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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 140/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 184 | |
BGB § 368 |
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich
am 24. Januar 2001
in der Wohnungseigentumssache
wegen Wohngeldforderung,
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerinnen werden die Beschlüsse des Landgerichts Augsburg vom 17. November 2000 und des Amtsgerichts Augsburg vom 26. April 1999 aufgehoben.
II. Der Antrag der Antragsteller wird wegen eines 670079,64 DM nebst 6% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 29. März 2000 übersteigenden Betrages abgewiesen. Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 704855,- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Bei den beiden Antragsgegnerinnen handelt es sich um Unternehmen, die bis 9.5.2000 als Gesellschafter bürgerlichen Rechts Wohnungseigentümer waren. Die Antragsgegnerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, hatte bis 1998 eine Anschrift in V., seitdem in H. Die Antragsgegnerin zu 2 hat ihren Sitz im Ausland; Generalbevollmächtigter ist der Vorstand der Antragsgegnerin zu 1.
§ 19 der Gemeinschaftsordnung verpflichtet Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich Eigentümer eines Wohnungseigentums sind, dem Verwalter einen Bevollmächtigten zu benennen; bis zur Bestellung und Benennung eines Bevollmächtigten gilt jeder Miteigentümer als bevollmächtigt, Erklärungen auch für den anderen abzugeben und entgegenzunehmen. Die Antragsgegnerinnen haben keinen Bevollmächtigten benannt.
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 5.2.1999 beantragt, die Antragsgegnerin zu 1 als Gesamtschuldnerin zusammen mit der Antragsgegnerin zu 2 zur Zahlung von 61865,- DM nebst Zinsen und die Antragsgegnerin zu 2 als Gesamtschuldnerin zusammen mit der Antragsgegnerin zu 1 zur Zahlung von 704854,56 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Der Antrag wurde der Antragsgegnerin zu 1, vertreten durch ihren Vorstand, zugleich als Zustellungsbevollmächtigter der Antragsgegnerin zu 2 unter der Anschrift in V. am 13.2.1999 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt. Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.4.1999 wurde nur der Antragsgegnerin zu 1, wiederum im Weg der Ersatzzustellung, am 19.3.1999 in V. zugestellt. Zu dem Termin erschien für die Antragsgegnerinnen niemand.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerinnen neu durch Beschluss vom 26.4.1999 antragsgemäß verpflichtet und die Entscheidung im Weg der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beschluss wurde den beiden Antragsgegnerinnen in gleicher Weise wie der Antrag am 28.4.1999 zugestellt. Die Antragsgegnerinnen haben am 26.5.1999 sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Am 24.9.1999 wurde unter anderem aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 26.4.1999 zugunsten der Antragsteller im Grundbuch für das Wohnungseigentum der Antragsgegnerinnen eine Zwangssicherungshypothek über 807357,- DM eingetragen. Ende 1999 wurde das Wohnungseigentum der Antragsgegnerinnen verkauft. Aus dem Kaufpreis erhielten die Antragsteller 400000 DM. In der Eigentümerversammlung vom 9.2.2000 ermächtigten die Wohnungseigentümer den Verwalter, die Löschung unter anderem der Sicherungshypothek über 807357,- DM zu bewilligen und eine löschungsfähige Quittung auszustellen. Der Verwalter erteilte am 21.2.2000 eine löschungsfähige Quittung, in der bestätigt wurde, dass die Wohnungseigentümer unter anderem wegen der Sicherungshypothek über 807357,- DM befriedigt seien. Die Sicherungshypothek wurde am 9.5.2000 gelöscht. Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 19.5.2000 den ihnen zugeflossenen Kaufpreis von 400000 DM dergestalt auf ihre Forderungen verrechnet, dass nur ein 670079,64 DM nebst 6% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 29.3.2000 übersteigender Betrag von den Antragsgegnerinnen nicht mehr geschuldet sei.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.11.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts und zur Abweisung des Zahlungsantrags wegen eines 670079,64 DM nebst 6% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 29.3.2000 übersteigenden Betrages und zur Zurückverweisung der Sache im übrigen an das Amtsgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Antragsgegnerin zu 1 mache geltend, zur Zeit der Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses in V. kein Geschäftslokal mehr unterhalten zu haben. Den Wechsel ihrer Geschäftsanschrift habe sie zum Handelsregister allerdings nicht bekanntgegeben. Ihre Geschäfte habe sie in H. geführt. Durch ihr Verhalten habe die Antragsgegnerin zu 1 jedenfalls den Anschein erweckt, sie betreibe in V. nach wie vor ein Geschäftslokal. Sie müsse daher die dorthin gerichteten Zustellungen gegen sich gelten lassen.
