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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.02.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 122/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 1
WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2
WEG § 28
Drohen Gewährleistungsfristen zu verjähren, so ist der Verwalter verpflichtet, die Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen entscheiden zu lassen. Andernfalls kann er sich Schadenersatzpflichtig machen.
BayObLG Beschluss

LG Landshut 60 T 3050/99; AG Landshut 14 UR II 12/98

2Z BR 122/00

01.02.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher am 1. Februar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Schadensersatzes,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 5. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20160 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsgegnerin errichtete die Wohnanlage als Bauträgerin. Das Gemeinschaftseigentum wurde am 10.11.1983 abgenommen. Die Antragsgegnerin war bis zum 31.5.1997 Erstverwalterin.

In der Eigentümerversammlung vom 9.4.1987 berichtete eine Wohnungseigentümerin, dag bei starken Regenfällen Feuchtigkeit in die Tiefgarage eindringe. Die Antragsgegnerin ließ in der Folgezeit die Feuchtigkeitsstellen von der Firma H. untersuchen; diese teilte in den Jahren 1987 und 1988 mit, den Grund für den Feuchtigkeitseintritt könne sie nicht feststellen. In späteren Jahren führte die Firma H. dann Abdichtungsmaßnahmen durch. Der Baumangel wurde dadurch aber nicht beseitigt. Aufgrund des Angebots der Firma B.... GmbH beträgt der jetzt erforderliche Sanierungsaufwand rund 18000 DM. Gewährleistungsansprüche wegen der Baumängel gegen die Antragsgegnerin als Bauträgerin und Verkäuferin der Wohnungen sowie gegen die Bauhandwerker sind verjährt.

Die Antragsteller sind der Auffassung, die Antragsgegnerin sei u.a. deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie vor Ablauf der Gewährleistungsfrist keine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeigeführt habe. Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, 18000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem haben die Antragsteller die Feststellung beantragt, dass die Antragsgegnerin jeglichen über 18000 DM hinausgehenden Schaden, der sich im Zuge ordnungsmäßiger Sanierung der Tiefgaragendecke gegenüber dem bisherigen Sanierungskostenangebot der Firma B.... ergeben sollte, sowie jegliche Folgeschäden zu ersetzen hat. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5.11.1999 die Antragsgegnerin verpflichtet, 9000 DM nebst Zinsen zu bezahlen. Dem Feststellungsantrag hat es insoweit stattgegeben, als die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den weitergehenden Schaden zu 1/2 zu ersetzen. Im übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5.10.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsteller mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, 14400 DM nebst Zinsen zu zahlen, und dass der Feststellungsantrag in Höhe von 4/5 begründet ist. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hat es zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt:

Die Antragsgegnerin sei nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Antragsgegnerin habe bereits vor Ablauf der fünfjährigen Bauträgergewährleistungsfrist gewusst, dass Feuchtigkeit in die Tiefgarage eindringe. Die Antragsgegnerin habe die ihr obliegende Pflicht verletzt, die Ursache des Schadens feststellen zu lasse n und eine Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Mit der in den Jahren 1987 und 1988 abgegebenen Erklärung der von der Antragsgegnerin beauftragten Firma H., die Ursache für den Schaden lasse sich nicht feststellen, habe sie sich nicht zufrieden geben dürfen. Aufgrund der Pflichtverletzung der Antragsgegnerin sei nicht rechtzeitig aufgedeckt worden, dass ein sanierungsbedürftiger Baumangel vorliege. Dieser bestehe, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt habe, darin, dass die Anschlüsse der Abdichtung fehlerhaft seien und dass Abdichtungen für die Terrassenplatten fehlten.

Der Schadensersatzanspruch entfalle nicht deshalb, weil der Antragsgegnerin regelmäßig Entlastung erteilt worden sei. Die Entlastung habe sich nämlich nur auf die kaufmännische Abrechnungsarbeit der Antragsgegnerin bezogen. Abgesehen davon treffe die Wohnungseigentümer nicht der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, weil sie trotz Kenntnis der Undichtigkeit der Tiefgarage sich nicht klargemacht hätten, dass die Antragsgegnerin nicht das Erforderliche zur Behebung der Baumängel oder Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche veranlasst habe.

