfernen.

Auch der Beschluss, eine Maßnahme nicht vorzunehmen, hat Beschlussqualität. Sachlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um die Ablehnung eines Beschlusses, die begehrte Maßnahme vorzunehmen. Auch ein solcher Beschluss hat Beschlussqualität (BGHZ 148, 335; 152, 46; BayObLGZ 2002, 20/25; 2002, 247/249). Die Bestandskraft des Eigentümerbeschlusses steht einem Verpflichtungsantrag entgegen, durch den die abgelehnte Maßnahme herbeigeführt werden soll (Beschluss des Senats vom 17.9.2003 - 2Z BR 170/03 und Beschluss vom 26.9.2003 - 2Z BR 25/03; Deckert ZMR 2003, 153/158).

Die Entscheidung des Amtsgerichts, den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses abzuweisen, ist rechtskräftig. Soweit der Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren vorbringt, er habe die amtsgerichtliche Entscheidung auch insoweit anfechten wollen, als der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses abgewiesen wurde, kann dem keine Bedeutung beigemessen werden. Die Formulierung des Antrags der sofortigen Beschwerde und damit des Umfangs, in dem die amtsgerichtliche Entscheidung angegriffen wird, ist eindeutig. Auch in der Begründung der Erstbeschwerde wird, entgegen der Behauptung im Schriftsatz vom 16.9.2003, nicht auf den Eigentümerbeschluss Bezug genommen, sondern lediglich auf den Eigentümerbeschluss vom 17.10.1995 hingewiesen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Wirkung von Negativbeschlüssen war zum Zeitpunkt der Einlegung der Erstbeschwerde bereits veröffentlicht. Der Umfang der sofortigen Beschwerde wurde im Beschwerdeschriftsatz dahin umschrieben, dass sofortige Beschwerde eingelegt werde, soweit der Antrag auf Beseitigung der Stangenkonstruktion gemäß Ziff. II des angefochtenen Beschlusses abgewiesen worden ist. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gericht das Rechtsschutzziel zu ermitteln hat, kann deshalb über den eindeutigen Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes nicht hinausgegangen werden.

b) Im Übrigen wäre die Beschwerde auch in der Sache unbegründet. Unter Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. BGHZ 116, 392/396). Das ist nach den fehlerfrei getroffenen und daher für den Senat nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall. Soweit das Landgericht eine optische Beeinträchtigung verneint hat, ist der Senat an diese dem Tatrichter obliegende Würdigung gebunden (BayObLG NZM 2000, 392). Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass durch eine Entfernung der Fahrradstange ein behinderndes Abstellen von Fahrrädern vor dem Anwesen nicht verhindert würde.

3. Es entspricht der Billigkeit, dem bereits in den Vorinstanzen in diesem Punkt unterlegenen Antragsteller die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens in vollem Umfang aufzuerlegen (§ 47 WEG). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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