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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 144/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 823
BGB § 831
WEG § 27
1. Der Verwalter genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er diese auf eine zuverlässige Hauswartfirma überträgt. Zu einer Überwachung der Hauswartfirma ist der Verwalter nicht verpflichtet, wenn über mehrere Jahre hinweg kein Anlass zu Beanstandungen bestand.

2. Offen bleibt, ob den Verwalter kraft Gesetzes eine Verkehrssicherungspflicht trifft oder nur, wenn ihm die Verkehrssicherungspflicht vertraglich übertragen ist.


Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, die von der Antragsgegnerin verwaltet wird. Nach § 3 Nr. 2 des Verwaltervertrags hat der Verwalter im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alles zu tun, was zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig ist.

Zur Wohnanlage gehört eine Tiefgarage. Deren Ausfahrttor kann mit einer Fernbedienung geöffnet werden. Beim Bedienen des Öffnungsmechanismus leuchtet eine Ampel rot auf, das Tor öffnet sich dann für ca. 20 Sekunden. In dieser Zeit ist das Rotlicht ausgeschaltet. Nach Ablauf der 20 Sekunden schaltet die Ampel wieder auf Rot und das Tor schließt sich. Am 6.4.2002 wollte der Antragsteller mit seinem Pkw aus der Tiefgarage herausfahren. Als er sich dem Tor näherte, stand dieses bereits offen. Der Antragsteller betätigte die Funkfernbedienung, um sicherzustellen, dass das Tor auch geöffnet bleibt. Die rote Signallampe leuchtete nicht. Als sich der Antragsteller mit seinem Pkw unterhalb des Tiefgaragentors befand, schloss dieses plötzlich, ohne dass die rote Ampel aufgeleuchtet hätte. Das Fahrzeug des Antragstellers wurde beschädigt.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller 1.900,86 EURO nebst Zinsen zu bezahlen. Die Antragsgegnerin hat der Streithelferin den Streit verkündet. Diese ist dem Verfahren beigetreten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11.12.2003 die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller 950,43 EURO nebst Zinsen zu bezahlen und im Übrigen den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht am 26.5.2004 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Verkehrssicherungspflicht obliege primär den Wohnungseigentümern. Diese hätten die Verkehrssicherungspflicht im Verwaltervertrag jedoch auf die Antragsgegnerin übertragen. Die Antragsgegnerin habe alle erforderlichen Maßnahmen dadurch unternommen, dass sie mit der Streitverkündeten einen Hauswartvertrag abgeschlossen habe. Eine Zurechnung des Verschuldens der Streithelferin komme nicht in Betracht, da die Streithelferin nicht die Pflicht der Antragsgegnerin zu erfüllen gehabt habe, erforderliche Maßnahmen zu treffen. Ein eigenes Verschulden der Antragsgegnerin liege nicht vor, da sie eine als leistungsfähig bekannte Firma beauftragt habe. Der Hauswartvertrag bestehe seit 1996 und es sei nicht ersichtlich, dass die Hauswarttätigkeiten in der Vergangenheit nachlässig durchgeführt worden seien. Die Antragsgegnerin treffe auch kein Überwachungsverschulden. Sie habe nach ordnungsgemäßer Auswahl eines zuverlässigen Unternehmens auf die ordnungsgemäße Durchführung der notwendigen Arbeiten vertrauen dürfen. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Streithelferin hätten bei der Antragsgegnerin nicht aufkommen müssen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin weder einen Anspruch nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WEG und dem Verwaltervertrag noch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.

Die Verkehrssicherungspflicht obliegt primär den Wohnungseigentümern (BGH NJW 1996, 2646). Die Wohnungseigentümer können die Verkehrssicherungspflicht jedoch mit dessen Einverständnis auf den Verwalter übertragen. Das ist hier durch § 3 Nr. 2 des Verwaltervertrags geschehen. Die Verpflichtung, alles zu tun, was zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung notwendig ist, umfasst auch die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob sich die Verkehrssicherungspflicht des Verwalters unmittelbar aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 4 WEG ergibt (so Horst MDR 2001, 191) oder ob eine gesonderte Delegation der Verkehrssicherungspflicht auf den Verwalter erforderlich ist (so OLG Frankfurt a.M. WuM 2002, 619).

Der Verwalter hat seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Der Verkehrssicherungspflichtige kann nämlich die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten übertragen. Ihn trifft dann lediglich die Pflicht zur Überwachung des Dritten. Der Verkehrssicherungspflichtige darf jedoch im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der Dritte den ihm übertragenen Verpflichtungen auch nachkommt, so lange nicht konkrete Anhaltspunkte bestehen, die dieses Vertrauen erschüttern (BGHZ 142, 227/233). Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat bindenden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO) Feststellungen des Landgerichts ist die Streithelferin als leistungsfähige Firma bekannt. Außerdem sind die Hauswarttätigkeiten seit 1996 ordnungsgemäß durchgeführt worden. Für die Antragsgegnerin bestand deshalb keine Veranlassung, zu überprüfen, ob der Rolltormechanismus, wie im Vertrag mit der Streithelferin vorgesehen, täglich überprüft wurde.

Die Antragsgegnerin muss sich auch nicht ein eventuelles Fehlverhalten der Streithelferin zurechnen lassen.

Eine Zurechnung nach § 831 BGB scheidet schon deshalb aus, weil - wie ausgeführt - eine ordnungsgemäße Auswahl erfolgt ist und eine laufende Überwachung nicht geboten war.

Auch eine Zurechnung über § 278 BGB kommt nicht in Betracht. Zwischen der Antragsgegnerin und der Streithelferin besteht kein Vertragsverhältnis, da die Antragsgegnerin den Vertrag im Namen der Wohnungseigentümer abgeschlossen hat. Zwar ist das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Schuldner und dem Dritten nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 278 BGB. Es genügt auch eine rein tatsächliche Zusammenarbeit (Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 278 Rn. 7). Hier besteht aber die Besonderheit, dass ein Vertrag zwischen der Streithelferin und den verkehrssicherungspflichtigen Wohnungseigentümern besteht. Die Streithelferin ist deshalb nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit der Antragsgegnerin tätig geworden, sondern hat die Verkehrssicherungspflicht für die Wohnungseigentümer übernommen. Der Verwalter ist nur als Vertreter tätig geworden. Als solcher haftet er nicht nach § 278 BGB. Dass die Antragsgegnerin mit der Beauftragung der Streithelferin zugleich ihre eigene Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten übertragen hat, ist demgegenüber unerheblich. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Vornahme eigener Maßnahmen hat die Antragsgegnerin nämlich nicht dadurch erlangt, dass sie für sich einen Dritten beauftragt hat, sondern dadurch, dass eigene Maßnahmen des Verwalters nicht mehr erforderlich waren, weil die Wohnungseigentümer selbst, vertreten durch die Antragsgegnerin, alles zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht Erforderliche unternommen haben, so dass ein weiteres Tätigwerden der Antragsgegnerin nicht notwendig war.

3. Es entspricht der Billigkeit, den unterlegenen Antragsteller mit den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 Satz 1 WEG). Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen abgesehen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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