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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.09.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 144/03
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 6a
1. Ob die mit einem Gesamterbbaurecht zu belastenden Grundstücke im Sinne des § 6a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO nahe beieinander liegen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist neben der tatsächlichen Entfernung auch der Zweck, dem das einheitliche Bauwerk oder das Bauwerk mit den dazugehörigen Nebenanlagen dient.

2. Ob Gegenstand des Erbbaurechts ein einheitliches Bauwerk oder ein Bauwerk mit dazugehörigen Nebenanlagen ist, beurteilt sich aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Das erfordert, dass die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Weise dargelegt werden, die eine entsprechende Beurteilung ermöglicht.


Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1, eine Gemeinde, ist Eigentümerin von sechs in verschiedenen Gemeindeteilen liegenden Grundstücken, auf denen sich fünf Kläranlagen und andere Abwasserbeseitigungseinrichtungen befinden. Durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ist die Abwasserbeseitigung auf die Beteiligte zu 2, einen Zweckverband, übertragen.

Die Beteiligte zu 1 bestellte am 12.12.2000 der Beteiligten zu 2 an den Grundstücken ein Gesamterbbaurecht.

Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung des Gesamterbbaurechts am 31.1.2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Augsburg mit Beschluss vom 4.4.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Eintragung eines Gesamterbbaurechts sei nur zulässig, wenn die betroffenen Grundstücke im selben Grundbuchamtsbezirk und im gleichen Katasterbezirk liegen und unmittelbar aneinander grenzen. Von diesen Voraussetzungen könne nur abgewichen werden, wenn die Grundstücke nahe beieinander liegen und der Gegenstand des Erbbaurechts ein einheitliches Bauwerk oder ein Bauwerk mit dazugehörigen Nebenanlagen auf den belasteten Grundstücken sei oder das Erbbaurecht in Wohnungs- oder Teilerbbaurechte aufgeteilt werden solle. Die Anforderungen an die räumliche Lage der Grundstücke seien nicht erfüllt. Die Zulassung einer Ausnahme im Hinblick auf den bestehenden funktionellen Zusammenhang sei nach der Gesetzessystematik nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei die für die Vereinigung von Grundstücken geltende Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBO auf die Eintragung eines Gesamterbbaurechts nicht entsprechend anwendbar.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 GBO darf einem Antrag auf Eintragung eines Erbbaurechts an mehreren Grundstücken nur entsprochen werden, wenn hinsichtlich der zu belastenden Grundstücke die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 GBO vorliegen. Diese Vorschrift verlangt unter anderem, dass die Grundstücke unmittelbar aneinander grenzen. Das ist hier nicht der Fall.

b) Die Vorinstanzen haben das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 2 GBO verneint, ohne den Beteiligten Gelegenheit gegeben zu haben, ausreichende Eintragungsunterlagen beizubringen und damit das angenommene Eintragungshindernis zu beheben (§ 18 GBO). Ob die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO vorliegen, kann weder aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen noch aufgrund der Aktenlage abschließend beurteilt werden.

(1) Die Vorinstanzen haben zur Entfernung der zu belastenden Grundstücke voneinander keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.

Soweit die Vorinstanzen darauf abgestellt haben, dass eine räumliche Nähe nur anzunehmen wäre, wenn die Grundstücke lediglich durch Erschließungswege getrennt wären, ist diese Sichtweise zu eng. Durch die Ausnahmeregelung des § 6a Abs. 1 Satz 2 GBO soll verhindert werden, dass wirtschaftlich sinnvolle Gestaltungen unmöglich gemacht werden (Demharter GBO 24. Aufl. § 6a Rn. 4). Ein wirtschaftliches Bedürfnis kann aber nicht schon dann verneint werden, wenn die Grundstücke durch größere Flächen als nur Erschließungswege getrennt sind. Damit würde der Gesetzeszweck zu sehr eingeschränkt. Wann eine örtliche Nähe vorliegt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, insbesondere nach den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und dem Zweck, der mit der Bestellung des Gesamterbbaurechts in wirtschaftlicher Hinsicht verfolgt wird. Umstände, die dabei eine Rolle spielen können, sind einerseits die Entfernung der Grundstücke in Luftlinie, andererseits aber auch die Verbindungen zwischen den einzelnen Grundstücken, sei es durch öffentliche Verkehrswege oder Leitungen. Abzustellen ist darauf, ob die Grundstücke nach der Verkehrsanschauung trotz einer gewissen räumlichen Entfernung im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Nutzung als zusammengehörend angesehen werden können.

