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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.08.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 144/00
Rechtsgebiete: BGB, WEG, FGG


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 130
BGB § 242
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
FGG § 22 Abs. 2
Die in einer Eigentümerversammlung abgegebene Zustimmung zu einer baulichen Veränderung können von einem Wohnungseigentümer wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 2. August 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses u.a.,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen und die den Antragstellerinnen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 11500 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer aus fünf Wohnungen und einem Teileigentum bestehenden Anlage, die bis zum 31.12.2000 vom weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wurde; nunmehr ist der weitere Beteiligte zu 2 der Verwalter. Der Antragsgegnerin zu 1 gehört das im Erdgeschoss und Kellergeschoss gelegene Teileigentum Nr. 6, das in der Teilungserklärung als Laden mit Lager und Archiv bezeichnet ist; ihr Sohn betreibt darin unter der Firma K. eine Seilerei.

Im März 1999 schloss die Antragsgegnerin zu 1 mit der Firma C. einen Mietvertrag über Räume des Teileigentums Nr. 6, der eine Nutzung als "Kaffeebar + Kaffeeinzelhandel" sowie den Einzug des Mieters spätestens zum 1.1.2000 vorsah. Am 30.4.1999 lud die Verwalterin für den 20.5.1999 zu einer Eigentümerversammlung ein. Punkt 1 der Tagesordnung lautete: Beschlussfassung zu den Umbaumaßnahmen der Firma K. Das Einladungsschreiben verwies auf den beigefügten Grundriss- und Fassadenplan. Danach sollten im Erdgeschoss zwei Glastüren in die Hausfront als direkter Zugang von der Straße eingebaut werden.

In der Eigentümerversammlung vom 20.5.1999 waren sämtliche Miteigentumsanteile vertreten. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 hatten der Antragstellerin zu 1 Vollmacht zu ihrer Vertretung erteilt; die Antragsgegnerin zu 1 wurde durch ihren Sohn vertreten. Zu TOP 1 lautet die Versammlungsniederschrift:

Der Verwalter bemerkt einleitend, dass diese bauliche Veränderung der Einstimmigkeit in der Beschlussfassung bedarf.

Herr... (Sohn der Antragsgegnerin zu 1) sichert zu, dass keinerlei Kosten aus diesen Umbaumaßnahmen auf die übrigen Eigentümer zukommen werden. Er stellt ausführlich die in der Anlage 1 und 2 dargestellten baulichen Veränderung der Hausfassade dar und beantragt, diese Umbauten zu genehmigen. Ergebnis:

Genehmigungen: einstimmig.

Mit Schriftsatz vom 29.7.1999, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, haben die Antragstellerinnen ihre Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung sowie eine darin etwa enthaltene Zustimmung zur Durchführung der Umbaumaßnahmen an der straßenseitigen Fassade wegen arglistiger Täuschung angefochten. Sie haben einen Zeitungsbericht vom 19.7.1999 vorgelegt, wonach statt der Seilerei ein Caf6 in ihrem Anwesen betrieben und dafür die Fassade geändert werden solle. Die Antragstellerinnen haben an Eides statt versichert, auf den Zeitungsbericht hin hätten sie sich an die Baubehörde gewendet und dort die Auskunft erhalten, am 16.4.1999 habe die Firma C. als Mieterin des Teileigentums einen Antrag auf Genehmigung von Umbaumaßnahmen und Nutzungsänderung gestellt. Nach den von der Antragsgegnerin zu 1 unterzeichneten Bauplänen sei u.a. der Abriß der vorhandenen Trennmauer und die Errichtung einer neuen Mauer zur Abtrennung des hinteren Erdgeschossteils vorgesehen; das bisher im hinteren Teil des Erdgeschosses gelegene Lager solle künftig als Laden für die Seilerei genutzt werden. Ferner sei eine Konzession für eine Gaststätte mit Bistrocharakter und Öffnungszeiten bis 1.00 Uhr nachts sowie die Genehmigung einer Freischankfläche und des Ausschanks von Alkohol beantragt worden. Die Antragstellerinnen haben beim Amtsgericht beantragt, ihnen Wiedereinsetzung wegen einer etwaigen Versäumung der Frist zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 20.5.1999 zur gewähren und diesen für ungültig zu erklären, ferner, der Antragsgegnerin zu 1 bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, ihr Teileigentum zu gastronomischen Zwecken zu nutzen, die nicht den gesetzlich zulässigen Ladenöffnungszeiten unterliegen, oder es zu einer solchen Nutzung an Dritte zu überlassen. Ein weiterer Antrag ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung.

