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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 12/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
Räumen die Eigentümern des einen Grundstücks den Eigentümern des Nachbargrundstücks ein Gehrecht ein, so kann darin der Verzicht auf eine ursprünglich zu errichtende Trennmauer liegen.

Steht der Müllraum einer Wohnanlage im Sondereigentum eines Wohnungseigentümers, kann dieser einen Teil des Müllraums an die Wohnungseigentümer einer benachbarten Wohnanlage vermieten.


BayObLG Beschluß

LG München I -- 1 T 7584/99; AG München 484 UR II 814/98

2Z BR 12/00

21.09.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 21. September 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Errichtung einer Hofmauer u.a.,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 20. Januar 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer der Wohnanlage Z.-Straße. Die Streithelfer sind die Wohnungseigentümer der benachbarten Wohnanlage M. Straße. Die Wohnanlage Z.-Straße besteht aus mehreren Gebäuden, zwischen denen sich mehrere Innenhöfe befinden; vom Hof Nr. 3 aus besteht ein Durchgang zu der Wohnanlage M.-Straße. Im Aufteilungsplan ist auf der Grenze zwischen den beiden Wohnanlagen im Bereich des Hofs Nr. 3 ein durchgehender schwarzer Strich eingezeichnet.

Wohnungseigentum an der Wohnanlage Z.-Straße wurde im Jahr 1980 begründet; aufteilende Eigentümerin und zugleich Bauträgerin der sanierungsbedürftigen Altbauten war die Firma R.

Mit notarieller Urkunde vom 25.1.1984 räumte die Firma R. als damalige Eigentümerin des Sondereigentums Nr. 47, dessen heutiger Eigentümer der Antragsgegner zu 1 ist, eine Grunddienstbarkeit zugunsten der Eigentümer des Grundstücks M.- Straße ein. Diese Grunddienstbarkeit gab die Berechtigung, eine bestimmte Fläche des im Sondereigentum Nr. 47 befindlichen Müllraums zum Abstellen von Müllcontainern zu benutzen.

Die Firma R. war im Jahr 1984 auch Eigentümerin des Grundstücks M.-Straße. Als solche bestellte sie mit notarieller Urkunde vom 25.6.1984 zugunsten der Eigentümer des Grundstücks Z.-Straße, für die sie allein auftrat, eine Grunddienstbarkeit, die die Eigentümer des Grundstücks Z.-Straße berechtigte, einen bestimmt bezeichneten Bereich auf dem Grundstück M.-Straße, der an den auf dem Grundstück Z.-Straße gelegenen Hof Nr. 3 angrenzt, zu begehen.

Die Firma R. war ferner Voreigentümerin der Wohnung des Antragstellers; am 7.11.1984 erwarb er im Wege der Zwangsversteigerung die Wohnung.

Der Antragsteller ist der Auffassung, es sei im Bereich des Hofs Nr. 3 auf der Grenze zwischen beiden Grundstücken eine Abschlußmauer zu errichten. Dies sei zur erstmaligen ordnungsmäßigen Herstellung der Wohnanlage entsprechend der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan erforderlich. Die Dienstbarkeit für die Eigentümer des Grundstücks M.-Straße sei nicht wirksam bestellt, weil die Firma R. zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr Alleineigentümerin des Grundstücks Z.- Straße gewesen sei. Die Eigentümer des Grundstücks M.-Straße seien nicht berechtigt, Gemeinschaftsgrund auf dem Grundstück Z.-Straße zum Zweck des Mülltransports zu benutzen. Eine Dienstbarkeit zu Lasten des Gemeinschaftseigentums sei nicht wirksam bestellt worden. Der Eigentümer des Sondereigentums Nr. 47 sei nicht berechtigt, eine Nutzung zum Zweck der Müllentsorgung zu gestatten.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, eine Abschlußmauer an der fraglichen Stelle zu errichten. Außerdem hat er beantragt, die Antragsgegner zu 2 zu verpflichten, den Eigentümern und Nutzern des Grundstücks M.- Straße die Benutzung des Gemeinschaftseigentums des Grundstücks Z.-Straße zum Zweck der Müllentsorgung zu untersagen und auszusprechen, sie im Fall der Zuwiderhandlung gerichtlich in Anspruch nehmen zu können. Ferner hat er beantragt, den Antragsgegner zu 1 zu verpflichten, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, die Müllentsorgung vom Anwesen M.-Straße über das Grundstück Z.-Straße zum Sondereigentum Nr. 47 zu gestatten. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 19.4.1999 die Anträge abgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seine Anträge erster Instanz weiterverfolgt hat. Außerdem hat er den Hilfsantrag gestellt, die Antragsgegner zur Herstellung der Abschlußmauer in der Weise zu verpflichten, dass in diese eine nur vom Grundstück Z.-Straße zu öffnende Fluchttür eingebaut wird. weiter hilfsweise hat er beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, an der Grenze zwischen dem Hof Nr. 3 und dem Grundstück M.-Straße einen 1,5 m hohen Zaun - hilfsweise mit Fluchttüre - anzubringen. Das Landgericht hat am 20.1.2000 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Hilfsanträge abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein ursprüngliches Ziel weiterverfolgt. Außerdem hat er den weiteren Hilfsantrag gestellt, die Antragsgegner zu verpflichten, einen Abschluss an der Grenze des Grundstücks Z.-Straße im Bereich des Hofes Nr. 3 zum Grundstück M.-Straße durch eine visuell durchlässige und transparente Grundstücksabgrenzung mit einer Höhe von 1,5 m herzustellen und in diese eine Fluchttüre, die sich nur von der Seite des Grundstücks Z.-Straße öffnen läßt, einzubauen,

