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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 120/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
Ein Wohnungseigentümer schuldet Schadensersatz, wenn er sein Sondereigentum in in einer solchen Weise nutzt, dass den anderen Wohnungseigentümern ein Nachteil entsteht.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage.

Die Antragstellerin ist seit 1993 Eigentümerin einer Wohnung. Der Antragsgegnerin gehörte eine Gewerbeeinheit, die vermietet ist. Seit 1996 ist Eigentümerin der Gewerbeeinheit eine BGB-Gesellschaft, die aus der Antragsgegnerin und weiteren Gesellschaftern besteht. In der Gewerbeeinheit der Antragsgegnerin wird ein im Sondereigentum stehender Lastenaufzug und ein Ventilator zur Wärmeabführung im Technikraum betrieben. Der Streithelfer der Antragsgegnerin ist der Konkursverwalter über das Vermögen der Mieterin.

Der Mietvertrag vom 4.10.1993 Über die Wohnung der Antragstellerin wurde von den Mietern am nächsten Tag wegen des unerträglichen Lärms gekündigt, der von dem Teileigentum der Antragsgegnerin ausgeht.

Die Antragstellerin veranlasste ein selbständiges Beweisverfahren, in dem im Jahr 1996 ein Gutachten über die Lärmbeeinträchtigung erstellt wurde. Außerdem ließ die Antragstellerin in ihrer Wohnung zum Lärmschutz einen Teppich verlegen.

Die Antragstellerin hat im Jahr 1997 beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die von ihrer Gewerbeeinheit ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen der Wohnung der Antragstellerin abzustellen und zu unterlassen, ferner die Antragsgegnerin zur Zahlung von 55862,10 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Der Betrag setzte sich zusammen aus den Kosten des Beweisverfahrens, den Kosten für den verlegten Teppich und entgangene Mieteinnahmen für die Zeit vom 15.10.1993 bis 31.3.1997.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin unter Abweisung des weitergehenden Antrags am 15.4.1999 verpflichtet, die durch den Betrieb des Lastenaufzugs und des Ventilators verursachten Geräuschbeeinträchtigungen der Wohnung der Antragstellerin abzustellen und zu unterlassen; außerdem hat es die Antragsgegnerin zur Zahlung von 13264,80 DM nebst Zinsen verpflichtet. Als Schadensersatz hat es lediglich die Kosten des Beweisverfahrens und einen Teil des Mietausfalls von 8764,80 DM zugesprochen.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Die Antragstellerin hat unter Neuberechnung ihres Schadens zuletzt beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 33748 DM sowie 18126,28 DM Zinsen zu verurteilen. Außerdem hat sie den Unterlassungsantrag auf die von dem Lastenaufzug ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen beschränkt und beantragt, der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung Ordnungsmittel anzudrohen. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags wurde die Hauptsache wegen der Lärmbeeinträchtigung durch den Ventilator übereinstimmend uneingeschränkt und im übrigen hilfsweise für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 18.6.2001 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel klargestellt, dass die Hauptsache hinsichtlich des Unterlassungsantrags erledigt ist; ferner hat es die Entscheidung des Amtsgerichts dahin abgeändert, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung von 41770,82 DM nebst 5,85 % Zinsen aus 23801,78 DM seit 1.5.2001 verpflichtet wurde. Die Gerichtskosten des Verfahrens hat das Landgericht der Antragstellerin und der Antragsgegnerin je zur Hälfte auferlegt und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Auf Seiten der Antragsgegnerin liege keine notwendige Streitgenossenschaft vor. Die geltend gemachten Ansprüche könnten nicht nur von allen Gesellschaftern gemeinsam erfüllt werden. Dies gelte auch für den Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die alleinige Geschäftsführungsbefugnis der Antragsgegnerin.

Die Lärmbeeinträchtigung durch den Ventilator, die nach den Ausführungen des Sachverständigen bis Oktober 1998 vorgelegen und nachts den zulässigen Grenzwert überschritten hätten, seien ursächlich dafür gewesen, dass der Mietvertrag vom 4.10.1993 gekündigt worden sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Mieters vom 5.10.1993.

Die Antragstellerin müsse sich für die Zeit vom November 1993 bis August 1995, für die sie entgangene Miete einschließlich Nebenkosten - für die Monate November und Dezember 1993 auch für die Garage - verlange, kein Mitverschulden entgegenhalten lassen. Aufgrund des Verhaltens der Antragsgegnerin und deren Mieterin habe sie von einer baldigen Beseitigung der Lärmbeeinträchtigungen ausgehen dürfen. Daher sei es ihr nicht vorzuwerfen, dass sie keine Bemühungen unternommen habe, die Wohnung und die Garage sogleich wieder zu vermieten. Zunächst seien im übrigen auch die Ursachen der Lärmbeeinträchtigung im einzelnen nicht bekannt gewesen. Bei einem Treffen am 6.7.1995 sei der Antragstellerin von der Antragsgegnerin die Beseitigung des Lärms bis Ende des Monats zugesichert worden. Es könne der Antragstellerin deshalb nicht angelastet werden, dass sie die Wohnung bis einschließlich August 1995 nicht weitervermietet habe. Spätestens ab Mitte 1994 hätte die Antragstellerin jedoch die Garage weitervermieten können und müssen und spätestens ab September 1995 hätte sie die Wohnung für eine um 25 % unter der ortsüblichen Miete gelegene Miete weitervermieten können. Danach ergebe sich ein Schadensersatzanspruch für entgangene Miete und Nebenkosten sowie Mietminderungen von 26099,43 DM.

