Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.06.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 128/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16
WEG § 21 Abs. 2
WEG § 27 Abs. 2
Zur Frage der Aufrechnung von Ansprüchen aus einer Notgeschäftsführung gegen Wohngeldansprüche.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 11. Juni 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Wohngelds,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss d es Landgerichts München I vom 10. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4200 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der Antragsgegner sowie M. und R. sind die Wohnungseigentümer einer Anlage; der Antragsteller ist zugleich der Verwalter. In der Eigentümerversammlung vom 18.12.1999 stimmten der Antragsteller, M. und R. zu TOP 4B für eine "Klage der WEG" gegen den Antragsgegner, falls dieser nicht bis 7.1.2000 die ausstehenden Wohngeldzahlungen für die Zeit von Januar bis Dezember 1999 und monatliche Vorauszahlungen ab Januar 2000 leiste. Der Beschluss wurde bestandskräftig.

Im Februar 2000 hat der Antragsteller in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Wohnungseigentümer zu Händen des Antragstellers für die Zeit von Januar 1999 bis einschließlich Februar 2000 Wohngeld in Höhe von insgesamt 4200 DM nebst Zinsen zu zahlen. Der Antragsgegner hat eingewendet, dem Antragsteller fehle die Aktivlegitimation. Den Wohngeldanspruch hat er nicht bestritten, jedoch die Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Notgeschäftsführung wegen einer Feuchtigkeitssanierung sowie auf Erstattung von Sachverständigen- und Anwaltskosten erklärt. Der Antragsteller hat ein Schreiben der Wohnungseigentümer R. und M. vom 9.4.2000 vorgelegt, mit dem sie ihr Einverständnis mit der gerichtlichen Geltendmachung der Wohngeldrückstände durch den Antragsteller im eigenen Namen erklären.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 25.5.2000 zur Zahlung von 4200 DM nebst Verfahrenszinsen verpflichtet. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht am 10.11.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsteller sei von den übrigen Wohnungseigentümern mit der Erklärung vom 9.4.2000 ermächtigt worden, die Wohngeldansprüche im eigenen Namen geltend zu machen; eines Eigentümerbeschlusses bedürfe es daher nicht. Als Verwalter sei der Antragsteller berechtigt, das Geld für die Wohnungseigentümer in Empfang zu nehmen.

Die Wohngeldforderung sei nicht durch Aufrechnung erloschen. Die vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten Forderungen seien weder anerkannt oder rechtskräftig festgestellt noch stammten sie aus einer Notgeschäftsführung. Es könne dahinstehen, ob die vom Antragsgegner veranlassten Maßnahmen zur Feuchtigkeitssanierung erforderlich gewesen seien, um Schaden vom Gemeinschaftseigentum abzuwenden. Es handle sich jedenfalls nicht um Notmaßnahmen, denn die Wohnungseigentümer hätten bereits im Jahr 1996 einen Beschluss über Sanierungsmaßnahmen gefasst, der nicht ausgeführt worden sei. Der Antragsgegner habe erst im Jahr 1999, also drei Jahre später, Sanierungsarbeiten in Auftrag gegeben. Dieser Zeitraum hätte sogar genügt, um im Weg eines gerichtlichen Verfahrens gegen die Miteigentümer die gemeinsame Sanierung durchzusetzen. Auch die zur Aufrechnung gestellten Gutachter- und Anwaltskosten seien nicht zu berücksichtigen, denn der Antragsteller habe das Zustandekommen einer Erstattungsvereinbarung bestritten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Landgericht die Befugnis des Antragstellers bejaht, in Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungseigentümer Wohngeldansprüche gegen den Antragsgegner gerichtlich geltend zu machen. Durch den Eigentümerbeschluss zu TOP 4B vom 18.12.1999 haben die Wohnungseigentümer den Antragsteller als Verwalter gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG ermächtigt, die Wohngeldrückstände des Jahres 1999 und fällige Vorauszahlungen ab Januar 2000 gegen den Antragsgegner gerichtlich geltend zu machen. Zur Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen, also in Verfahrensstandschaft, ist der Antragsteller durch die Erklärung der Wohnungseigentümer R. und M. vom 9.4.2000 ermächtigt worden. Entgegen der Meinung des Antragsgegners bedurfte dies keines Eigentümerbeschlusses. In der aus insgesamt vier Wohnungseigentümern bestehenden Gemeinschaft obliegt die Geltendmachung offener Beitragsforderungen gegenüber dem säumigen Antragsgegner grundsätzlich dem Antragsteller sowie den beiden Wohnungseigentümern M. und R. gemeinsam (BGHZ 142, 290/293 = NJW 1999, 3713; BayObLG ZWE 2000, 348/ 349). Zwei der gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG als Antragsteller in Betracht kommenden Wohnungseigentümer, nämlich M. und R., haben in der Erklärung vom 9.4.2000 dem dritten Wohnungseigentümer, der zugleich der Verwalter ist, die Erlaubnis zur Verfahrensführung im eigenen Namen erteilt. Dies genügt, denn bei einer Verfahrensstandschaft handelt es sich um die vom Rechtsträger erteilte Erlaubnis zur Verfahrensführung; eine solche Ermächtigung ist Verfahrenshandlung (BayObLGZ 1998, 284/288).