Die Höhe des Schadens stehe aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen fest. Dieser habe insbesondere dargelegt, dass eine Wertsteigerung des Anwesens durch die Behebung des Schadens im Hinblick auf die sehr lange Haltbarkeit der Tiefgaragenabdichtung nicht messbar sei.

Am Schadenseintritt treffe die Wohnungseigentümer ein Mitverschulden. Sie hätten leicht fahrlässig gehandelt, weil sie trotz Kenntnis der Undichtigkeit der Tiefgarage von sich aus keine Initiative zur Herbeiführung eines Beschlusses über die Beseitigung des Mangels ergriffen hätten. Es erscheine angemessen, den Schaden im Verhältnis von 4/5 zu Lasten der Antragsgegnerin und von 1/5 zu Lasten der Antragsteller zu verteilen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist hinsichtlich des Zahlungs- und Feststellungsantrags unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Verwaltervertrages insoweit begründet, als das Landgericht einen Haftungsanteil der Antragsgegnerin von 4/5 zuerkannt hat.

a) Der Verwalter ist verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG). Zur Instandsetzung gehört auch die Behebung von Baumängeln. Weil es aber in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer selbst ist, für die Behebung der Baumängel zu sorgen (§ 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG), beschränkt sich die Verpflichtung des Verwalters grundsätzlich darauf, Baumängel festzustellen, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Verletzt der Verwalter diese Verpflichtung schuldhaft und hat dies zur Folge, dass Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer nicht mehr durchgesetzt werden können, haftet der Verwalter für den dadurch den Wohnungseigentümern entstandenen Schaden aus positiver Vertragsverletzung des Verwaltervertrags (BayObLG WE 1991, 22).

b) Die Voraussetzungen einer solchen Haftung sind hier erfüllt.

(1) Das Landgericht ist aufgrund des erholten Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gekommen, dass an der Tiefgarage die vom Landgericht bezeichneten Baumängel vorhanden sind und dass die erforderlichen Sanierungskosten jedenfalls 18000 DM, aller Voraussicht nach sogar noch mehr, betragen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann sie nur beschränkt, nämlich auf das Vorliegen von Rechtsfehlern, nachprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO; BayObLG ZMR 1988, 346). Solche liegen nicht vor. Von der erforderlichen Sachkunde des Sachverständigen konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgehen. Das Landgericht war auch nicht aus Rechtsgründen gehalten, ein neues Gutachten zu erholen. Mit ihrer Behauptung, das Gutachten sei unrichtig, kann die Antragsgegnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben.

(2) Das Landgericht ist ferner rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin die Mängel rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist hätte erkennen können und müssen.

Nach der das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellung des Landgerichte erfolgte die Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 10.11.1983. Der Feuchtigkeitseintritt in die Tiefgarage wurde in der Eigentümerversammlung vom 9.4.1987 angezeigt. Die Gewährleistungsfrist betrug nach § 638 BGB fünf Jahre. Die isolierte Vereinbarung nur der Gewährleistungsvorschriften der VOB/B in den Erwerbsverträgen war unwirksam (Palandt/Sprau BGB 60. Aufl. Vorbem. vor § 633 Rn. 31). Der Gewährleistungsanspruch der Wohnungseigentümer ist somit seit 11.11.1988 verjährt.

(3) Die Antragsgegnerin wäre verpflichtet gewesen, die Wohnungseigentümer auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist hinzuweisen und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen (BayObLG aaO).

Diese Verpflichtung ist nicht etwa deshalb entfallen, weil es sich bei der Antragsgegnerin um die bauträgeridentische Erstverwalterin gehandelt hat und sie somit auf Ansprüche gegen sich selbst hätte hinweisen müssen.

An dem Bestehen der Hinweispflicht ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil in der Wohnungseigentümerversammlung vom 9.4.1987 neben der Antragsgegnerin auch den dort anwesenden Wohnungseigentümern die Undichtigkeit der Tiefgarage zur Kenntnis gebracht wurde. Die Verwalterin wird nämlich von ihrer Verpflichtung, auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist hinzuweisen, nicht dadurch frei, dass einzelne Wohnungseigentümer aufgrund besonderer Umstände den gleichen Kenntnisstand über die Rechtslage wie die Verwalterin haben (BayObLG aaO). Jedenfalls kann nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden, dass, worauf es alleine ankommt, sämtliche Wohnungseigentümer hier einen solchen Kenntnisstand hatten.

