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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.08.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 121/01
Rechtsgebiete: FGG, WEG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 16 Abs. 3
WEG § 45 Abs. 1
ZPO § 159
ZPO § 160a
Im Wohnungseigentumsverfahren kann die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegenüber einem Beteiligten zu laufen beginnen, wenn der Amtsrichter die vollständige Entscheidung samt Gründen in dessen Gegenwart vorliest.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr; Delius und Lorbacher

am 10. August 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Feststellung und anderem,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 9. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner zu 2 haben die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner zu 2 sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragsgegner zu 1 war bis 31.12.1999 Verwalter der Wohnanlage.

Das Amtsgericht München hat auf Betreiben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2000 Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 15.12.1999 und 14.6.2000 für ungültig erklärt, die Antragsgegner zu 2 verpflichtet, Statikmängel in der Dachkonstruktion zu sanieren, und festgestellt, dass die Antragsgegner zu 2 einen Teil derjenigen Mehrkosten zu ersetzen hätten, die auf dem unterbliebenen Vollzug des Eigentümerbeschlusses vom 20.7.1999, der die Sanierung von Deckenbalken im Speicherbereich vorsah, beruhten.

Ausweislich des vom Richter geführten und vorläufig auf Tonträger aufgezeichneten, anschließend am 18.12.2000 in Langschrift übertragenen Protokolls wurde der Beschluss in vollständiger Fassung mit Tenor und Gründen in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Antragstellers und seines Bevollmächtigten, des Antragsgegners zu 1 sowie des anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsgegner zu 1 und 2, ferner eines Vertreters der weiteren Beteiligten verkündet. Dem Antragsgegnervertreter zugestellt wurde die gerichtliche Niederschrift am 29.12.2000.

Die Antragsgegner zu 2 haben beim Amtsgericht am 12.1.2001 sofortige Beschwerde eingelegt und diese später auf die gerichtliche Feststellung, zum Teilersatz von Mehrkosten verpflichtet zu sein, beschränkt. Sie sind davon ausgegangen, dass in der Verhandlung vom 13.12.2000 die Entscheidung nicht "zu Protokoll" bekannt gemacht worden sei. Vorsorglich haben sie Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gestellt mit der Begründung, es sei für ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht ersichtlich gewesen, dass in der Sitzung selbst ein Protokoll gefertigt worden sei.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9.7.2001 Wiedereinsetzung versagt und die sofortige Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 2.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Rechtsmittel der Antragsgegner zu 2 sei unzulässig, weil es nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt worden sei. Einem Anwesenden könne die Entscheidung nach § 16 Abs. 3 FGG auch zu Protokoll bekannt gemacht werden. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen hier vor. Die Zustellung der Ausfertigung des vom Richter vorläufig aufgezeichneten, sodann in Langschrift übertragenen und schließlich vom Richter unterzeichneten Protokolls sei für den Lauf der Rechtsmittelfrist rechtlich unerheblich. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner zu 2 die Bedeutung der Bekanntmachung der Entscheidung nicht erfasst habe. Dieses Verschulden müßten sich die Antragsgegner zu 2 zurechnen lassen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

(1) Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2000 ist zwar nicht die Anwesenheit sämtlicher Antragsgegner zu 2, also aller übrigen Wohnungseigentümer, wohl aber die Anwesenheit ihres Verfahrensbevollmächtigten festgehalten. Dessen Anwesenheit genügt (vgl. § 176 ZPO; ferner OLG Düsseldorf FGPrax 1995, 37; OLG Hamm WE 1997, 194; Keidel/Schmidt FGG 14. Aufl. § 16 Rn. 25). Ob es für die Wirksamkeit der Bekanntmachung nach § 16 Abs. 3 FGG im Wohnungseigentumsverfahren der Anwesenheit (oder Vertretung) sämtlicher Beteiligter bedarf, wie dies in dem Beschluss des Senats vom 28.5.2001 (BayObLGZ 2001, 145; siehe auch BayObLG WE 1991, 290; 1990, 140/141; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 125) anklingt, oder ob die gerichtliche Verfügung einem anwesenden Beteiligten nach § 16 Abs. 3 FGG, anderen nicht anwesenden oder vertretenen Beteiligten durch Zustellung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG i.V.m. §§ 176 ff. ZPO bekannt gemacht werden kann (Keidel/Schmidt aaO; Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 41; Staudinger/Wenzel WEG § 44 Rn. 57), mag auf sich beruhen. Denn im Verhandlungstermin waren alle Beteiligten persönlich zugegen oder vertreten; für die im Anschluss an eine Unterbrechung erfolgte Bekanntmachung des Beschlusses mit Entscheidungstenor, Gründen, abschließender Kostenentscheidung und Geschäftswertfestsetzung ist dies aus der Niederschrift ebenfalls hinreichend deutlich und wird auch von den Antragsgegnern zu 2 nicht in Frage gestellt. Damit genügt das vom Richter unterzeichnete Protokoll den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 1 FGG (BayObLGZ 2001, 145; siehe auch BayObLGZ 1999, 82/83; 1998, 301/302). Die weitergehenden Vorschriften der §§ 159 ff. ZPO gelten, von Ausnahmen abgesehen (§ 44 Abs. 2 WEG; dazu BayObLG WE 1989, 110/111), im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht (Bassenge/Herbst FGG 8. Aufl. Einl FGG Rn. 71 m.w.N.). Die Zustellung der gerichtlichen Niederschrift insgesamt oder in Auszügen an die Verfahrensbeteiligten ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist rechtlich nicht erheblich (BayObLGZ 2001, 145). Verfahrensrechtlich ist dies unbedenklich (BayObLG aaO).

