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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 128/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 21 Abs. 4
BGB § 242
Die Beseitigung einer baulichen Veränderung kann nach Treu und Glauben nicht verlangt werden, wenn nach deren Beseitigung derselbe bauliche Zustand wieder hergestellt werden dürfte.
Gründe:

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer eines in drei Wohnungen unterteilten Hauses. Den Antragsgegnern und den weiteren Beteiligten gehört je eine Wohnung im Erdgeschoss, die jeweils einen gesonderten Zugang haben. Den Antragstellern gehört eine Wohnung im Dachgeschoss, die von außen über einen kleinen Flur im Erdgeschoss und eine Treppe zu erreichen ist. Am oberen Ende dieser Treppe führt eine Tür in die Wohnung der Antragsteller und rechtwinklig dazu eine andere Tür in einen Raum, der nach der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan zur Wohnung der Antragsgegner gehört. Im Erdgeschoss ließen die Antragsgegner vor dem Verkauf der Wohnung im Dachgeschoss an die Antragsteller durch eine Wand, die an den kleinen Flur vor der Treppe grenzt, eine Tür durchbrechen, die im Aufteilungsplan nicht eingezeichnet ist. Auf diese Weise können die Antragsgegner unmittelbar von ihrer Wohnung in das Treppenhaus und von dort in den Raum im Dachgeschoss oder in den Keller gelangen. Wäre diese Tür nicht vorhanden, müssten die Antragsgegner aus ihrer Wohnung ins Freie treten und ein Stück um das Haus herumgehen, um in das Treppenhaus zu gelangen.

Die Antragsteller, die ihre Wohnung von den Antragsgegnern im Juli 1994 erwarben, verlangen seit 1999 von den Antragsgegnern die Beseitigung der Tür zwischen deren Wohnung und dem Flur im Treppenhaus. Am 12.8.1999 haben sie deshalb beim Wohnungseigentumsgericht den Antrag gestellt, die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verpflichten, die vom Sondereigentum zum Treppenhaus führende Tür zu beseitigen. In der Eigentümerversammlung vom 25.2.2000 erhielt ein Antrag der Antragsteller, die Antragsgegner zur Beseitigung der Tür zu verpflichten, nicht die erforderliche Mehrheit. Mit Beschluss vom 27.4.2000 hat das Amtsgericht die Antragsgegner verpflichtet, die streitige Tür zu beseitigen und die Wand zuzumauern. Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.6.2001 unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts den Beseitigungsantrag der Antragsteller vom 12.8.1999 abgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Antragsteller ist unbegründet.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Anspruch der Antragsteller auf Beseitigung der Tür bestehe nicht. Zwar habe grundsätzlich jeder Miteigentümer nach § 21 Abs. 4 und 5 Nr. 2 WEG einen Anspruch gegenüber den anderen Miteigentümern auf erstmalige Herstellung des in der Teilungserklärung vereinbarten ordnungsmäßigen Zustands der Wohnanlage. Doch sei dieser verträgliche Anspruch auf erstmalige Herstellung des dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands durch eine vertragliche Regelung im Kaufvertrag der Antragsteller ausgeschlossen. Unter Nr. V 2 des notariellen Kaufvertrags sei nämlich ein Haftungsausschluss des Inhalts vereinbart, dass die Antragsteller den Vertragsbesitz in demjenigen Zustand übernähmen, in welchem er sich derzeit befinde. Vertragsbesitz sei aber nicht nur das Sondereigentum, sondern auch das Gemeinschaftseigentum. Zum Gemeinschaftseigentum gehöre auch die Wand zwischen der Wohnung der Antragsgegner und dem Flur vor dem Treppenhaus. Damit beziehe sich der Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag auch auf die Tür in der Wand. Der Anspruch auf Beseitigung der Tür ergebe sich auch nicht aus einer nach Kaufvertragsabschluß abgegebenen Zusicherung der Antragsgegner. Eine solche sei nämlich nicht bewiesen. Im übrigen sei ein Beseitigungsanspruch nach § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht mehr durchsetzbar. Denn die Antragsteller hätten den Anspruch - abgesehen von einem Verlangen etwa 1/2 Jahr nach Einzug - erst im Jahr 1999 geltend gemacht. Hinzu komme, dass die Entfernung der Tür den Antragstellern nur einen geringfügigen Vorteil, den Antragsgegnern aber ganz erhebliche Nachteile mit sich bringe. Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen führe dazu, dass eine Durchsetzung des Beseitigungsverlangens sich als unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB darstelle.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass sich aus § 21 Abs. 4 WEG in Verbindung mit § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG ein Anspruch der Wohnungseigentümer gegeneinander auf erstmalige Herstellung eines der Teilungserklärung nebst Aufteilungsplänen entsprechenden Zustands des gemeinschaftlichen Eigentums ergibt (vgl. etwa BayObLG NJW-RR 1989, 1293; ZMR 1995, 87 und 1998, 647).