Das berechtigte Interesse des Antragstellers, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, ergibt sich aus seiner Stellung als Wohnungseigentümer und zugleich Verwalter (vgl. Staudinger/Bub § 27 WEG Rn. 273, 303).

b) Der Antragsgegner hat gegen die geltend gemachten Wohngeldansprüche keine Einwendungen erhoben. Damit sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung greift nicht durch.

Da die Wohnungseigentümer auf pünktliche Zahlungen der Beiträge zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit angewiesen sind und diese deshalb nicht durch eine Auseinandersetzung mit Gegenansprüchen gefährdet werden darf, ist die Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gegen Wohngeldforderungen nach gefestigter Rechtsprechung (BayObLG FGPrax 1999, 176/177 m.w.N.; vgl. die Zusammenstellung bei Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 228) grundsätzlich ausgeschlossen und nur in Ausnahmefällen zulässig. Gegen Wohngeldforderungen kann wirksam nur mit Gegenforderungen aufgerechnet werden, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind oder die sich aus einer Notgeschäftsführung gemäß § 21 Abs. 2 WEG ergeben (BayObLG aaO und NZM 1998, 918/919). Diesen Voraussetzungen entsprechen die vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht.

(1) Die vom Antragsgegner veranlassten Maßnahmen zur Feuchtigkeitssanierung hat das Landgericht zu Recht nicht als Notgeschäftsführung im Sinn von § 21 Abs. 2 WEG gewertet. Dies bedurfte keiner Beweisaufnahme, daher hat das Landgericht seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) entgegen der Meinung des Antragsgegners nicht verletzt.

aa) Gemäß § 21 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer einseitig diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um dem Gemeinschaftseigentum unmittelbar drohenden Schaden abzuwenden. Da es grundsätzlich dem Verwalter einer Gemeinschaft obliegt, für Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen, sind hierunter nur die Fälle zu rechnen, in denen dem eingreifenden Eigentümer ein zuwarten auf das Tätigwerden des Verwalters oder auf die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht zugemutet werden kann (BayObLG WuM 1997, 398/399 m.w.N.). Daher ist mangels Eilbedürftigkeit ein Eingreifen dann nicht erlaubt, wenn ein gefahrträchtiger Zustand bereits mehrere Jahre besteht und der Verwalter bereits längere Zeit Kenntnis von der Situation hat oder die Wohnungseigentümer bereits Gespräche darüber geführt haben; es sei denn, die Maßnahme ist plötzlich so dringend und unaufschiebbar geworden, dass es dem eingreifenden Wohnungseigentümer nicht zuzumuten wäre, einen Eigentümerbeschluss gemäß § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG herbeizuführen oder die Einwilligung der übrigen Wohnungseigentümer zu den erforderlichen Maßnahmen notfalls im gerichtlichen Verfahren gemäß § 21 Abs. 4 WEG zu erwirken (vgl. BayObLG WuM 1993, 482/483; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 39, 40; Staudinger/Bub § 21 Rn. 41, 44).

bb) Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass die Wohnungseigentümer bereits im Jahr 1996 beschlossen haben, eine Feuchtigkeitssanierung vorzunehmen, der Antragsgegner aber erst im Jahr 1999 tätig geworden ist. In der Zwischenzeit hätte er ohne weiteres im Verfahren gemäß § 21 Abs. 4 WEG die gerichtliche Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer zur Durchführung der im Jahr 1996 beschlossenen Maßnahmen erwirken können. Aus dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich nicht, dass die Sanierung des Gemeinschaftseigentums im Jahr 1999 plötzlich dringend und unaufschiebbar geworden wäre; er macht lediglich geltend, die Gefahr einer weiteren Schädigung des Gemeinschaftseigentums habe auch Ende 1999 noch bestanden. Im übrigen hätte der Antragsgegner im Weg der Notgeschäftsführung nur solche Maßnahmen veranlassen dürfen, die den Eintritt des unmittelbar drohenden Schadens verhindern, also die Gefahrenlage beseitigen, nicht aber der dauerhaften Behebung der Schadensursache dienen (vgl. BayObLG ZMR 1997, 37/38; Staudinger/Bub § 21 Rn. 49; Bärmann/Merle § 21 Rn. 42).

(2) Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Sachverständigen- und Anwaltskosten hat der Antragsteller das Zustandekommen der vom Antragsgegner behaupteten Vereinbarungen über eine Kostenübernahme durch die Wohnungseigentümer bestritten. Mit diesen Forderungen kann daher entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht gegen Wohngeldansprüche aufgerechnet werden (BayObLG WuM 2000, 147/148).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übereinstimmend mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 4200 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück