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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 137/04
Rechtsgebiete: WEG, Prostitutionsgesetz


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
Prostitutionsgesetz
1. Es erscheint zweifelhaft, ob eine in der Rechtsgemeinschaft eindeutig herrschende Auffassung über die nicht nur individualethische, sondern auch sozialethische Verwerflichkeit der Prostitutionsausübung festgestellt werden kann.

2. Es ist fraglich, ob in einem Anwesen, das ausschließlich gewerblich genutzt wird, eine Wertminderung der übrigen Teileigentumseinheiten anzunehmen ist, wenn in einer Teileigentumseinheit der Prostitution nachgegangen wird.

3. Kommt es in dem Anwesen zu ungewollten Konfrontationen mit der Prostitutionsausübung in einer Teileigentumseinheit, die als anstößig zu bezeichnen sind, ist dies für die übrigen Teileigentümer nachteilig.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Teileigentümer einer Anlage, die ausschließlich gewerblich genutzt wird.

Dem Antragsgegner gehört die im obersten Stockwerk gelegene Einheit. Diese ist vermietet; sie wird vom Untermieter zum Zweck der Prostitution genutzt.

Auf den Unterlassungsantrag der Antragsteller hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.11.2003, soweit dieser Beschluss für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, den Antragsgegner verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Nutzung seiner Einheit zur Ausübung der Prostitution zu unterbinden, erforderlichenfalls durch Klageerhebung und Zwangsvollstreckung gegen den Mieter bzw. Untermieter. Das Landgericht hat am 14.6.2004 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Ausübung der Prostitution in der Einheit des Antragsgegners führe zu einer über das normale Maß hinausgehenden Beeinträchtigung der übrigen Teileigentümer und verstoße damit gegen § 2 Gemeinschaftsordnung (GO), der inhaltlich § 14 Nr. 1 WEG entspricht.

Die konkreten Auswirkungen der Prostitutionsausübung habe der Zeuge M. anschaulich geschildert. So habe er ausgeführt, er sei vor und in dem Haus mehrmals danach gefragt worden, wo der "Puff" sei. Auch lägen im Aufzug Kondome herum. Es komme hinzu, dass der Aufzug direkt in der Einheit des Antragsgegners ende und von dort aus mittels eines Schlüssels vom Erdgeschoss heraufgeholt werden könne. Es sei mehrmals vorgekommen, dass er oder einer seiner Mitarbeiter ungewollt aufgrund einer solchen Schlüsselbetätigung im obersten Stockwerk mit dem Aufzug unmittelbar in der Einheit des Antragsgegners mitten unter den dort befindlichen Damen gelandet sei, die bis auf einen Slip unbekleidet gewesen seien. Diese Konfrontation mit dem Geschehen im obersten Stockwerk sei für die übrigen Teileigentümer angesichts des in dem Anwesen stattfindenden Publikumsverkehrs, zu dem auch Lehrlinge und Auszubildende gehörten, nachteilig.

Jedenfalls werde der Verkehrswert der übrigen Teileigentumseinheit durch die Nutzung der Einheit des Antragsgegners zur Prostitution gemindert. Auch dies müssten die übrigen Teileigentümer nicht hinnehmen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Den Antragstellern steht der von den Vorinstanzen zuerkannte Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG zu. Das Landgericht hat nämlich zu Recht angenommen, dass die Nutzung des Teileigentums des Antragsgegners zum Zweck der Prostitutionsausübung mit § 2 GO, § 14 Nr. 1 WEG nicht in Einklang steht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Ausübung von Prostitution in einer Teileigentumseinheit grundsätzlich nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrs- oder Mietwert der übrigen Teileigentumseinheiten haben kann.

(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16.6.2000 (ZMR 2000, 689) ausgeführt, dass die Nutzung eines Wohnungs- oder Teileigentums, die mit einem sozialen Unwerturteil behaftet sei oder als anstößig empfunden werde, wie der Betrieb eines "Pärchentreffs" oder "Swingerclubs", nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrs- oder Mietwert der übrigen Einheiten habe und somit nachteilig im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG sei. In der früheren Rechtsprechung des Senats wurde ferner eine Wertminderung für die übrigen Einheiten bejaht, wenn in einem gewerblich genutzten Anwesen in einer Teileinheit ein Bordell betrieben wird (BayObLG DWE 1981, 58). An dem Ergebnis, dass eine Wertminderung in einem solchen Fall anzunehmen ist, soll sich nach verbreiteter Auffassung (OLG Frankfurt DWE 2002, 105; Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 15 Rn. 30; vgl. ferner Berl VerfGH NJW-RR 2003, 229; Deckert, Die Eigentumswohnung, Gruppe 5 Rn. 433) auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 nichts geändert haben.

(2) Aus heutiger Sicht erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob eine in der Rechtsgemeinschaft eindeutig herrschende Auffassung über die nicht nur individualethische, sondern sozialethische Verwerflichkeit der Prostitutionsausübung festgestellt werden kann. Jedenfalls hat das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ 2003, 603) zutreffend festgestellt, der Gesetzgeber habe sich bei Erlass der Prostitutionsgesetzes von der Erwägung leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden könne und dass durch dieses Gesetz ein Wandel der sozialethischen Vorstellungen zum Ausdruck gekommen sei.

(3) Fraglich erscheint ferner, ob in einem Anwesen, das wie hier ausschließlich gewerblichen Zwecken dient, in der Regel eine Wertminderung eintritt, wenn in einem Teileigentum der Prostitution nachgegangen wird.

b) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts kommt es aber in dem Anwesen zu ungewollten Konfrontationen mit dem Geschehen in der Einheit des Antragsgegners, die als anstößig empfunden werden können. Der Zeuge M. hat dies anschaulich geschildert. Auch jede andere Person, die das Gebäude betritt, kann damit konfrontiert werden, dass Kondome im Aufzug liegen, dass sie nach dem "Puff" befragt wird oder ungewollt mittels des Aufzugs unmittelbar im Bordell landet. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist es bei der gebotenen "typisierenden", d.h. verallgemeinernden Betrachtungsweise (vgl. BayObLG NZM 1999, 80/81; KG FGPrax 2002, 159) unerheblich, ob der Zeuge M., der die Vorfälle geschildert hat, subjektiv daran Anstoß genommen hat. Bei dem gegebenen Publikumsverkehr in dem Anwesen, das nach den Feststellungen des Landgerichts auch Jugendliche einschließt, ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund dieses Sachverhalts ein von den übrigen Teileigentümern nicht hinzunehmender Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG gegeben ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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