(2) Für die Wirksamkeit der Bekanntmachung an die Antragsgegner zu 2 ist es ohne Bedeutung, in welchem Zeitpunkt das endgültige gerichtliche Protokoll in Langschrift fertiggestellt war. Es mag sein, dass bei vorläufiger Aufzeichnung, sei es in Kurzschrift, sei es auf Ton- oder Datenträger, das Protokoll als wichtigster Beleg über den Hergang des Termins mit der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (Baumbach/Hartmann ZPO 59. Aufl. Einf §§ 159 bis 165 Rn. 2) erst mit der Niederschrift in Reinschrift "hergestellt" ist (vgl. § 160a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Darauf kommt es jedoch nicht an. Wesentlich und dem Interesse der anwesenden Beteiligten genügend ist vielmehr, dass die gerichtliche Verfügung mit ihren Gründen mündlich eröffnet, wörtlich zu Protokoll genommen und in diesem die mündliche Eröffnung bestätigt wird (BayObLG ZMR 1998, 362; WE 1991, 290; WE 1990, 140/141; NJW 1982, 290; ferner OLG Hamm WE 1997, 194; auch Keidel/Kahl § 16 Rn. 26; Jansen § 16 Rn. 42; Bassenge/Herbst § 16 Rn. 14; Staudinger/Wenzel aaO). vorläufige Aufzeichnung und endgültiges Protokoll bilden insoweit eine Einheit. Zu Protokoll gebracht ist deshalb die Verfügung mit ihrer für die anwesenden Beteiligten unschwer erkennbaren Aufnahme in eine vorläufige Aufzeichnung, die dazu dient, unverzüglich nach der Sitzung übertragen zu werden.

Verfährt der Richter so, dass er den erlassenen Beschluss bereits im voraus schriftlich abgesetzt hat, vollzieht sich die Bekanntgabe mit der vollständigen Verlesung. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf (FGPrax 1995, 37; siehe auch Staudinger/Wenzel aaO) zu Recht betont, ist für das Ingangsetzen der Rechtsmittelfrist durch Bekanntgabe in Form des § 16 Abs. 3 FGG erforderlich, dass der Beteiligte Gelegenheit hat, wie im Falle der Zustellung nach § 16 Abs. 2 FGG unter voller Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist die Entscheidung mit ihren Gründen zu überdenken und auf mögliche Mängel zu untersuchen. Dies ist bei mündlicher Bekanntgabe der vollständigen Entscheidungsgründe nicht nur akustisch, sondern jedenfalls auch dadurch gewährleistet, dass der Beteiligte gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 FGG eine Abschrift der bekannt gemachten Verfügung beanspruchen kann (vgl. dazu Keidel/Schmidt Rn. 29; Jansen Rn. 43). Dieser Anspruch umfaßt jedoch nicht das gesamte Protokoll. Auch daraus folgt, dass der Zeitpunkt der endgültigen Protokollherstellung nicht maßgeblich ist.

(3) Zu Recht hat das Landgericht schließlich den Antragsgegnern zu 2 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 22 Abs. 1 FGG) versagt. Denn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 FGG sind nicht gegeben. Der anwaltliche Bevollmächtigte der Antragsgegner zu 2 als deren Vertreter hat nicht unverschuldet die Frist versäumt. Die Fristenüberwachung in Wohnungseigentumssachen unterliegt insoweit der gleichen Sorgfalt wie im Zivilprozess (BayObLG WE 1991, 362; Keidel/Kahl § 22 Rn. 26). Unstreitig ist, dass der erstinstanzliche Richter in Anwesenheit der Beteiligten und ihrer anwaltlichen Vertreter eine vorläufige Protokollierung mittels Tonträgers in der Sitzung selbst vorgenommen hat. Der anwaltliche Bevollmächtigte der Antragsgegner zu 2 hat dies wahrgenommen. Als Rechtskundigem konnte ihm nicht verschlossen bleiben, dass der Richter, obwohl von der Verfahrensordnung dazu nicht verpflichtet (Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. 44 Rn. 3), entsprechend §§ 159, 160a ZPO vorgehen wollte. Der fehlerhafte rechtliche Schluss, nicht bereits die vorläufige Aufzeichnung im Termin, sondern erst die endgültige Herstellung und Zustellung des Protokolls mit der darin enthaltenen, bereits bekannt gemachten Verfügung bewirke den Fristenlauf, ist nicht unverschuldet (Keidel/Kahl § 22 Rn. 23). Die Frage, ob im Wohnungseigentumsverfahren grundsätzlich eine Rechtsmittelbelehrung geboten ist, kann hier aus den gleichen Gründen wie im Senatsbeschluss vom 28.5.2001 (BayObLGZ 2001, 145) auf sich beruhen.

3. Dem Senat erscheint es angemessen, den Antragsgegnern zu 2 die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG), von einer Kostenerstattung jedoch abzusehen, weil die übrigen Verfahrensbeteiligten am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mitgewirkt haben.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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