Das Amtsgericht hat die Anträge am 4.4.2000 abgewiesen. Die Antragstellerinnen haben sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren haben sie im Hinblick auf die zwischenzeitliche Auflösung des Mietvertrags zwischen der Antragsgegnerin zu 1 und der Firma C. die Unterlassungsanträge für erledigt erklärt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5.12.2000 den Antragstellerinnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und den Eigentümerbeschluss vom 20.5.1999 für ungültig erklärt. Die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs hat es zur Hälfte den Antragsgegnern zu 1 bis 3 als Gesamtschuldnern und zur anderen Hälfte der Antragsgegnerin allein auferlegt; von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen.

Die Antragsgegnerin zu 1 hat sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie die Abweisung der gestellten Anträge und die Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts erstrebt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Den Antragstellerinnen sei wegen der Versäumung der Frist zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hätten durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass sie erstmals durch den Zeitungsbericht von den Umständen erfahren hätten, die eine Anfechtung ihrer Stimmabgabe wegen arglistiger Täuschung rechtfertigten.

Die von den Antragstellerinnen in der Antragsschrift vom 29.7.1999 und mit Schreiben an den Verwalter vom 9.6. und 15.6.2000 erklärte Anfechtung führe zur Nichtigkeit ihrer Stimmabgabe. Damit fehle es an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung über die Fassadenänderung. Diese stelle eine Beeinträchtigung im Sinn von § 14 WEG dar, so dass auch die Zustimmung der Antragstellerinnen erforderlich gewesen wäre.

Die Anfechtung der Stimmabgabe wegen arglistiger Täuschung sei begründet. Es könne dahinstehen, ob der Sohn der Antragsgegnerin zu 1 in der Eigentümerversammlung erklärt habe, er benötige die Fassadenänderung für den Betrieb seiner Seilerei. Er habe jedenfalls nicht auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fest geplante Nutzungsänderung des Teileigentums hingewiesen, die der Mietvertrag mit der Firma C. vorgesehen habe. Der Antrag auf Genehmigung einer Freischankfläche und einer Öffnungszeit bis 1.00 Uhr nachts zeige, dass nicht nur ein Kaffeeladen mit Ausschank geplant gewesen sei. Der Betrieb eines Bistros in dem als Laden ausgewiesenen Teileigentum hätte als Nutzungsänderung der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedurft. In der Eigentümerversammlung vom 20.5.1999 sei zwar nicht über eine Nutzungsänderung abgestimmt worden. Angesichts des zeitlichen Ablaufs der Vorgänge sei die Kammer jedoch davon überzeugt, dass die beabsichtigte Veränderung der Fassade nur den Betrieb einer Gaststätte (Bistro) habe ermöglichen sollen. Die Antragsgegnerin zu 1 habe keinen einleuchtenden Grund vorgetragen, warum eine solche Fassadenänderung für den Betrieb der Seilerei notwendig sei. Durch das Verschweigen der tatsächlichen Nutzung, die nach dem Mietvertrag spätestens zum 1.1.2000 beginnen sollte, hätten die bauliche Veränderung durchgesetzt und vollendete Tatsachen für den Betrieb eines Bistros geschaffen werden sollen. Angesichts dessen sei davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin zu 1 und ihrem Sohn klar gewesen sei, der Zweck der baulichen Veränderung sei für das Abstimmungsverhalten der übrigen Wohnungseigentümer von wesentlicher Bedeutung. Durch sein Schweigen habe der Sohn der Antragsgegnerin zu 1 zum Ausdruck gebracht, dass sich die bauliche Veränderung im Rahmen der bisher zulässigen Nutzung halte.

Angesichts ihrer Absichten sei die Antragsgegnerin zu 1 nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, den Wohnungseigentümern offen zu legen, dass die Fassadenänderung eine Nutzungsänderung ermöglichen solle. Zwar habe grundsätzlich jeder Beteiligte seine eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Etwas anderes müsse gelten, wenn ein anderer sich unredlich verhalte.

Hinsichtlich der ursprünglichen Unterlassungsanträge habe sich die Hauptsache im Beschwerdeverfahren erledigt. Der Erledigterklärung der nur die Antragsgegnerin zu 1 betreffenden Anträge habe diese nicht widersprochen. Bei der Entscheidung über die darauf entfallenden Kosten sei zu berücksichtigen, dass eine unzulässige Nutzungsänderung unmittelbar bevorgestanden habe und die Antragstellerinnen berechtigt gewesen seien, dagegen vorzugehen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Im Rahmen des § 22 Abs. 1 WEG ist grundsätzlich für einen Eigentümerbeschluss kein Raum (BGHZ 73, 196/199; BayObLGZ 1992, 288/295). Es genügt vielmehr, dass die nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer der beabsichtigten baulichen Veränderung zustimmen. Wird gleichwohl ein Eigentümerbeschluss gefasst, ist dieser jedenfalls nicht nichtig (BayObLG NZM 2001, 133). Er ist in aller Regel geeignet, Unsicherheiten darüber zu beseitigen, ob die bauliche Veränderung vorgenommen werden darf. In einem solchen Fall genügt es nicht, dass die an sich ausreichende Zustimmung eines nachteilig betroffenen Wohnungseigentümers durch Anfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB beseitigt wird; vielmehr muss auch der Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt werden. Dies kann wiederum nur durch Anfechtung gemäß § 23 Abs. 4 WEG geschehen, also grundsätzlich innerhalb der dort bestimmten Monatsfrist.