Der Senat kann auch den dem Eintragungsantrag beigefügten Plänen die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung über eine räumliche Nähe nicht entnehmen. Es handelt sich dabei um Ingenieurpläne, die keinen hinreichenden Eindruck von den räumlichen Gegebenheiten vermitteln.

Davon abgesehen, können diese Pläne schon deshalb nicht als ausreichende Entscheidungsgrundlage angesehen werden, weil nach § 6a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2, § 5 Abs. 2 Satz 3 GBO die Lage der Grundstücke zueinander durch Vorlage einer von der zuständigen Behörde beglaubigten Karte nachzuweisen ist. Durch diese Vorschriften wird den Besonderheiten des Grundbuchverfahrens Rechnung getragen. Danach sind die Eintragungsgrundlagen grundsätzlich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen (§ 29 GBO). Eine von der zuständigen Behörde beglaubigte Karte befindet sich nicht bei den Akten.

(2) Auch das Vorliegen der weiteren Eintragungsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO, dass Gegenstand des Erbbaurechts ein einheitliches Bauwerk oder ein Bauwerk mit dazugehörenden Nebenanlagen auf den belasteten Grundstücken sein muss, haben die Vorinstanzen verneint. Der Senat kann nach den getroffenen Feststellungen und den bei den Akten befindlichen Unterlagen nicht abschließend beurteilen, ob dies zu Recht geschehen ist.

Nach § 6a Abs. 1 Satz 3 GBO sind diese Voraussetzungen glaubhaft zu machen, wobei die Voraussetzungen des § 29 GBO nicht erfüllt sein müssen. Glaubhaft müssen Tatsachen sein und nicht die Rechtsbehauptung. Hierfür ist bereits der Sachvortrag der Antragsteller nicht ausreichend. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründung lediglich vorgetragen, dass ein "funktioneller Zusammenhang" bestehe; es handele sich um eine einheitliche Gesamtkläranlage mit den zugehörigen Klärwerken und -becken und den erforderlichen Zu- und Ableitungen. Woraus sich ergibt, dass es sich um eine "Gesamtkläranlage" handeln soll, ist nicht ersichtlich. Hierzu wäre zumindest die Angabe der Tatsachen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass aus bisher fünf Kläranlagen eine einheitliche Gesamtkläranlage entsteht. Um dies beurteilen zu können, ist zumindest in den Grundzügen darzulegen, in welcher Weise die jeweiligen Bauwerke auf den verschiedenen Grundstücken zusammenwirken.

3. Der Senat erachtet es für zweckmäßig, die Sache an das Grundbuchamt zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt: Das Amtsgericht wird eine Zwischenverfügung zu erlassen haben, da der Eintragung nach dem derzeitigen Sachstand grundsätzlich behebbare Eintragungshindernisse entgegenstehen. Den Antragstellern wird aufzugeben sein, die Lage der Grundstücke zueinander durch Vorlage einer von der zuständigen Behörde beglaubigten Karte nachzuweisen und die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines einheitlichen Bauwerkes oder eines Bauwerkes mit dazugehörigen Nebenanlagen glaubhaft zu machen. Nach Eingang dieser Unterlagen wird das Grundbuchamt in der Sache erneut zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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