Richtig ist auch die Beurteilung des Landgerichts, dass das Vorhandensein der streitigen Tür die Abgeschlossenheit der Wohnung der Antragsgegner nicht in Frage stellt; denn diese Tür ermöglicht nur einen weiteren Zugang zum gemeinschaftlichen Eigentum. Dass eine abgeschlossene Eigentumswohnung nur einen Zugang zum gemeinschaftlichen Eigentum haben dürfe, ergibt sich aus keiner Vorschrift des Wohnungseigentumsgesetzes.

b) Zweifelhaft ist allerdings, ob der Haftungsausschluss im notariellen Kaufvertrag sich auch auf die streitige Tür erstreckt, wie das Landgericht meint. Nach Ansicht des Senats liegt eine derartige Auslegung eher fern, weil sich Klauseln dieser Art häufig in Kaufverträgen über Immobilien finden und i.d.R. nur die kaufrechtliche Gewährleistung regeln wollen. Diese Klauseln erfassen also gewöhnlich nur Ansprüche aus dem Kaufvertrag, während sich der Anspruch auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands aus dem Gesetz und dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ergibt.

c) Für das Ergebnis der Entscheidung kommt es aber letztlich auf die Tragweite des Haftungsausschlusses im notariellen Kaufvertrag nicht entscheidend an. Denn einen an sich bestehenden Beseitigungsanspruch dürfen die Antragsteller nach § 242 BGB nicht geltend machen. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Der Durchbruch durch die Wand zwischen der Wohnung der Antragsgegner und dem Flur vor dem Treppenhaus und der Einbau einer Tür an dieser Stelle ist eine bauliche Veränderung i.S. von § 22 Abs. 1 WEG. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG ist für diese Maßnahme weder die Zustimmung der weiteren Beteiligten noch die der Antragsteller erforderlich. Die weiteren Beteiligten werden dadurch gar nicht betroffen und die Antragsgegner nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Denn den Flur und die Treppe in das Dachgeschoss oder das Kellergeschoss müssen und dürfen die Antragsgegner in gleichem Umfang benutzen, wenn die streitige Tür nicht vorhanden ist und sie erst um das Haus herumgehen müssten. Die von den Antragstellern vor dem Landgericht angegebene Belästigung, dass die Antragsgegner durch einen Spion in der streitigen Tür beobachten könnten, wann die Antragsteller oder andere Personen ihre Wohnung betreten oder verlassen, ist nicht stichhaltig; denn die gleichen Beobachtungen können die Antragsgegner vom Fenster des als Kinderzimmer bezeichneten Raums aus machen. Außerdem übersteigt die Belästigung nicht die in § 14 Nr. 1 WEG festgelegte Grenze.

Wenn aber die Antragsgegner nach Beseitigung der Tür und Zumauern der Öffnung berechtigt sind, die gleiche bauliche Veränderung ohne Zustimmung der Antragsteller umgehend wieder durchzuführen, ist es den Antragstellern nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt, die Beseitigung zu verlangen (Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 242 Rn. 52).

3. Es entspricht billigem Ermessen (§ 47 WEG), dass die im Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegenen Antragsteller die Gerichtskosten tragen. Hingegen besteht angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen von Amtsgericht und Landgericht kein Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Die mit dem Landgericht übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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