b) Einem Wohnungseigentümer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Antragsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG einzuhalten, ist entsprechend § 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er den Antrag binnen zwei Wochen seit Beseitigung des Hindernisses stellt und die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, glaubhaft macht (BayObLGZ 1989, 13/14 m.w.N.; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 23 Rn. 175; a.M. Assmann ZWE 2001, 294). Hat das Beschwerdegericht die Wiedereinsetzung bewilligt, ist das Rechtsbeschwerdegericht an die von der Vorinstanz rechtsfehlerfrei festgestellten, die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Gründe gebunden (BayObLG NZM 2001, 133/134). Das Landgericht hat aufgrund des von den Antragstellerinnen vorgelegten Zeitungsberichts und ihrer eidesstattlichen Versicherungen (§ 15 Abs. 2 FGG) ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Antragstellerinnen erstmals am 19.7.1999 von den Tatsachen Kenntnis erhalten haben, auf die sie die Anfechtung ihrer Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung vom 20.5.1999 stützen. Mit dem am 29.7.1999 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Frist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG gewahrt. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin zu 1 ist somit die Gewährung der Wiedereinsetzung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

c) Das Landgericht hat angenommen, dass die Antragstellerinnen ihre Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung vom 20.5.1999 wirksam angefochten haben. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin zu 1 ohne Erfolg.

(1) Der Eigentümerbeschluss ist ein Rechtsgeschäft; als Gesamtakt setzt er sich aus den abgegebenen positiven Stimmen zusammen. Die Stimmabgaben sind ihrerseits einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen. Empfänger der Erklärungen im Sinn von § 130 BGB sind die übrigen anwesenden Wohnungseigentümer, wenn - wie hier - solche anwesend oder vertreten sind; mit der Wahrnehmung durch sie wird die Stimmabgabe wirksam (BayObLGZ 1995, 407/411 m.w.N.). Als Willenserklärung unterliegt die Stimmabgabe den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Willenserklärungen, insbesondere auch den Vorschriften über die Anfechtbarkeit (BayObLGZ 2000, 66/69 m.w.N.). Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung im Sinn von § 123 BGB ist gemäß § 124 Abs. 1 und 2 BGB binnen eines Jahres seit Erlangung der Kenntnis vom arglistigen Verhalten des Täuschenden dem Erklärungsempfänger gegenüber zu erklären. Diese Frist ist gegenüber den Wohnungseigentümern mit der Antragsschrift vom 29.7.1999 gewahrt.

(2) Den bei der Versammlung vorgelegten Plänen zufolge sollten in die Straßenfront des Erdgeschosses anstelle der bisher vorhandenen Fenster zwei Glastüren eingebaut und damit ein unmittelbarer Zugang von der Straße zum Ladenraum geschaffen werden. Nur dieser Teil des weitere Maßnahmen im Innern des Teileigentums umfassenden Baugesuchs wurde in der Eigentümerversammlung behandelt. Die Maßnahme bedurfte als bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (vgl. BayObLG DWE 1986, 94 [Ls], Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 128). Das Landgericht hat es als arglistige Täuschung im Sinn von § 123 BGB angesehen, dass der Sohn der Antragsgegnerin zu 1, der als ihr Vertreter an der Eigentümerversammlung teilnahm, bei der Erörterung der geplanten Umgestaltung der Fassade den Wohnungseigentümern nicht mitgeteilt hat, dass die Maßnahme der Vermietung des Ladens an einen gastronomischen Betrieb dienen und damit eine nach der Teilungserklärung nicht zulässige Nutzung (vgl. BayObLG ZMR 2000, 53/54 und st.Rspr.) ermöglichen sollte. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Die Erklärungen ihres Sohnes sind der Antragsgegnerin zuzurechnen, § 166 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 123 Rn. 13).

