Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 126/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15
BGB § 242
Müssen nach der Baugenehmigung Besucherparkplätze bereitgestellt werden, so ist der Wohnungseigentümer, dem Sondernutzungsrechte an den für eine Bereitstellung in Frage kommenden Kfz-Stellplätzen zustehen,verpflichtet, die Stellplätze den Wohnungseigentümern gegen Zahlung eines angemessenen Ausgleichs zu überlassen.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus 210 Wohnungen, 271 Tiefgaragenstellplätzen und 31 oberirdischen Stellplätzen besteht.

Nach der Teilungserklärung nebst Nachträgen sind mit dem Hobbyraum Nr. 83 die Sondernutzungsrechte an den 31 oberirdischen Stellplätzen verbunden. Der Bauträger und teilende Grundstückseigentümer, der sich das Eigentum an diesem Hobbyraum vorbehalten hatte, übertrug zunächst das Sondernutzungsrecht an 6 oberirdischen Stellplätzen gegen Entgelt auf andere Wohnungseigentümer. Die restlichen 25 Stellplätze stellte er im Jahr 1993 als Besucherparkplätze den Wohnungseigentümern zur Verfügung; dies wurde durch ein entsprechendes Hinweisschild kenntlich gemacht. Der Baugenehmigungsbescheid enthielt nämlich die Auflage, 10 % der Stellplätze, somit 31 Stellplätze, als Besucherstellplätze bereitzuhalten. Der Antragsgegner erwarb im Jahr 1996 vom Konkursverwalter über das Vermögen des Bauträgers den Hobbyraum Nr. 83 einschließlich des Sondernutzungsrechts an den noch nicht vom Bauträger verkauften 25 oberirdischen Stellplätzen.

Die Antragsteller sind der Auffassung, der Antragsgegner habe das Sondernutzungsrecht an den Stellplätzen nicht erworben. Der Antragsgegner lehnt eine Herausgabe der Stellplätze an die Antragsteller ab, entfernte das Schild, auf dem die Stellplätze als Besucherparkplätze gekennzeichnet waren, und vermietete die Stellplätze an Dritte.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die 25 oberirdischen Pkw-Abstellplätze für die Besucher der Wohnanlage freizuhalten und das Hinweisschild wieder anzubringen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.3.2001 den Anträgen stattgegeben. Das Landgericht hat am 26.7.2001 auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Anträge seien unbegründet. Weder aus der Teilungserklärung noch aus dem Grundbuch ergebe sich, dass die Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen irgendwelchen Einschränkungen unterworfen seien. Unerheblich sei, dass der Rechtsvorgänger des Antragsgegners die Stellplätze den Besuchern "gewidmet" habe. Dies binde den Rechtsnachfolger nicht. Da dem Antragsgegner ein Recht nach § 1004 Abs. 1 BGB zustehe, ein entsprechendes Hinweisschild zu entfernen, könne von ihm nicht verlangt werden, das vom Rechtsvorgänger aufgestellte Schild wieder anzubringen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat verkannt, dass der Antragsgegner nach § 242 BGB verpflichtet ist, seine Sondernutzungsfläche den Antragstellern gegen Zahlung eines finanziellen Ausgleichs zur Verfügung zu stellen, damit die Wohnungseigentümer auf dieser Fläche die vom Baugenehmigungsbescheid geforderten Besucherparkplätze bereitstellen können.

a) Der Antragsgegner hat an den 25 oberirdischen Stellplätzen ein Sondernutzungsrecht.

(1) Das mit dem Hobbyraum Nr. 83 verbundene Sondernutzungsrecht ist durch die Teilungserklärung nebst Nachträgen wirksam begründet worden. Das Sondernutzungsrecht ist vom Konkursverwalter auch wirksam auf den Antragsgegner übertragen worden (vgl. BGHZ 73, 145/148).

(2) Entgegen der Auffassung der Antragsteller steht diesem Ergebnis nicht entgegen, dass nach dem Baugenehmigungsbescheid 10 % der Stellplätze für Besucher bereitzuhalten sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Baugenehmigungsbescheid nicht bestimmt, welche Stellplätze als Besucherparkplätze bereitzuhalten sind. Abgesehen davon kann der Auflage der Baugenehmigungsbehörde auch dadurch Rechnung getragen werden, dass ein Sondernutzungsberechtigter seine Stellplätze den Wohnungseigentümern zur Bereitstellung von Besucherparkplätzen zur Verfügung stellt. Ein gesetzliches Verbot, an den fraglichen Stellplätzen ein Sondernutzungsrecht zu begründen, kann somit der Auflage der Baugenehmigungsbehörde nicht entnommen werden; dies gilt selbst dann, wenn aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten nur die Stellplätze des Antragsgegners für die Bereithaltung von Besucherparkplätzen in Betracht kommen.

