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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 135/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2
WEG § 45 Abs. 2
Ein Beschluss, der einen von der Teilungserklärung abweichenden Verteilungsschlüssel für eine Sonderumlage festlegt, ist gültig, wenn er nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 WEG angefochten wird.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 23.7.1998 fassten die Eigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 1 mehrheitlich folgenden Beschluss:

"Nach Vorlage der Kostenangebote soll die Verwaltung, in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat, die Vergabe der Arbeiten durchführen. Die Finanzierung der Maßnahme erfolgt durch eine Sonderumlage auf die Mitglieder der Gemeinschaft im Verhältnis ihrer Anteile an der Zuführung zur Instandhaltungsrücklage.

Die Sonderumlage ist fällig bei Auftragserteilung und Beginn der vorgenannten Arbeiten."

In der Eigentümerversammlung vom 30.4.1999 wurde mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:

"Die Verwaltung wird beauftragt, die bereits beschlossene Sanierung der Balkone zuzüglich Geländererneuerung durchführen zu lassen.

Die bereits beschlossene Sonderumlage erhöht sich anteilig um die Mehrkosten."

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 30.4.1999 zu TOP 4 für ungültig zu erklären, soweit beschlossen wurde, dass sich die bereits beschlossene Sonderumlage anteilig um die Mehrkosten erhöhe. Außerdem haben die Antragsteller beantragt festzustellen, dass der Beschluss vom 23.7.1998 zu TOP 1 insoweit nichtig ist, als beschlossen wurde, dass die Finanzierung der Maßnahme durch eine Sonderumlage auf die Mitglieder der Gemeinschaft im Verhältnis ihrer Anteile an der Zuführung zur Instandhaltungsrücklage erfolge.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass sie nach der Teilungserklärung keine Kosten für die Maßnahme tragen müssten, da ihre Wohnungen keinen Balkon hätten.

Das von den Antragstellern eingeleitete Verfahren wurde beim Amtsgericht unter dem Aktenzeichen 2 UR II 35/99 geführt.

Die Wohnungseigentümerin B. hat den Beschluss zu TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.4.1999 in vollem Umfang angefochten. Dieses Verfahren wurde vor dem Amtsgericht unter dem Aktenzeichen 2 UR II 38/99 geführt. In diesem Verfahren wurden die Antragsteller des nunmehrigen Verfahrens als Antragsgegner formell beteiligt. Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin B. mit Beschluss vom 21.3.2001 abgewiesen. Die Entscheidung wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller des nunmehrigen Verfahrens zugestellt. Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde während des Laufs des Beschwerdeverfahrens in dieser Sache rechtskräftig.

In diesem Verfahren hat das Amtsgericht die Anträge der Antragsteller mit Beschluss ebenfalls vom 21.3.2001 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 27.11.2002 teils als unzulässig verworfen, teils als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

2. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Hinsichtlich des Feststellungsantrags sei die sofortige Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Nach der Rechtsprechung bestehe zwar keine Beschlusskompetenz für eine generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Beschlüsse über konkrete Einzelmaßnahmen seien aber nicht deshalb nichtig, weil ein unrichtiger Verteilungsschlüssel angewendet werde.

Der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses vom 30.4.1999 sei unzulässig. Mit der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Beschlusses im Verfahren 2 UR II 38/99 sei eine Erledigung der Hauptsache eingetreten. Die Antragsteller hätten ihren Antrag jedoch nicht auf die Kostenentscheidung beschränkt. Hieran ändere es nichts, dass es das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, die beiden den gleichen Beschluss betreffenden Verfahren miteinander zu verbinden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass bezüglich des Antrags auf Ungültigerklärung des Beschlusses vom 30.4.1999 Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG bindet eine rechtskräftige Entscheidung alle Beteiligten. Die nunmehrigen Antragsteller waren im Verfahren 2 UR II 38/99 des Amtsgerichts formell und materiell beteiligt (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 2 WEG). Der Antrag der dortigen Antragstellerin B. war auf Ungültigerklärung des gesamten Beschlusses gerichtet und umfasste somit auch den von den Antragstellern dieses Verfahrens beanstandeten Teil des Eigentümerbeschlusses. Dass die Antragsteller dieses Verfahrens gegen den Eigentümerbeschluss andere Gründe vorgebracht haben als die Antragstellerin B., ist unerheblich, da Verfahrensgegenstand die Gültigkeit des Beschlusses unabhängig von einzelnen vorgebrachten Einwendungen ist.

Die Antragsteller können sich auch nicht auf den von der Rechtsprechung entwickelten Meistbegünstigungsgrundsatz bei inkorrekten Entscheidungen berufen (vgl. Reichold in Thomas/ Putzo ZPO 24. Aufl. vor § 511 Rn. 6 ff. m. w. N.). Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass es dem Rechtsmittelführer bei einer inkorrekten Entscheidung nicht zumutbar ist, auf sein Risiko ein bestimmtes Rechtsmittel auszuwählen. Damit ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Dass gegen die Entscheidung des Amtsgerichts im Verfahren 2 UR II 38/99 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben war, ist nicht zweifelhaft. Verfahrensfehler, die vor der Entscheidung liegen, eröffnen nicht die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes.

Die in diesem Verfahren eingelegte sofortige Beschwerde kann auch nicht zugleich als Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 21.3.2001 im Verfahren 2 UR II 38/99 ausgelegt werden. Der Beschwerdeschriftsatz vom 11.4.2001 ist nämlich einer Auslegung nicht zugänglich. Durch Angabe des amtsgerichtlichen Aktenzeichens und namentliche Nennung der Antragsteller ist der angefochtene Beschluss in einer Weise bezeichnet, die es ausschließt, die Beschwerde zugleich als Beschwerde gegen eine Entscheidung im Parallelverfahren anzusehen.

b) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschluss vom 23.7.1998 nicht nichtig ist. Die fehlende Beschlusskompetenz für eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (BGH NJW 2000, 3500 ff.) führt nicht dazu, dass Beschlüsse über die Finanzierung konkreter Einzelmaßnahmen nichtig sind, wenn ein falscher Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegt wird (BayObLG NJW-RR 2001, 1020). Werden derartige Beschlüsse nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 WEG angefochten, sind sie gültig.

Der Eigentümerbeschluss hatte auch hinsichtlich der Kostenverteilung bindende Wirkung. Vom Versammlungsleiter wurde festgestellt, dass die Auftragsvergabe und die erforderliche Sonderumlage mehrheitlich beschlossen wurden (BGH NJW 2001, 3339). Das entspricht dem Wortlaut der Beschlussvorlage.

3. Es entspricht der Billigkeit, den unterlegenen Antragstellern die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).

Die in Übereinstimmung mit dem Landgericht getroffene Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Für eine Herabsetzung des Geschäftswerts nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG besteht kein Anlass, da ohnehin nur diejenigen Kosten zugrunde gelegt wurden, die die Wohnungseigentümer ohne Balkon treffen.

Ende der Entscheidung

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