aa) Ein Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung durchführen möchte, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erteilung der erforderlichen Zustimmung anderer Wohnungseigentümer. Diese können ihre Zustimmung nicht nur verweigern, sondern auch an Bedingungen oder Auflagen knüpfen (BayObLG NZM 1998, 1014 m.w.N.; Staudinger/Bub § 22 Rn. 47, 49; Weitnauer/Lüke WEG 8. Aufl. § 22 Rn. 13). Für die Entscheidung eines Wohnungseigentümers, um dessen Zustimmung zu einer baulichen Veränderung nachgesucht wird, ist in der Regel von ausschlaggebender Bedeutung, welcher Art und welchen Umfangs die Beeinträchtigungen sein werden, die er zu erwarten hat. Zu Recht nimmt das Landgericht an, dass aufgrund der sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer ergebenden Schutz- und Treuepflichten (vgl. Weitnauer/Lüke § 10 Rn. 12; Niedenführ/Schulze WEG 5. Aufl. § 10 Rn. 12) gemäß § 242 BGB Aufklärung über die für Art und Ausmaß seiner Beeinträchtigung maßgebenden Umstände geschuldet war (vgl. Palandt/Heinrichs § 123 Rn. 5b, 5c m.w.N.).

bb) Im vorliegenden Fall ergibt sich die Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer nicht nur aus der optischen Veränderung der Fassade, sondern insbesondere auch aus der erleichterten Zugänglichkeit des Ladenraums von der Straße aus. Die Baumaßnahme sollte nicht der bisher im Teileigentum betriebenen Seilerei dienen, wie es nach der Bezeichnung des Beschlussgegenstands in der Einladung zur Eigentümerversammlung naheliegend erschien. Sie war vielmehr beabsichtigt, um einem Mieter die Eröffnung eines gastronomischen Betriebs zu ermöglichen, durch den ein zusätzlicher Publikumsverkehr zu erwarten war und der als Nutzungsänderung ebenfalls der Zustimmung der Wohnungseigentümer bedurfte. Die Antragsgegnerin zu 1 war redlicherweise verpflichtet, diese Umstände offen zu legen und nicht abzuwarten, ob die übrigen Wohnungseigentümer nach Durchführung des Umbaus gegen die Nutzungsänderung vorgehen würden.

cc) Das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 hat das Landgericht ohne Rechtsfehler als arglistige Täuschung im Sinn von § 123 Abs. 1 BGB gewertet. Arglist erfordert lediglich das Bewusstsein, dass andere Wohnungseigentümer ohne die Täuschung ihre Zustimmung möglicherweise nicht erteilt hätten; insoweit genügt bedingter Vorsatz (vgl. BGH NJW 1971, 1795/1800; Palandt/Heinrichs § 123 Rn. 11). Hiervon konnte das Landgericht ausgehen. Soweit die Antragsgegnerin zu 1 vorbringt, sie habe mit dem Mieter eine Öffnungszeit bis 21.00 Uhr vereinbart, findet sich dafür in dem vorgelegten Ausschnitt aus dem Mietvertrag kein Anhaltspunkt. Im übrigen würde auch dies der in der Teilungserklärung festgelegten Nutzung als Laden widersprechen.

c) Die wirksame Anfechtung der Stimmabgabe führt gemäß § 142 BGB zur Nichtigkeit der von den Antragstellerinnen abgegebenen Ja-Stimmen. Da es ohne diese Stimmen an der gemäß § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmung aller Wohnungseigentümer fehlt, hat das Landgericht den Eigentümerbeschluss über die Genehmigung der Umbaumaßnahme zu Recht für ungültig erklärt (vgl. BayObLG NZM 1998, 442 f.; OLG Stuttgart DWE 1986, 60/61; Bärmann/Merle § 23 Rn. 157; Staudinger/Bub § 23 Rn. 70). Die Anfechtung der Stimmabgabe erfasst auch die darin liegende Zustimmung im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG.

3. Hinsichtlich der Unterlassungsanträge ist das Landgericht ohne Rechtsfehler von einer Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren ausgegangen. Es hatte daher insoweit nur noch gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden. Dabei war vor allem zu berücksichtigen, ob der geltend gemachte Anspruch ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung begründet gewesen wäre oder nicht (BayObLG WE 1999, 154/155 m.w.N. und st.Rspr.). Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, das Unterlassungsbegehren der Antragstellerinnen wäre voraussichtlich erfolgreich gewesen, weil sie gemäß § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt waren, die Unterlassung der nach dem vorgelegten Mietvertrag unmittelbar bevorstehenden Nutzung des Ladens der Antragsgegnerin zu 1 zu gastronomischen Zwecken zu verlangen. Dies rechtfertigt die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung.

4. Dem Senat erscheint es angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin zu 1 die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen und anzuordnen, dass sie den Antragstellerinnen die in diesem Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat (§ 47 WEG). Im übrigen erscheint eine Kostenerstattung nicht angemessen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 11500 DM festgesetzt. Dabei hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses mit 10000 DM bewertet.

Ende der Entscheidung

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