Einzelnen Wohnungseigentümern ist es auch praktisch kaum möglich, ihrerseits darauf hinzuwirken, dass eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Baumängel getroffen wird. Ist ein Verwalter vorhanden, ist es aus praktischen Gründen nicht primäre Sache eines einzelnen Wohnungseigentümers, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen.

(4) Die Haftung der Antragsgegnerin entfällt auch nicht deshalb, weil sie im Anschluss an die Eigentümerversammlung vom 9.4.1987 die Firma H. beauftragt hat, der Rüge über den Eintritt von Feuchtigkeit in die Tiefgarage nachzugehen. Eine Rechtsgrundlage für eine solche Beauftragung fehlte. Die Berechtigung und Verpflichtung des Verwalters zum selbständigen Handeln bei Baumängeln kommt nämlich nur in Betracht, wenn ein Eingreifen des Verwalters unaufschiebbar ist. Dies war hier eindeutig nicht der Fall. Abgesehen davon wäre die Antragsgegnerin jedenfalls nach der Mitteilung der Firma H., sie könne die Ursache für den Feuchtigkeitseintritt nicht feststellen, verpflichtet gewesen, eine Entscheidung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, ob und welche Maßnahmen im Hinblick auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist zu ergreifen sind.

(5) Die Haftung der Antragsgegnerin scheitert auch nicht deshalb, weil ihr in der Eigentümerversammlung 1987 und in den Eigentümerversammlungen der folgenden Jahre jeweils im Anschluss an die Erläuterung der Jahresabrechnung Entlastung erteilt worden ist. Wird dem Verwalter im Zusammenhang mit der Erläuterung und Genehmigung der Abrechnung Entlastung erteilt, so beschränkt sich die Entlastung auf das Verwalterhandeln, das in der Abrechnung seinen Niederschlag gefunden hat (Deckert WE 1993, 120 ff.; Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 438). Abgesehen davon könnte die Entlastung, auch wenn sie unbeschränkt erteilt worden sein sollte, nur solche Vorgänge erfassen, die bei der Beschlussfassung über die Entlastung bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren; abzustellen ist dabei auf den Kenntnisstand aller Wohnungseigentümer (BayObLG WE 1991, 22 f.). Wie oben ausgeführt, kann hier aber nicht davon ausgegangen werden, dass alle Wohnungseigentümer hinsichtlich des Laufs der Gewährleistungsfrist den erforderlichen Kenntnisstand hatten oder sich bei zumutbarer Sorgfalt hätten verschaffen können. Insbesondere ist ein Wohnungseigentümer nicht gehalten, sich von einem Rechtsanwalt über den Laut der Gewährleistungsfrist hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums beraten zu lassen.

c) Es kann offen bleiben, ob in einem Fall wie hier eine beiderseitige Verpflichtung der Wohnungseigentümer und des Verwalters zum Tätigwerden besteht (vgl. Deckert ETW Gruppe 6 S. 130) und ob die Wohnungseigentümer ein Mitverschulden an dem Schaden trifft. Jedenfalls würde ein etwaiges Mitverschulden der Wohnungseigentümer hier den Anteil von 1/5, von dem das Landgericht ausgegangen ist und dessen Entscheidung von den Antragstellern nicht angegriffen worden ist, nicht übersteigen.

3. Die Kostenentscheidung des Landgerichts unterliegt als tatrichterliche Ermessensentscheidung (§ 47 WEG) nur eingeschränkter Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. In einem Schadensersatzverfahren wie dem vorliegenden ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Entscheidung über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf das Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten abstellt. Aus Rechtsgründen ist es somit nicht zu beanstanden, dass das Landgericht 4/5 der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beim Amtsgericht und des Beschwerdeverfahrens der Antragsgegnerin und 1/5 den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt hat.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens erscheint es dem Senat nach § 47 WEG angemessen, der Antragsgegnerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abg. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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