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Anspruch auf Errichtung einer Abschlußmauer bestehe nicht. Grundsätzlich könne zwar jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Wohnungseigentümern die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustandes der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan und den Bauplänen beanspruchen. Allerdings genüge der Aufteilungsplan alleine nicht, um den Anspruch auf Errichtung eines Bauteils zu stützen; er solle lediglich erkennbar machen, welche Räume zu welchem Sondereigentum gehörten und wo die Grenzen von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum verliefen. Es könne offenbleiben, ob in den ursprünglich erstellten und genehmigten Bauplänen, die dem Aufteilungsplan zugrunde lägen, eine Mauer an der fraglichen Stelle vorgesehen gewesen sei. Diese Pläne seien jedenfalls durch spätere Neuplanungen überholt. Der zuletzt genehmigte Bauplan vom 7.3.1991 sowie der Freiflächengestaltungsplan für das Grundstück M.-Straße vom 20.12.1984 sehe an der betreffenden Stelle einen Durchgang vor. Hinzu komme, dass eine Mauer nach Auskunft der Baugenehmigungsbehörde an dieser Stelle auch nicht genehmigungsfähig sei, da nach § 2 der Satzung der Landeshauptstadt München über Einfriedungen und Vorgärten vom 18.4.1990 die Errichtung einer Abgrenzungsmauer nicht zulässig sei.

Abgesehen davon habe die Rechtsvorgängerin des Antragstellers konkludent auf die Errichtung der Abschlußmauer verzichtet. An diesen Verzicht sei auch der Antragsteller gebunden. Voreigentümerin sei die Firma R. gewesen. Sie habe als Eigentümerin des Nachbargrundstücks mit notarieller Urkunde vom 25.1.1984 eine Dienstbarkeit bestellt, mit der den Eigentümern des Grundstücks Z.-Straße das Gehrecht an der an den Hof Nr. 3 angrenzenden Fläche des Grundstücks M.-Straße eingeräumt worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Dienstbarkeit wirksam bestellt worden sei. Jedenfalls habe die Firma R. das Ziel verfolgt, einen Durchgang vom Anwesen Z.-Straße zum Anwesen M.-Straße zu eröffnen. Dieses Ziel habe sie nur erreichen können, indem von der Errichtung einer Mauer zwischen den beiden Grundstücken abgesehen worden sei. Aus dem gleichen Grunde habe auch der Hilfsantrag auf Errichtung einer Mauer mit Fluchttüre und der Hilfsantrag auf Errichtung eines Zaunes mit Fluchttüre keinen Erfolg.

Es bestehe auch kein Anspruch, die Antragsgegner zum Vorgehen gegen die Eigentümer der benachbarten Eigentümergemeinschaft mit dem Ziel zu verpflichten, diesen die Benutzung der Hoffläche zum Zweck der Müllentsorgung zu untersagen. Das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag sei zwar gegeben, da der Antragsteller nicht berechtigt sei, selbst den Anspruch gegen die Eigentümer des Nachbargrundstücks geltend zu machen. Es handle sich nämlich um eine Maßnahme im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Eigentümergemeinschaft habe in der Versammlung vom 20.7.1998 es abgelehnt, den Anspruch gegen die Nachbarwohnanlage geltend zu machen.

Eine ordnungsmäßige Verwaltung verlange nicht, den Nachbarn die Mitbenutzung zum Zweck der Müllentsorgung zu untersagen. Die für die Bewohner des Anwesens M.-Straße aufgestellten Müllcontainer würden nur am Tag der Leerung bewegt, und zwar zusammen mit den Müllcontainern des Anwesens Z.-Straße. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Müllcontainer des Anwesens M.-Straße eine meßbare zusätzliche Beschädigung des Pflasterbelages hervorgerufen werde. Auch könne nicht von einer nennenswerten zusätzlichen Lärmbelästigung bei der Entleerung der Müllcontainer ausgegangen werden. Es könne zwar sein, dass der Leerungsvorgang durch die höhere Anzahl von Containern etwas länger dauere. Dies erscheine aber nicht so schwerwiegend, dass ein Vorgehen der Eigentümergemeinschaft gegen die Nachbarn geboten erscheine. Aus dem gleichen Grunde bestehe auch gegen den Antragsgegner zu 1 kein Unterlassungsanspruch.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Errichtung einer Abschlußmauer oder eines Zaunes - mit oder ohne Fluchttüre - zwischen dem Hof Nr. 3 und dem Nachbargrundstück.