Bei Eingang der ausgebliebenen Mietzahlungen und Nebenkosten sowie der Mietminderungen hätte die Antragstellerin unstreitig die Beträge zu einem Zins von 3,5 % ab Zahlungseingang bis 31.8.1996 angelegt. Daraus ergibt sich ein Schadensersatzbetrag von 1524,93 DM.

Am 1.1.1996 habe die Antragstellerin ein Darlehen über 200000 DM zu einem Zinssatz von 5,85 % aufgenommen. Hätte sie von November 1993 bis August 1996 die aufgeführten entgangenen Mieten und Nebenkosten erhalten, hätte sie nur ein um 23801,78 DM niedrigeres Darlehen aufnehmen müssen. Sie hätte sich damit von September 1996 bis April 2001 Zinsaufwendungen in Höhe von 6497,89 DM erspart. Aus den gleichen Gründen habe sie Anspruch auf Zahlung von 5,85 % Zinsen aus dem Betrag von 23801,78 DM ab 1.5.2001. Schließlich habe die Antragsgegnerin der Antragstellerin die für das selbständige Beweisverfahren aufgewendeten Kosten zu erstatten. Sie seien zur Ermittlung der Lärmursache notwendig gewesen. Zu ersetzen seien die Gerichtskosten von 4276,83 DM und die Anwaltskosten von 3371,80 DM.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nur noch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Schadensersatz wegen der eingeschränkten Vermietbarkeit der Wohnung der Antragstellerin als Folge der von der Gewerbeeinheit der Antragsgegnerin ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Schadensersatz bejaht.

a) Nach den auf das vorliegende Sachverständigengutachten gestützten Feststellungen des Landgerichts, die für den Senat bindend sind (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 FGG, § 561 ZPO), war Ursache der inzwischen abgestellten Lärmbeeinträchtigungen der Ventilator in dem Teileigentum der Antragsgegnerin, der bis Oktober 1998 den zulässigen Grenzwert nachts überschritt. Bindend ist für das Rechtsbeschwerdegericht auch das Ergebnis der Beweiswürdigung des Landgerichts dahin, dass aufgrund des Schreibens des Mieters vom 5.10.1993 die Lärmbeeinträchtigung ursächlich für dessen Kündigung des Mietvertrags war (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO).

(1) Der Ventilator gehört ebenso wie der Lastenaufzug, der von der Antragstellerin ebenfalls als Quelle der Lärmbeeinträchtigung genannt worden war, zum Sondereigentum der Antragsgegnerin (§ 5 Abs. 1 WEG). Es handelt sich bei ihm um eine Einrichtung, die allein dem Betrieb des Teileigentums der Antragsgegnerin dient, in dessen Räumen er sich befindet. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WEG liegen damit nicht vor, so dass Gemeinschaftseigentum an dem Ventilator ausscheidet.

(2) Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in einer solchen Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht. Er hat darüber hinaus für die Einhaltung dieser Verpflichtung durch die Personen zu sorgen, denen er die Nutzung seines Sondereigentums überlässt (§ 14 Nr. 2 WEG). Verletzt ein Wohnungseigentümer die sich hieraus ergebenden Pflichten, ist er zum Ersatz des dadurch einem anderen Wohnungseigentümer entstehenden Schadens unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung verpflichtet (BayObLG WE 1989, 60 f.; 1992, 23; OLG Hamm NJW-RR 1996, 335; Weitnauer/ Lüke WEG 8. Aufl. § 14 Rn. 10; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 14 Rn. 68).

(3) Durch geeignete Maßnahmen, nämlich den Einbau eines Frequenzumrichters, wie sie schließlich vorgenommen wurden, hätte die Lärmbeeinträchtigung der Wohnung der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu einem früheren Zeitpunkt beseitigt werden können. Die Lärmbeeinträchtigung bis Oktober 1998 stellt sich damit als ein bei einem geordneten Zusammenleben nicht unvermeidlicher Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG dar. Dass die Beseitigung der Lärmbeeinträchtigung nicht früher vorgenommen wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre, ist von der Antragsgegnerin zu vertreten.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine Haftung der Antragsgegnerin für den Schadensersatzanspruch bejaht, obwohl nicht sie Eigentümerin des Teileigentums ist, sondern eine BGB-Gesellschaft, deren Mitgesellschafterin die Antragsgegnerin ist. Eine notwendige Streitgenossenschaft sämtlicher BGB-Gesellschafter im Sinn des § 62 Abs. 1 ZPO liegt nämlich nicht vor. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, der jetzt nur noch Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist, kann von der Antragsgegnerin allein erfüllt werden. Hierzu ist nicht das Zusammenwirken aller BGB-Gesellschafter erforderlich (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 62 Rn. 17).

c) Die Schadensberechnung des Landgerichts im einzelnen ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als das Landgericht ein Mitverschulden der Antragstellerin (§ 254 BGB) nicht darin gesehen hat, dass die Antragstellerin bis einschließlich August 1995 keine Anstrengungen unternommen hat, die Wohnung wenigstens zu einem geminderten Mietzins weiterzuvermieten. Der vom Landgericht festgestellte tatsächliche Ablauf der Ereignisse bis zu diesem Zeitpunkt rechtfertigt die Annahme des Landgerichts, dass die Antragstellerin wegen der ihr gegenüber gemachten Zusage, die Lärmbeeinträchtigung werde beseitigt, mit einer Weitervermietung zu warten durfte.

3. Die Kostenentscheidung des Landgerichts lässt keinen Ermessensfehler erkennen; sie orientiert sich an dem Ausgang des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG.

Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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