(3) Das Sondernutzungsrecht an den Stellplätzen ist nicht dadurch aufgehoben worden, dass der Rechtsvorgänger des Antragsgegners im unterstellten konkludenten Einvernehmen mit den Wohnungseigentümern die Stellplätze im Jahr 1993 als Besucherparkplätze ausgewiesen hat. Ein Rechtsverzicht des Rechtsvorgängers des Antragsgegners ergibt sich hieraus nicht mit hinreichender Sicherheit.

(4) Die Übertragung der Sondernutzungsrechte auf den Antragsgegner ist auch nicht nach §§ 117, 138 BGB nichtig. Der Antragsgegner hat für zwei Hobbyräume, die 25 oberirdischen Stellplätze und einige Tiefgaragenstellplätze einen Gesamtkaufpreis von 30000 DM entrichtet. Wenn auch der Kaufpreis auffallend niedrig erscheint, liegen gleichwohl keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit vor.

b) Der Antragsgegner ist aus dem Gemeinschaftsverhältnis gemäß § 242 BGB verpflichtet, seine Sondernutzungsfläche den Wohnungseigentümern zur Bereitstellung von Besucherparkplätzen zu überlassen. Die Verpflichtung, die Besucherparkplätze vorzuhalten, trifft nunmehr die Wohnungseigentümer (Art. 60 Abs. 2 Satz 3 BayBO). Nur der Antragsgegner kann es den Wohnungseigentümern ermöglichen, diese Verpflichtung wegen der ihm gehörenden Stellplätze zu erfüllen. Aus den vorgelegten Plänen ergibt sich, dass nach den örtlichen Verhältnissen oberirdische Parkplätze an anderer Stelle nicht hergestellt werden können. Tiefgaragenstellplätze sind als Besucherparkplätze nicht geeignet, da Tiefgaragen üblicherweise abgeschlossen und nur den Wohnungseigentümern zugänglich sind. Der Antragsgegner hat selbst eingeräumt, die Stellplätze vermieten zu wollen. Nach Treu und Glauben ist er somit gehalten, die Stellplätze den Antragstellern zu überlassen (vgl. KG WuM 1999, 714 f.).

c) Die Grundsätze von Treu und Glauben rechtfertigen es jedoch nicht, dass der Antragsgegner die Sondernutzungsfläche der Gemeinschaft ohne Zahlung eines Ausgleichs zu überlassen hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 876; NZM 2000, 509 f.; KG WuM 1999, 714 f.). Der dem Antragsgegner zustehende Ausgleichsanspruch hat sich zunächst als Ausgangspunkt an der Höhe des Verkehrswerts der Gebrauchsvorteile für die Antragsteller zu orientieren (vgl. KG WuM 1999, 714/716). Jedoch sind gemäß § 242 BGB bei der Bemessung der endgültigen Höhe des Ausgleichs alle Umstände des Falles zu berücksichtigen; dazu gehört insbesondere auch die Tatsache, dass der Antragsgegner die Sondernutzungsrechte im Ergebnis nahezu unentgeltlich erlangt hat. Zu berücksichtigen kann auch sein, dass der Antragsgegner wegen des vom Bauträger aufgestellten Schildes nicht von vorneherein sicher sein konnte, dass er die Stellplätze nicht für Besucher zur Verfügung stellen muss.

3. Der Ausgleichsanspruch des Antragsgegners ist zwar von Amts wegen zu berücksichtigen. Es stehen sich nämlich nicht ein Anspruch der Antragsteller und ein Gegenanspruch des Antragsgegners gegenüber. Es handelt sich vielmehr um einen einheitlich aus § 242 BGB sich ergebenden Anspruch.

Eine eigene Sachentscheidung durch den Senat kommt aber nicht in Betracht. Es muss den Beteiligten zunächst Gelegenheit gegeben werden, sich zu dem Ausgleich und dessen Höhe zu äußern, gegebenenfalls auch ihre Anträge anzupassen. Gegebenenfalls kann sich daraus die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergeben.

4. Das Landgericht wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG; maßgebend ist das Interesse aller Beteiligten; der Senat schätzt dieses insbesondere im Hinblick auf den in Betracht kommenden Ausgleichsanspruch auf 50000 DM.



Ende der Entscheidung

Zurück