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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 122/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 255
BGB § 812
1. Ein Schaden kann grundsätzlich nicht deshalb verneint werden, weil möglicherweise ein anderweitiger Anspruch gegen einen Dritten besteht, durch dessen Realisierung der vom Schädiger schuldhaft verursachte Vermögensverlust ausgeglichen werden könnte.

2. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Verwalter, der schuldhaft vom Gemeinschaftskonto einen Rechnungsbetrag überweist, der von einer anderen Eigentümergemeinschaft geschuldet ist, ist mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig etwa bestehende Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen Dritte abgetreten werden.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin wurde für die Zeit vom 1.6.1998 bis zum 1.10.2002 zur Verwalterin der Wohnanlage A-Weg 15 bestellt; deren Wohnungseigentümer sind die Antragsgegner.

Die Wohnungseigentümer beschlossen am 27.10.2000, die Antragstellerin als Verwalterin mit sofortiger Wirkung abzuberufen und den Verwaltervertrag fristlos zu kündigen.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären und festzustellen, dass die Kündigung unwirksam ist.

Die Antragsgegner haben mit ihrem Gegenantrag beantragt, die Antragstellerin zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.012,54 EUR nebst Verzugszinsen sowie zur Zahlung von der Stadt N. ihnen in Rechnung gestellten Fälligkeitszinsen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 727,93 EUR nebst Verzugszinsen zu verpflichten. Zur Begründung der Schadensersatzforderung haben sie ausgeführt:

Die Antragstellerin sei auch Verwalterin der benachbarten Wohnanlage A-Weg 17 gewesen. Die Stadt N. habe aus Versehen die Rechnung für von der Wohnanlage A-Weg 17 geschuldete Gebühren für eine Restmülltonne in Höhe von 4.012,54 EUR an die Wohnanlage A-Weg 15 gesandt. Die Antragstellerin habe daraufhin den Rechnungsbetrag fälschlicherweise vom Gemeinschaftskonto der Wohnanlage A-Weg 15 an die Stadt N. überwiesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24.7.2002 den Antrag der Antragstellerin abgewiesen und die Antragstellerin auf den Gegenantrag verpflichtet, an die Antragsgegner 4.012,54 EUR und 727,93 EUR, jeweils nebst Zinsen, zu bezahlen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Bezüglich des Antrags der Antragstellerin haben die Beteiligten am 11.4./28.4.2003 im Hinblick darauf, dass die Verwaltungszeit am 1.10.2002 abgelaufen ist, das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat am 15.5.2003 den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin lediglich verpflichtet ist, 727,93 EUR (die im Tenor genannten 729,93 EUR stellen offensichtlich ein Schreibversehen dar) nebst Zinsen an die Antragsgegner zu bezahlen. Von den Gerichtskosten beider Rechtszüge hat es 43 % der Antragstellerin und 57 % den Antragsgegnern auferlegt. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, weitere 4.012,54 EUR nebst Zinsen an die Antragsgegner zu bezahlen; außerdem haben sie beantragt, hinsichtlich des für erledigt erklärten Verfahrensteils die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beim Amtsgericht und beim Landgericht der Antragstellerin aufzuerlegen.

II.

Das Rechtsmittel hinsichtlich des Verpflichtungsgegenantrags ist im Wesentlichen begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin habe sich zwar durch die Überweisung der 4.012,54 EUR vom Konto der Antragsgegner an die Stadt N. einer fahrlässigen Pflichtverletzung schuldig gemacht, weil der Betrag von den Wohnungseigentümern der Wohnanlage A-Weg 17 geschuldet gewesen sei. Derzeit sei allerdings nicht feststellbar, ob den Antragsgegnern dadurch ein Schaden entstanden sei. Die Antragsgegner hätten nämlich gegenüber den Wohnungseigentümern der Wohnanlage A-Weg 17 einen Bereicherungsanspruch, den sie bislang noch nicht geltend gemacht hätten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.

a) Der Anspruch auf Schadensersatz ist unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Verwaltervertrags in der geltend gemachten Höhe von 4.012,54 EUR begründet. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, dass die Antragstellerin zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche verpflichtet ist, die den Antragsgegnern aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Wohnungseigentümer der Wohnanlage A-Weg 17 oder gegen die Stadt N. zustehen.

