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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 129/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 1
Die Zuweisung einer Terrassenfläche zur ausschließlichen Nutzung durch einen Wohnungseigentümer kann formlos vereinbart werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus einem um die Jahrhundertwende errichteten zweistöckigem Wohngebäude besteht. Der Antragsgegnerin gehört die im Erdgeschoss (Hochparterre) gelegene Wohnung Nr. 1, der Antragstellerin die im Ober- und Dachgeschoss gelegene Wohnung Nr. 2. Zum Anwesen gehört neben einem der Straßenseite zugewandten schmalen Vorgarten auch ein rückseitiger Garten. Das Wohnungseigentum wurde gemäß Teilungserklärung vom 18.3.1991 durch die Mutter der Antragsgegnerin, der das Haus damals allein gehörte, begründet. Die Mutter der Antragsgegnerin übertrug sodann gegen Leibrente das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 2 auf die Antragstellerin, ihre damalige Schwiegertochter. Die Wohnung Nr. 1 übereignete sie im Wege der Schenkung ihrem Sohn, dem damaligen Ehemann der Antragstellerin, der seinerseits im Jahr 1995 die Wohnung an seine Schwester, die Antragsgegnerin, aufließ.

Die Gemeinschaftsordnung enthält in § 5 zum Gebrauch der nicht überbauten Flächen unter Verweis auf den beigefügten Lageplan (Anlage II) folgende Regelung:

a) Die mit der Nr. 1/2 versehene, orange schraffierte Fläche (= Vorgarten) steht allen Eigentümern zur gemeinschaftlichen Nutzung zu.

b) Die mit der Nr. 1 versehene, grün schraffierte Fläche (Garten) steht dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 zum ausschließlichen Gebrauch zu.

Außerdem ist festgelegt, dass jeder Wohnungseigentümer das Recht der Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Grundstücksflächen hat, soweit sich nicht Beschränkungen aus der Teilungserklärung ergeben.

Nach dem auch zum Inhalt des Grundbuchs gewordenen Lageplan befindet sich zwischen dem Gebäude und der grün schraffierten Gartenfläche eine weitere nicht schraffierte Freifläche. Diese ist in der Natur mit Platten versehen und wird als Terrasse genutzt. Unter den Beteiligten herrscht Streit, ob diese der Wohnung Nr. 1 als Sondernutzungsfläche zugewiesen ist.

Die Antragstellerin hat die Feststellung beantragt, dass die nicht schraffierte Freifläche dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer unterliege. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber beantragt festzustellen, dass an der Grundstücksfläche ein Sondernutzungsrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Wohnung Nr. 1 bestehe. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme am 1.3.2001 den Antrag abgewiesen und dem Gegenantrag stattgegeben. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.7.2001 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel ist erfolgreich. An der nicht schraffierten Fläche unmittelbar hinter dem Wohngebäude wurde weder ein dinglich wirkendes noch ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht begründet. Demnach ist gemäß dem Antrag zu entscheiden und der Gegenantrag abzuweisen.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein dingliches Sondernutzungsrecht, welches voraussetze, dass es in der Teilungserklärung begründet und ins Grundbuch eingetragen worden sei, bestehe an der Terrasse nicht. Der Lageplan ordne deren Fläche, anders als den hinteren Gartenteil, keiner der beiden Wohnungen zu. Sie gehöre auch nicht zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 1. Mündliche Erklärungen und Vorstellungen der Beteiligten bei der Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum änderten wegen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes an dieser Rechtslage nichts.

Jedoch sei an der Terrasse ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht zugunsten der Eigentümerin der Untergeschosswohnung durch Vereinbarung entstanden. Auch die Antragstellerin als Beteiligte der Teilungserklärung sei davon ausgegangen, dass die Terrasse der Untergeschosswohnung habe zugeordnet werden sollen. Schon vor der Grundstücksteilung sei es so gewesen und habe nicht in Frage gestanden. Wenn die Beteiligten nicht ausdrücklich darüber gesprochen hätten, folge daraus nur, dass eine Besprechung hierüber nicht für erforderlich gehalten worden sei. Im übrigen sei beim Notartermin in Anwesenheit der Antragstellerin darüber geredet und die Terrasse wie auch der Garten der unteren Wohnung zugeordnet worden. Dass dies im Aufteilungsplan nicht verdeutlicht wurde, sei ein Versehen des Architekturbüros gewesen. Die Beteiligten der Teilungserklärung einschließlich der Antragstellerin hätten diese so verstanden, dass die Terrassenfläche der Untergeschosswohnung habe zugeordnet sein sollen. Zwar hätten die Beteiligten mit der Teilungserklärung die Begründung dinglicher Sondernutzungsrechte gewollt, ihre Erklärungen seien jedoch entsprechend § 140 BGB umdeutbar. Schließlich spreche auch eine bei den Notariatsakten verbliebene Lageskizze und die örtliche Lage der Terrasse für die Zuordnung der Fläche zur Untergeschosswohnung.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist allerdings die Ansicht des Landgerichts, dass ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht nicht begründet worden ist.