(1) Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustandes der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan und den Bauplänen verlangen (BayObLG WE 1997, 73). Dies gilt aber nicht für einen Wohnungseigentümer, dessen Rechtsvorgänger wirksam auf die Herstellung eines solchen Zustands verzichtet hat (BayObLG ZMR 2000, 38 f.).

(2) Hier kann offenbleiben, ob der Aufteilungsplan und die Baupläne eine Abschlußmauer an der fraglichen Stelle vorsehen. Desgleichen ist nicht entscheidungserheblich, ob öffentlich-rechtlich eine Einfriedung zulässig wäre. Rechtsfehlerfrei hat nämlich das Landgericht einen wirksamen Verzicht auf Einfriedung durch die Rechtsvorgängerin des Antragstellers bejaht; dieser Verzicht wirkt auch gegen den Antragsteller. Voreigentümerin der Wohnung des Antragstellers war die Firma R. Diese hat, wie durch den notariellen Vertrag vom 25.1.1984 belegt wird, als Eigentümerin des Grundstücks M.-Straße den Eigentümern des Grundstücks Z.-Straße, für die sie gleichfalls aufgetreten ist, ein Gehrecht auf der an den Hof Nr. 3 angrenzenden Grundstücksfläche auf dem Grundstück M.-Straße eingeräumt. Die Dienstbarkeit ist bei allen Wohnungseigentümern der Wohnanlage M.-Straße eingetragen. Gemäß § 891 BGB wird vermutet, dass sie besteht. Der Antragsteller trägt zwar vor, dass die Bestellung der Dienstbarkeit unwirksam sei, weil bei Abschluß des Vertrages über die Bestellung der Dienstbarkeit die Firma R. nicht mehr Alleineigentümerin des Grundstücks Z.-Straße gewesen sei. ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Maßgebend ist allein, dass die Firma R. als Voreigentümerin der Wohnung des Antragstellers zum Ausdruck gebracht hat, dass die genannte Dienstbarkeit bestellt werden soll. Dieser Wille der Firma R. kommt im Vertrag über die Bestellung der Dienstbarkeit hinreichend zum Ausdruck, da die Firma R. unstreitig damals Alleineigentümerin des Grundstücks M.-Straße war. Ein Gehrecht für die Wohnungseigentümer der Wohnanlage Z.-Straße steht einer Einfriedung des Hofes Nr. 3 an der Grenze zum Grundstück M.-Straße grundsätzlich entgegen. Die Einräumung einer solchen Dienstbarkeit ist somit grundsätzlich als Verzicht auf Einfriedung zu werten. Allerdings wäre eine Abschlußmauer mit einer Fluchttüre, die sich nur von der Seite des Grundstücks Z.-Straße öffnen läßt, mit einem Gehrecht für die Wohnungseigentümer des Grundstücks Z.- Straße vereinbar. Es liegen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Firma R. im Jahr 1984 an diese Möglichkeit gedacht hat und demgemäß nur einen eingeschränkten Verzicht auf die Errichtung einer Einfriedung erklären wollte. Der tatsächliche Geschehensablauf seit dem Jahr 1984 spricht eindeutig dagegen. Offenbleiben kann deshalb auch die Frage, ob aufgrund des langen Zeitablaufs und des Verhaltens der Firma R. im Jahr 1984 Verwirkung des Rechts auf die Errichtung einer Abschlußmauer auf Seiten der Rechtsvorgängerin des Antragstellers eingetreten ist.

b) Auch die im Zusammenhang mit der Müllentsorgung gestellten Anträge haben keinen Erfolg.

(1) Der Müllraum der Wohnanlage Z.-Straße ist Bestandteil des Sondereigentums Nr. 47, das dem Antragsgegner zu 1 gehört. Den Wohnungseigentümern der Wohnanlage M.-Straße ist, durch den Antragsgegner zu 1 das Recht eingeräumt worden, in diesem Müllraum Müllcontainer abzustellen und diese zu benutzen. Da der Antragsgegner zu 1 sein Recht, Gemeinschaftseigentum zu überqueren, um zum Sondereigentum Nr. 47 zu gelangen, auf seine Mieter weiter übertragen konnte (vgl. BayObLG WuM 1997, 690), sind somit auch diese berechtigt, Gemeinschaftseigentum zur Müllentsorgung zu benutzen.

(2) Nach § 14 Nr. 1 WEG ist zwar jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von seinem Sondereigentum sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. Die Beurteilung, ob ein solcher Nachteil vorliegt, ist in erster Linie Sache der tatrichterlichen Würdigung. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass hier ein solcher Nachteil für andere Wohnungseigentümer nicht gegeben ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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