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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 12/03
Rechtsgebiete: FGG, WEG
Vorschriften:
FGG § 12 | |
WEG § 23 Abs. 4 | |
WEG § 28 Abs. 3 | |
WEG § 45 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragstellerin gehört eine Wohnung mit einem Miteigentumsanteil von 37,5/1000; Teileigentum an der zur Anlage gehörenden Tiefgarage gehört ihr nicht.
In der Eigentümerversammlung vom 16.10.2001 wurde unter Tagesordnungspunkt 4.1 die Jahresabrechnung 2000 genehmigt und unter Tagesordnungspunkt 4.2 der Verwalterin Entlastung erteilt. Die Antragstellerin hat diese Beschlüsse fristgerecht angefochten, den Beschluss zur Jahresabrechnung im Wesentlichen mit der Begründung, an deren Richtigkeit beständen erhebliche Zweifel; nähere Ausführungen seien jedoch noch nicht möglich, weil sie bzw. ihr anwaltlicher Bevollmächtigter noch keine Einsicht in die Belege erhalten habe. Nach Überlassung verschiedener Unterlagen bemängelte die Antragstellerin, dass diese zur vollständigen Überprüfung der Jahresabrechnung nicht ausreichend seien. Unabhängig hiervon ergäbe sich aus den überlassenen Belegen jedoch bereits die Unrichtigkeit der Jahresabrechnung, so insbesondere hinsichtlich der Kostenzuordnung und -aufteilung zwischen Wohn- und Garageneinheiten und hinsichtlich der Stromkosten.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.8.2002 dem Antrag nur insoweit stattgegeben, als sich die Antragstellerin gegen den Beschluss über die Verwalterentlastung gewandt hat. Den Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung hat das Gericht abgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Antrag, den Beschluss über die Jahresabrechnung 2000 für ungültig zu erklären, weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie unter anderem darauf verwiesen, dass sich aufgrund ihrer Nachforschungen außer den bereits gerügten Mängeln noch andere schwerwiegende Unrichtigkeiten ergeben hätten, so hinsichtlich der eingestellten Kosten für die Fassadensanierung, die nicht dem tatsächlichen Sanierungsaufwand entsprächen.
Das Landgericht hat ohne mündliche Verhandlung das Rechtsmittel durch Beschluss vom 23.12.2002 verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde folgt aus der Verwerfung der Erstbeschwerde mangels ausreichender Beschwer (BGHZ 119, 216/217 f.; BayObLG NZM 2000; 1240).
Das Rechtsmittel hat Erfolg; es führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, weil der Beschwerdewert von mehr als 750 EUR nicht erreicht sei. Es komme auf das vermögenswerte Interesse des einzelnen Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung an. Die Beschwer richte sich nach der anteiligen Belastung, die dem Rechtsmittelführer bei der nach seiner Ansicht richtigen Abrechnung erspart geblieben wäre. Hiernach belaufe sich die Beschwer bei den von der Antragstellerin angeführten Einzelposten der Abrechnung nur auf insgesamt 247,83 EUR.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Zutreffend ist allerdings die Ansicht des Landgerichts, dass der Beschwerdewert im Sinn von § 45 Abs. 1 WEG nicht gleichzusetzen ist mit dem Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 WEG. Er ist immer nach der Beschwer des Rechtsmittelführers und seinem Interesse an der Abänderung zu bemessen. Wird der Beschluss über die Jahresabrechnung mit der Begründung angefochten, es sei ein falscher Kostenverteilungsschlüssel angewandt worden oder einzelne Posten hätten nicht als Ausgaben in die Jahresabrechnung eingestellt werden dürfen, so bemisst sich die Beschwer des Rechtsmittelführers nach der anteiligen Belastung, die ihm bei der nach seiner Ansicht richtigen Abrechnung erspart geblieben wäre (siehe etwa BayObLG WuM 2002, 333; BayObLG NZM 2000, 1240). Die Belastung mit Verfahrenskosten hat dabei, ebenso wie im Zivilrecht, außer Betracht zu bleiben. Die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer sind für die Bemessung der individuellen Beschwer nicht maßgeblich.
b) Das Landgericht hat jedoch nicht beachtet, dass die Antragstellerin die Jahresabrechnung insgesamt und ohne Einschränkung auf Einzelpositionen angefochten hatte und auch in der Beschwerdeinstanz eine Beschränkung des Verfahrensgegenstands nicht vorgenommen hat.