aa) Die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts kann nach § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2 WEG durch Eintragung in das Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden (BayObLGZ 1985, 204/206; Demharter GBO 24. Aufl. Anhang zu § 3 Rn. 28, 29). Zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums kann nach § 7 Abs.. 3 WEG auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Das gilt mithin auch für Umfang und Inhalt eines Sondernutzungsrechts, das durch Eintragung zum Inhalt des Sondereigentums werden soll (BayObLG aaO; Weitnauer WEG 8. Aufl. § 7 Rn. 12). Der das Grundbuchrecht beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass die Eintragungsbewilligung die Fläche, an der ein Sondernutzungsrecht bestehen soll, klar und bestimmt bezeichnet. An diese Bezeichnung sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei sonstigen einen Grundstücksteil betreffenden Eintragungen (BayObLG und Demharter, je aaO; siehe auch BayObLG Beschluss vom 5.1.2001, 2Z BR 125/00). Demnach gilt für die Einräumung von Sondernutzungsrechten nichts anderes als für den Gegenstand von Sondereigentum. Abzustellen ist auf den Wortlaut und den Sinn der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb der Grundbucheintragung dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Sondernutzungsrechts nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 113, 374/378; 130, 159/166; BayObLG ZMR 1999, 773). Darauf, was der Bewilligende gewollt hat, kommt es nicht an (Demharter § 19 Rn. 28 m.w.N.).

bb) Nach der Gemeinschaftsordnung ist die in dem der Teilungserklärung beiliegenden Lageplan grün schraffierte Fläche als Garten bezeichnet und dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 zum ausschließlichen Gebrauch zugewiesen. Die grün schraffierte Fläche, die in der Natur mit Rasen versehen ist und gärtnerisch genutzt wird, erfasst nicht den unmittelbar dem Gebäude vorgelagerten Grundstücksstreifen, der sich auch in seiner Gestaltung - er ist mit Platten belegt und wird als Terrasse genutzt - vom anschließenden Gartenbereich abhebt. Nach der nächstliegenden Bedeutung der Erklärung ist an der als Terrasse genutzten Fläche für keine der beiden Wohnungen ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht begründet worden. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Überlegung herleiten, dass für den Vorgartenbereich (orange schraffiert) ausdrücklich eine gemeinschaftliche Nutzung vorgesehen ist. Denn soweit die Teilungserklärung einen Ausschluss von Wohnungseigentümern vom Mitgebrauch nicht regelt, bleibt es beim gesetzlich vorgesehenen Regelfall des Mitgebrauchs am gemeinschaftlichen Eigentum einschließlich der Terrassenfläche (siehe § 1 Abs. 5, § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG).

b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die von diesem daraus gezogene rechtliche Schlussfolgerung, es sei ein die Antragstellerin bindendes schuldrechtliches Sondernutzungsrecht zustande gekommen. Der Senat kann aufgrund des vom Landgericht fehlerfrei festgestellten Sachverhalts und des Akteninhalts eine selbständige Wertung vornehmen. Einer Zurückverweisung bedarf es nicht, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 59).

aa) Zwischen den Beteiligten unmittelbar ist eine formlos wirksame schuldrechtliche Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG i.V.m. § 15 Abs. 1 WEG nicht zustande gekommen. Die Antragsgegnerin erwarb das Wohnungseigentum erst 1995 von ihrem Bruder. Für eine verbindliche - gegebenenfalls auch konkludente - Absprache mit der Antragstellerin in dem Bewusstsein, über die Terrassennutzung eine Regelung zu treffen, die auch für die Zukunft Geltung beanspruchen soll (vgl. etwa OLG Köln WuM 1997, 59; KG NJW-RR 1989, 976; Häublein DNotZ 2002, 227), fehlt es zu diesem Zeitpunkt und danach an jeglichem Anhaltspunkt. Insbesondere lässt sich nicht allein aus dem Umstand, dass die Antragstellerin oder deren Mieter die Terrasse nicht mitbenutzt haben, der Schluss auf einen rechtsverbindlichen Regelungswillen ziehen.

bb) Die Antragstellerin hat sich auch nicht bereits anlässlich der Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum gegenüber der Antragsgegnerin schuldrechtlich gebunden. Dazu genügen nämlich allgemeine Vorstellungen und Erörterungen im Familienkreis über den Inhalt des jeweiligen Wohnungseigentums nicht. Eine derartige Überlegung liegt im übrigen auch schon deshalb fern, weil bei den damaligen familiären Erörterungen über die Rechtsnachfolge ein Wohnungseigentumserwerb der Antragsgegnerin nicht vorgesehen war.

