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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 127/01
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 22 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsgegner haben den Balkon ihrer Wohnung im 3. Obergeschoss durch eine Verglasung geschlossen.
Nach § 5 Abs. 5 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung dürfen die Wohnungseigentümer die äußere Gestalt des Bauwerks oder seiner im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Bestandteile nicht verändern.
Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht die Antragsgegner am 2.3.2001 verpflichtet, den auf der Terrasse ihrer Wohnung angebrachten Wintergarten binnen zwei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 26.6.2001 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt: Die Balkonverglasung stelle eine bauliche Veränderung mit einer erheblichen optischen Beeinträchtigung der Fassade dar; dies ergebe sich aus den vorgelegten Lichtbildern. Unerheblich sei, dass durch bauliche Veränderungen anderer Wohnungseigentümer, die zum Teil genehmigt worden seien, das Erscheinungsbild der Fassade verändert worden sei. Dies lasse das Beseitigungsverlangen nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, bedarf der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Baumaßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes liegen. ob eine solche nachteilige Veränderung vorliegt, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Bei den Akten befindliche Lichtbilder können eine ausreichende Beurteilungsgrundlage sein, die einen Augenschein erübrigt (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. BayObLG NZM 1998, 980 m. w. N.).
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler das Vorliegen einer zustimmungspflichtigen baulichen Veränderung bejaht, die einen Beseitigungsanspruch der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG begründet.
(1) Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine optische Beeinträchtigung vorliegt. Die bei den Akten befindlichen Lichtbilder bestätigen dies. Diese tatrichterliche Feststellung kann von den Antragsgegnern nicht dadurch erschüttert werden, dass sie ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen der Tatsachengerichte setzen.
(2) Von einer sogenannten modernisierenden Instandsetzung kann nicht ausgegangen werden. Darunter ist eine Instandsetzung zu verstehen, durch die statt der Herstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustands der Zustand verändert wird, wobei der technischen Fortentwicklung Rechnung getragen wird (vgl. BayObLG NZM 1998, 338). Dieser Fall liegt nicht vor, weil es sich nicht um eine Maßnahme der Instandsetzung handelt. Die bloße Veränderung, auch in der Form einer wirtschaftlich sinnvollen Verbesserung des bestehenden Zustands ist keine Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme. Öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Energieeinsparung oder zum Lärmschutz gebieten die vorgenommene Verglasung nicht. Im Hinblick darauf kann ein durch die Verglasung verbesserter Lärmschutz eine für andere Wohnungseigentümer nachteilige bauliche Veränderung des Gebäudes auch nicht unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 GG rechtfertigen, zumal in einer Großstadt eine gewisse Lärmbeeinträchtigung unvermeidlich ist.
(3) Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, die bauliche Veränderung durch die Antragsgegner könne nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass andere Wohnungseigentümer ebenfalls in der Vergangenheit bauliche Veränderungen vorgenommen hätten, durch die die Fassade verändert worden sei. Dem Beseitigungsverlangen kann zwar grundsätzlich der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden (BayObLG NZM 1998, 980 f.). Einen Rechtsmissbrauch hat das Landgericht aber zu Recht verneint. Es hat aufgrund der vorliegenden Lichtbilder eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks durch die von den Antragsgegnern vorgenommene Verglasung trotz der bereits von anderen Wohnungseigentümern vorgenommenen Veränderungen der Fassade bejaht. Diese Feststellungen binden das Rechtsbeschwerdegericht.
Die Antragsteller sind nicht verpflichtet, wegen jeder baulichen Veränderung durch einen Wohnungseigentümer gegen diesen vorzugehen. Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht vor, wenn sie nur die Beseitigung der baulichen Veränderung der Antragsgegner verlangen. Ob etwas anderes dann gelten könnte, wenn die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit die Beseitigung verlangen würden, braucht nicht entschieden zu werden. Bei der im Rahmen der Prüfung eines Rechtsmissbrauchs vorzunehmenden Abwägung fällt insbesondere auch ins Gewicht, dass sich die Antragsgegner über die eindeutige Bestimmung des § 5 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung hinweggesetzt und die Baumaßnahme vorgenommen haben, ohne vorher die Genehmigung der übrigen Wohnungseigentümer einzuholen (vgl. BayObLG aaO). Auch dem mit der Beseitigung der vorgenommenen Baumaßnahme verbundenen Aufwand kann keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen, weil sonst ein Beseitigungsverlangen umso weniger durchsetzbar wäre, je umfangreicher die bauliche Veränderung und damit der Eingriff in das Gemeinschaftseigentum ist.
3. Es erscheint angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).
Den Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens setzt der Senat in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanzen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 4000 DM fest.
Ende der Entscheidung
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