Maßgebend für den Umfang eines Antrags auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses ist in erster Linie der Wortlaut des Antrags selbst (BayObLG WuM 2002, 333 - Leitsatz 2; siehe auch BayObLG Beschluss vom 8.8.2002, 2Z BR 61/02 = OLG-Report 2001, 42 - Leitsatz 1), insbesondere wenn wie hier der Antrag von einem Rechtsanwalt formuliert ist. Sowohl der verfahrenseinleitende Antrag wie der Rechtsmittelantrag enthalten keine Einschränkung. Weil der Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung einem Begründungszwang überhaupt nicht unterliegt (Staudinger/Wenzel WEG Vorbem. zu §§ 43 ff. Rn. 23), können die vom Antragsteller vorgetragenen Rügen und Beanstandungen regelmäßig nur mit Vorsicht zur Bestimmung des Umfangs der Anfechtung herangezogen werden. Hier hat die Antragstellerin zwar keine Rügen erhoben, die alle Abrechnungsposten gleichermaßen betreffen, wie etwa die eines formalen Fehlers bei der Beschlussfassung, jedoch trotz der von ihr herausgestrichenen Einzelposten hinreichend deutlich gemacht, dass die gesamte Jahresabrechnung einschließlich der nicht ausdrücklich erwähnten Positionen zur Überprüfung des Gerichts stehen soll. Das ergibt sich aus ihrer Erklärung, dass ihr die überlassenen Unterlagen "bei weitem" nicht ausreichten, um eine vollständige Überprüfung der Jahresabrechnung vorzunehmen; die Unrichtigkeit der Jahresabrechnung ergebe sich aber bereits aus den vorgelegten Unterlagen, die jedoch lediglich einen Teil der in der Jahresabrechnung aufgeführten Beträge erklärten. Im Beschwerderechtszug hat die Antragstellerin zudem die weitere konkrete Position "Fassadensanierung" aus der Jahresabrechnung aufgegriffen und in Zweifel gezogen, was sie wegen § 23 Abs. 4 WEG mit Aussicht auf Erfolg überhaupt nicht vorbringen könnte, wenn eine Beschränkung der Anfechtung auf bestimmte Abrechnungsposten stattgefunden hätte (BayObLG NZM 2000, 1240; BayObLG NJW-RR 1993, 1039).
c) Bildet somit die gesamte Jahresabrechnung den Gegenstand der gerichtlichen Anfechtung nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, so übersteigt der Wert der Beschwer (vgl. § 45 Abs. 1 WEG) 750 EUR. Denn zugrunde zu legen ist die aus der Einzelabrechnung ersichtliche Gesamtbelastung der Antragstellerin mit 2986,35 DM (= 1526,90 EUR).
3. Die Sache ist zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Das Landgericht hat über das Rechtsmittel nämlich nicht in der Sache selbst entschieden (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 58), und eine weitere Sachaufklärung ist erforderlich. Dazu merkt der Senat noch an:
a) Die Jahresabrechnung muss nach herrschender Rechtsprechung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben im betreffenden Kalenderjahr enthalten. Sie ist weder eine Bilanz noch eine Gewinn- und Verlustrechnung, sondern eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, die die tatsächlich angefallenen Beträge im Abrechnungszeitraum einander gegenüberzustellen hat (BayObLGZ 1989, 310/312; 1993, 185/188; BayObLG WE 1994, 184; OLG Hamm NZM 1998, 923). Einen wesentlichen Bestandteil der Jahresabrechnung bilden auch die Einnahmen (BayObLG NJW-RR 1990, 1107/1108; WuM 1993, 92). Zur Vollständigkeit gehört ferner, dass der Stand der gemeinschaftlichen Konten, insbesondere der Instandhaltungsrücklage und der Zinsbeträge, ausgewiesen ist (BayObLGZ 1989, 310/314; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 28 Rn. 107). Ob die Abrechnung der weiteren Beteiligten diesen Anforderungen genügt, ist nach dem bislang nur vorgelegten Blatt zur Wohngeldabrechnung für die Wohnung der Antragstellerin (AS 1) zweifelhaft, kann aber auf sich beruhen, weil das Fehlen solcher Bestandteile nicht dazu führt, den Eigentümerbeschluss über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung für ungültig erklären zu müssen. Die fehlenden Angaben sind vielmehr nachholbar; die Abrechnung kann ergänzt werden (BayObLGZ 1989, 310/314; BayObLG NJW-RR 1992, 1169; OLG Hamm NZM 1998, 923; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 28 Rn. 107; zweifelnd Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 283).