(1) An der Teilungserklärung vom 18.3.1991 war die Antragstellerin rechtlich nicht beteiligt. Die Teilungserklärung nach § 8 WEG ist eine einseitige abstrakte Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt; die Rechtsmacht dazu leitet sich aus dessen Verfügungsrecht über das Grundstück ab (Weitnauer § 8 Rn. 4). Eigentümerin war seinerzeit nach der vorliegenden Teilungserklärung allein die Schwiegermutter der Antragstellerin. Die Antragstellerin war zwar ebenso wie ihr Ehemann bei der Beurkundung zugegen und nahm vom Inhalt der Urkunde unterschriftlich Kenntnis. Aus einem etwaigen in der notariellen Erklärung nicht niedergelegten Willen der teilenden Eigentümerin, für die Untergeschosswohnung ein Sondernutzungsrecht an der Terrasse vorzubehalten, folgt jedoch keine Bindung der Antragstellerin als späterer Erwerberin der Wohnung im 1. Obergeschoss. Ob die Antragstellerin die Teilungserklärung ebenfalls dahin verstanden hat, dass die Terrasse der Sondernutzungsfläche (Garten) der Untergeschosswohnung zugeordnet sein sollte - wofür das ihr bekannte Schreiben des Steuerberaters sowie das erholte Wertgutachten sprechen mögen -, ist unerheblich. Es kann auch dahinstehen, ob und mit welchen Personen schon vor Entstehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit Bindung für diese eine Vereinbarung abgeschlossen werden kann (siehe auch OLG Köln WuM 1997, 59). Gebunden gewesen wäre die Antragstellerin allenfalls dann, wenn sich feststellen ließe, dass sie sich entweder gegenüber ihrer Schwiegermutter schuldrechtlich verpflichtet hat, dem jeweiligen zukünftigen Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 1 die Terrassennutzung unter Ausschluss einer Mitbenutzung durch die Bewohner der oberen Wohnung auf Dauer einzuräumen (Vertrag zugunsten Dritter, siehe § 328 BGB; BayObLG NZM 2001, 1131), oder dass sie eine entsprechende Verpflichtung gegenüber ihrem Ehemann als damaligem Erwerber der Wohnung Nr. 1 eingegangen ist. Beides ist nicht der Fall.

(2) Soweit die Schwiegermutter der Antragstellerin die Wohnung Nr. 2 gegen Leibrentenversprechen an diese und zugleich die Wohnung Nr. 1 im Wege der Schenkung an ihren Sohn, den damaligen Ehegatten der Antragstellerin, übertragen hat, ist davon auszugehen, dass mit dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrag kein Sondernutzungsrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Wohnung Nr. 1 begründet wurde. Denn hierfür fehlen ausreichende, zweifelsfreie Anhaltspunkte. Ein Anlass zur Regelung hat auch nicht bestanden, weil wirtschaftlich betrachtet im Ergebnis das gesamte Anwesen in den Besitz der Eheleute überging und kein Grund gegeben war, im Verhältnis der damaligen Wohnungseigentümer untereinander für die Terrasse eine rechtsverbindliche Gebrauchsregelung zu treffen. Soweit die Antragstellerin das ihr gehörige Obergeschoss nicht selbst bewohnte, sondern vermietet hatte, konnten Mieter schon aufgrund des jeweiligen Mietvertrags von der Nutzung der Terrasse ausgeschlossen werden, ohne dass es dazu noch zusätzlicher vertraglicher Absprachen unter den Eheleuten bedurfte. Aus dem Umstand, dass die Terrasse von den Bewohnern der Untergeschosswohnung allein genutzt wurde, lässt sich demnach auch nicht auf einen vertraglichen Willen schließen, diesen hierfür eine gesicherte Rechtsposition einzuräumen. Das folgt auch nicht aus dem baulichen Zustand. Zwar verfügt die untere Wohnung an ihrem wintergartenähnlichen Anbau anders als die Obergeschosswohnung über einen unmittelbaren Außenzugang zur Terrasse. Diese kann jedoch für die Bewohner des Obergeschosses auch vom Treppenhaus im Erdgeschoss, ohne die dortige Wohnung benutzen zu müssen, erreicht werden. Bauliche Veränderungen, die auf einen gemeinsamen Willen der Wohnungseigentümer schließen ließen, die Terrasse ausschließlich durch die Bewohner der Untergeschosswohnung nutzen zu lassen, wurden nicht vorgenommen. Der Umstand, dass die anschließende Grünfläche als Garten der alleinigen Nutzung für Wohnungseigentümer des Untergeschosses zugewiesen ist, steht dazu ebenso wenig in Widerspruch wie der Umstand, dass die obere Wohnung über einen Balkon verfügt, die untere Wohnung dagegen nicht.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der Antragsgegnerin, die unterlegen ist, die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Dagegen besteht im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen in den Rechtszügen kein Anlass, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts durch die Vorinstanzen mit 10000 DM entspricht § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Währungsumstellung erscheint es geboten, für alle Rechtszüge einen einheitlichen Geschäftswert festzusetzen, und zwar in Höhe von 5000 EUR.



Ende der Entscheidung

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