Die Antragsgegnerin zu 1 habe selbst für das Gericht unter Verstoß gegen Treu und Glauben den Anschein erzeugt, es handle sich bei der Anschrift in V. um ihr Geschäftslokal. Sie habe dort aber zu keiner Zeit ein Geschäftslokal im üblichen Sinn unterhalten, zumal ihr Vorstand dort nicht regelmäßig anwesend gewesen sei. Zur Zeit der Zustellung sei die Antragsgegnerin zu 1 im Handelsregister unter der Anschrift in V. eingetragen gewesen. Dort habe ein Schild auf sie hingewiesen. Auch der Antragsgegnerin zu 2 sei der Beschluss des Amtsgerichts wirksam zugestellt worden, weil die Antragsgegnerin zu 1 zum Empfang berechtigt gewesen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden. Die Antragsgegnerin zu 1 behaupte, erst im Mai 1999 auf den Beschluss des Amtsgerichts aufmerksam geworden zu sein. Der vernommene Zeuge habe angegeben, anläßlich eines Treffens mit dem Vorstand der Antragsgegnerin zu 1 diesem keine Schriftstücke übergeben zu haben. Damit lasse sich nicht feststellen, wann und wie die Antragsgegnerin zu 1 Kenntnis von dem Beschluss des Amtsgerichts erlangt habe.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Beschluss des Amtsgerichts vom 26.4.1999 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 28.4.1999 im Weg der Ersatzzustellung gemäß §§ 208, 184 ZPO dadurch zugestellt, dass der Postbedienstete, weil er im Geschäftslokal der Antragsgegnerin zu 1 während der gewöhnlichen Geschäftsstunden keine vertretungsberechtigte Person erreicht habe, die Ausfertigung dort der Bediensteten B. übergeben habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterhielt die Antragsgegnerin zu 1 am 28.4.1999 in V. kein Geschäftslokal; auch handelt es sich bei B., die das zuzustellende Schriftstück entgegennahm, nicht um eine Bedienstete der Antragsgegnerin zu 1. Eine wirksame Zustellung an die Antragsgegnerin zu 1 liegt daher nicht vor. Damit fehlt es auch an einer wirksamen Zustellung an die Antragsgegnerin zu 2, für die an die Antragsgegnerin zu 1 als Zustellungsbevollmächtigte zugestellt wurde.
b) Eine Heilung der Zustellung gemäß § 187 ZPO scheidet wegen dessen Satz 2 aus. Die Beschwerdefrist des § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG steht nämlich einer Notfrist im Sinn des § 187 Satz 2 ZPO gleich (BayObLGZ 1985, 20/22; BayObLG WuM 1995, 68/69 und 2000, 566).
c) Eine wirksame Zustellung ergibt sich auch nicht über die Grundsätze der Zurechnung einer fehlerhaften Zustellung kraft Rechtsscheins.
In Schrifttum und Rechtsprechung wird für den Fall der Ersatzzustellung nach § 183 ZPO die Meinung vertreten, dass derjenige, der sich nach außen hin als Gewerbetreibender ausgibt und den Anschein hervorruft, er unterhalte als solcher ein besonderes Geschäftslokal, auch dorthin gerichtete Zustellungen gegen sich gelten lassen müsse (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1083 m. w. N.). Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze auch auf den Fall der hier vorliegenden Ersatzzustellung an eine Aktiengesellschaft als juristische Person gemäß § 184 ZPO zur Anwendung kommen kann. Denn die Voraussetzungen einer Zurechnung kraft Rechtsscheins liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin zu 1 als Aktiengesellschaft wird von ihrem Vorstand vertreten (§ 78 Abs. 1 AktG). An ihn sind damit Zustellungen vorzunehmen. Die Anschrift des Vorstands der Antragsgegnerin zu 1 war zunächst V. und später H. Der Wechsel der damit maßgebenden Anschrift für eine Zustellung war sowohl den Antragstellern als auch dem Wohnungseigentumsgericht aus dem im Jahr 1998 anhängigen Verfahren 3 UR II 92/98 bekannt. Die Antragsgegnerin zu 1 hat mit Schriftsatz vom 22.6.1998 (Bl. 197 d.A.) ausdrücklich auf die neue Anschrift in H. und darauf hingewiesen, dass sie in V. keinen Büroraum mehr unterhalte. Die Antragsteller haben hierzu ausgeführt, der Hinweis sei überlesen worden. Das Wohnungseigentumsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 26. und 27.1.1999 (Bl. 198, 199 d.A.) in dem genannten Verfahren mit denselben Beteiligten wie im vorliegenden Verfahren die Antragsgegnerin zu 1 mit der Anschrift in H. aufgeführt. Im Hinblick darauf kann keine Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin zu 1 den Rechtsschein erzeugt habe, im April 1999 in V. weiterhin ein Geschäftslokal unterhalten zu haben.
3. Mangels wirksamer Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses ist die sofortige weitere Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es nicht.