Die Auffassung des Landgerichts, die Antragstellerin habe fahrlässig ihre Pflichten aus dem Verwaltervertrag verletzt, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann aber ein Schaden grundsätzlich nicht deshalb verneint werden, weil möglicherweise ein anderweitiger Anspruch gegen einen Dritten besteht, durch dessen Realisierung der vom Schädiger schuldhaft verursachte Vermögensverlust ausgeglichen werden könnte (BGH NJW 1982, 1806).

Etwa entstandene Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Wohnungseigentümer der Wohnanlage A-Weg 17 oder gegen die Stadt N. sind nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung an die Antragstellerin herauszugeben. Der Schadensersatzanspruch ist deshalb nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig etwa bestehende Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung abgetreten werden. Ob die Ansprüche wirklich bestehen, braucht hier nicht geprüft zu werden; es genügt, dass sie möglicherweise bestehen (BayObLG NJW-RR 1987, 1368 f.; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 19).

b) Der Ausspruch über die Zinsen beruht auf § 288 BGB.

III.

Das nach § 27 Abs. 2, § 20a Abs. 2 FGG, § 45 Abs. 1 WEG zulässige Rechtsmittel gegen den Teil der Kostenentscheidung des Landgerichts, der auf der übereinstimmenden Erledigterklärung der Beteiligten beruht, ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergebe, dass erhebliche Anhaltspunkte für ein zurechenbares Fehlverhalten der Antragstellerin gegeben seien. Ob darin allerdings bereits ein wichtiger Grund, der die Kündigung des Verwaltervertrags rechtfertige, gesehen werden könne, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Bezüglich des von der Antragstellerin gestellten Antrags (Geschäftswert von 5.600 EUR) würden deshalb 1/3 der Gerichtskosten den Antragsgegnern und 2/3 der Gerichtskosten der Antragstellerin auferlegt. Für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten bestehe kein Anlass.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Für die nach übereinstimmender Erledigterklärung noch erforderliche Kostenentscheidung ist § 47 WEG heranzuziehen. Eines Rückgriffs auf § 91a ZPO bedarf es nicht, wenn es auch bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung einen maßgeblichen Umstand bildet, welcher Beteiligte voraussichtlich unterlegen wäre oder zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens Anlass gegeben hat (vgl. BayObLG ZWE 2000, 582).

Der gegenständliche Antrag der Antragstellerin ist dadurch gekennzeichnet, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen bestritten sind und wohl einer Beweisaufnahme bedurft hätten. Auch die Rechtsstandpunkte der Beteiligten liegen weit auseinander; dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags zulässig war, nachdem Abmahnungen seitens der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt erfolgt sind. Auch ist strittig, ob das Entstehen der Säumniszuschläge der Antragstellerin als schwerwiegendes Verschulden zuzurechnen ist, nachdem über die Hälfte der Wohnungseigentümer die geschuldeten Wohngelder überhaupt nicht, nicht vollständig oder nicht pünktlich bezahlt haben. Bei dieser Sachlage unterliegt das Ergebnis des Landgerichts keinem Rechtsfehler, die Gerichtskosten zu 2/3 der Antragstellerin und zu 1/3 den Antragsgegnern aufzuerlegen. Ermessensfehlerfrei hat das Landgericht auch davon abgesehen, eine Anordnung zu treffen, außergerichtliche Kosten zu erstatten. Grundsätzlich hat jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die Anordnung einer Kostenerstattung bedarf einer besonderen Rechtfertigung durch die Lage des Einzelfalles. Eine solche liegt hier schon wegen der nicht eindeutig geklärten Sachlage nicht vor.

IV.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin 2/3 und die Antragsgegner als Gesamtschuldner 1/3 der Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen haben. Es liegen keine besonderen Gründe vor, für die Rechtsbeschwerdeinstanz eine Kostenerstattung nach § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bemisst sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem gestellten Leistungsantrag in Höhe von 4.012 EUR und dem Kosteninteresse der Antragsgegner hinsichtlich des für erledigt erklärten Verfahrensteils.

Ende der Entscheidung

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