b) Die Antragstellerin hat sich bisher nur mit einzelnen Punkten der Jahresabrechnung auseinandergesetzt, andere - wie etwa Müllabfuhr, Entwässerung oder Straßenreinigung - aber nicht ausdrücklich in Frage gestellt. Hinsichtlich solcher Posten wird das Landgericht ohne Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 12 FGG von der Richtigkeit der Abrechnung ausgehen können. Denn in echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht gehören, werden die Beteiligten regelmäßig darum bemüht sein, die ihnen vorteilhaften Umstände von sich aus vorzubringen (vgl. BGHZ 146, 241/249; Schmidt in Keidel/ Kuntze/Winkler § 12 Rn. 229). Daran ändert nichts, dass die Antragstellerin bemängelt, ihr ständen nicht sämtliche Belege zur Verfügung. Darum muss sie sich selbst kümmern, und zwar gegebenenfalls durch Geltendmachung ihres individuellen Rechts, Einsicht zu nehmen in die Belege und Unterlagen des Verwalters, die der Jahresabrechnung zugrunde liegen (BayObLG ZMR 2002, 946).
c) Hinsichtlich der Position "Fassadensanierung" bemängelt die Antragstellerin unter Vorlage von Schriftstücken, dass dafür andere als die in der Erläuterung zur Sonderumlage Fassadensanierung angeführten Einzel- und in der Abrechnung ausgewiesenen Gesamtbeträge angefallen seien. Im Rahmen dieses Verfahrens wird aufzuklären sein, ob der in der Abrechnung ausgewiesene Betrag tatsächlich vom Gemeinschaftskonto abgeflossen ist (BayObLG WuM 1990, 175; Demharter ZWE 2001, 585/586). Auf die Berechtigung, die Ausgabe in dieser Höhe auch vorzunehmen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Sollte ein Differenzbetrag allerdings mit Arbeiten an der Garage verrechnet worden sein (Anlage AS 19), könnte die Fehlerhaftigkeit sich auch auf den Posten "Garagenkosten" erstrecken.
d) Hinsichtlich der Mahnkosten für die Stromrechnung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung, wonach gegebenenfalls ein Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die weitere Beteiligte auf Rückzahlung der Mahnkosten besteht, die Jahresabrechnung deswegen jedoch nicht unrichtig ist.
e) Zu den Posten Brand- und Gebäudeversicherung hat die Antragstellerin weiteren ihr vorteilhaften Vortrag in der Beschwerdeinstanz bisher nicht gebracht. Nach den zuvor genannten Grundsätzen wird es dazu auch keiner weiteren Ermittlungen der Beschwerdekammer bedürfen.
f) Soweit alle Wohnungseigentümer mit den Kosten für das Umklemmen des Garagenstroms auf einen Zwischenzähler belastet wurden, erscheint das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die Entscheidung des Amtsgerichts in Frage zu stellen. Denn es ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer, die technischen Voraussetzungen für eine Abrechnung entsprechend der Gemeinschaftsordnung (vgl. deren § 4 Abs. 3, § 16) zu schaffen. Die dabei anfallenden Kosten sind solche des § 16 Abs. 2 WEG. Ob der Stromzähler selbst der Garage zuzuordnen ist, spielt keine Rolle.
g) Demgegenüber sprechen die von der Antragstellerin vorgelegten Rechnungen AS 8, 9 und 10 mit den darauf befindlichen handschriftlichen Vermerken eher dafür, dass die aufgeführten Materialien jedenfalls ganz überwiegend für Arbeiten zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Tiefgarage verwendet wurden. Dies stellt die von der weiteren Beteiligten vorgenommene Zuordnung zu den allgemeinen Kosten für Reparaturen/ Elektro in Frage.
h) Sollte das Landgericht lediglich die Fehlerhaftigkeit von Einzelpositionen feststellen, liegt es nahe, den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung nur teilweise, nämlich beschränkt auf diese Punkte, für ungültig zu erklären und die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Ungültigerklärung im Übrigen zurückzuweisen (BayObLGZ 1987, 86/92; vgl. auch KG ZWE 2001, 334).
III.
Eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren kann derzeit nicht ergehen, weil der endgültige Ausgang des Verfahrens noch nicht feststeht.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Sätze 1 und 2 WEG. Der Senat setzt dabei die Summe der zuletzt erhobenen Einzelbeanstandungen zuzüglich ca. 20 % des Gesamtvolumens der Jahresabrechnung an (z.B. BayObLG WE 1990, 62/63; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 48 Rn. 40).
Ende der Entscheidung
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