Eine Hauptsacheerledigung liegt im Hinblick auf die vom Verwalter der Antragsteller erteilte löschungsfähige Quittung nur wegen eines 670079,64 DM nebst 6% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 29.3.2000 übersteigenden Betrages vor. Der Senat stützt sich dabei auf die im einzelnen von den Antragsgegnerinnen nicht in Frage gestellte Verrechnung im Schriftsatz vom 19.5.2000. Insoweit wird, weil die Antragsteller die Hauptsache nicht für erledigt erklärt haben, der Antrag abgewiesen. Eine weitergehende Hauptsacheerledigung ist nicht eingetreten. Dies wäre dann der Fall, wenn aufgrund dieser Quittung davon auszugehen wäre, dass die Antragsteller wegen der mit ihrem Antrag geltend gemachten Wohngeldforderungen vollständig befriedigt wären.
a) Bei der löschungsfähigen Quittung handelt es sich nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine Wissenserklärung über die Entgegennahme der geschuldeten Leistung. Sie liefert den Nachweis dafür, dass der Gläubiger wegen der der Hypothek zugrundeliegenden Forderung vollständig befriedigt ist und die Hypothek gemäß § 1163 Abs. 1 Satz 2, § 1177 Abs. 1 Satz 1 BGB als Grundschuld auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks oder Wohnungseigentums übergegangen ist. Damit ist der Nachweis gemäß § 22 GBO geführt, dass die Hypothek nicht mehr dem eingetragenen Gläubiger zusteht; dieser braucht bei der Löschung der Hypothek nicht mehr mitzuwirken; es genügt, dass die Löschungsbewilligung des Grundstückseigentümers als nunmehrigem Berechtigten der Grundschuld vorliegt. Eine löschungsfähige Quittung kann, wenn Gläubiger der Hypothek Wohnungseigentümer sind, der Verwalter abgeben (BayObLGZ 1995, 103/105 f. m. w. N.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist im Hinblick auf Inhalt und Wortlaut der löschungsfähigen Quittung vom 21.2.2000 zunächst der Nachweis dafür erbracht, dass die Antragsteller wegen der der Sicherungshypothek zugrundeliegenden Forderung befriedigt sind (vgl. § 368 BGB). Wegen der strengen Akzessorietät der Sicherungshypothek (§ 1184 BGB) ändert daran nichts, dass in der löschungsfähigen Quittung nicht auf die Forderung, sondern auf das "Grundpfandrecht" abgestellt wird. Die Sicherungshypothek kann nicht vom Bestand der Forderung getrennt werden.
c) Auch wenn aufgrund einer löschungsfähigen Quittung regelmäßig der Schluß gezogen werden muß, dass der Schuldner tatsächlich geleistet hat, bleibt doch dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, den Gegenbeweis zu führen. Die Beweiskraft einer löschungsfähigen Quittung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie ist grundsätzlich dann erschüttert, wenn der Gläubiger den Nachweis führt, dass der Empfang der quittierten Leistung unwahrscheinlich ist (BGH NJW-RR 1988, 881; OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 172).
Dieser Nachweis ist hier geführt. Die Antragsgegnerinnen behaupten selbst nicht, an die Antragsteller über den Kaufpreis von 400000 DM hinaus Leistungen auf ihre Wohngeldschulden erbracht zu haben. Für einen Erlaß des darüber hinausgehenden Betrags fehlen jegliche Anhaltspunkte. Ein entsprechender Erlaßvertrag wird auch von den Antragsgegnerinnen nicht behauptet. Aufgrund des Eigentümerbeschlusses vom 9.2.2000 liegt vielmehr auf der Hand, dass durch die löschungsfähige Quittung lediglich die Löschung der Sicherungshypothek ermöglicht werden sollte, damit der Kaufpreis von 400000 DM den Antragstellern zufließen konnte. Denn der Käufer des Wohnungseigentums sollte lastenfreies Eigentum erwerben. Eine Löschungsbewilligung oder ein Verzicht auf die Hypothek in der grundbuchmäßigen Form des § 29 GBO wäre bei der großen Zahl der Wohnungseigentümer praktisch nicht zu erreichen. Deshalb wurde der vom Senat mit seiner Entscheidung vom 23.2.1995 (BayObLGZ 1995, 103) eröffnete Weg über die löschungsfähige Quittung gewählt. Aus Nr. 3 des Eigentümerbeschlusses vom 9.2.2000 ergibt sich, dass die Wohnungseigentümer von weiter bestehenden Wohngeldrückständen ausgingen, die über den Kaufpreis von 400000 DM hinausgehen. Dies läßt den Schluß auf einen Erlaß nicht zu.
4. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts aufgehoben. Das Verfahren vor dem Amtsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Antragsgegnerinnen nicht beteiligt wurden. Sowohl der Antrag als auch die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden wie die Entscheidung des Amtsgerichts nicht wirksam zugestellt und erreichten die Antragsgegnerinnen nicht. Daher hält es der an die Stelle des Beschwerdegerichts tretende Senat für geboten, auch die Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen, soweit der Zahlungsanspruch nicht abgewiesen wird. Das Amtsgericht wird die sachlichen Einwendungen der Antragsgegnerinnen (vgl. Schriftsatz vom 24.6.1999) zu prüfen und auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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